Junge Mütter mit ihren Kindern (Quelle: rbb)
(Quelle: rbb)

- Rabenmutter oder Allzweckwaffe: Warum junge Frauen mit Kinderwunsch in der beruflichen Klemme sind

Maren Milbradt ist 27, Mutter und wieder schwanger. Ihr Chef würde sich gern mit ihr freuen, doch er weiß nicht, wie er ihre Mutterschaftszeit überbrücken soll. Denn adäquaten Ersatz bekommt er nicht. So produziert die Auszeit seiner Angestellten vor allem Kosten. Doch Maren Milbradt möchte ihren Beruf ausüben und Kinder, für sie ist das ein ausgeglichenes Leben. Viele andere junge Frauen verzichten lieber auf Kinder. KLARTEXT porträtiert Frauen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und hinterfragt die gesellschaftlichen Bedingungen.

Eva Herman ist ja gar nicht mehr zu bremsen. Heute wurde bekannt, dass die ehemalige Tagesschau-Sprecherin schon wieder ein Buch schreiben will. Nach ihrem „Eva-Prinzip“, soll nun die Fortsetzung aufs Papier. Wieder wird es darum gehen, dass die ganze Sache mit dem Feminismus doch nicht funktioniert und Frauen sich besser für ein Kind und gegen den Job entscheiden sollten. Kurz gesagt: „Frauen zurück an den Herd!“. Doch mit so schlichten und altmodischen Parolen lässt sich die zunehmende Kinderlosigkeit in Deutschland natürlich nicht beheben. Andrea Everwien und Anna-Mareike Krause waren in Berlin unterwegs und haben viele Frauen getroffen. Alle berufstätig, die meisten mit Familie. Diese Frauen haben ganz andere Sorgen als das, was Eva Herman so aufschreibt.

Das sind Elke, Juliane und Rita: drei Frauen aus Berlin, die tun, was eigentlich nicht geht, und was dennoch Millionen Frauen machen. Sie haben Kinder und sie sind berufstätig - sogar mit drei Kindern.

KLARTEXT
„Warum machen Sie das überhaupt, dass Sie berufstätig sind? Drei Kinder, das reicht doch wohl?“
Elke Unkhoff, Krankengymnastin
„Weil ich meinen Beruf liebe und das Geld brauche, ganz klar. In der Großstadt mit drei Kindern und nur einem verdienenden Part – das reicht nicht.“
Rita Preuß, Journalistin
„Weil ich natürlich auch gerne als Journalistin arbeiten möchte und mir ein Leben als Hausfrau und Mutter nicht vorstellen kann.“
Juliane Klar, Studentin
„Ich möchte auf jeden Fall unabhängig sein von meinem Mann, das ist mir irgendwann ein sehr großes Anliegen, das möchte ich einfach machen.“

70 Prozent aller Frauen wollen beides: Beruf und Kinder. Doch Frauen sind heute gut ausgebildet und selbständig. Sie stellen Bedingungen.

Bedingung Nummer 1: die Existenz muss gesichert sein.

Zum Beispiel für Magda Mayas, Pianistin. Sie ist 27 Jahre alt - eigentlich also im besten Alter, um Nachwuchs zu bekommen. Doch die Einkünfte sind unregelmäßig. Mal gibt sie ein Konzert, dann hat sie viel Geld, dann aber wieder lebt Magda ein paar Monate vom Klavierunterricht:

Magda Mayas, Pianistin
„Ich fühle mich ja jetzt schon unwohl, wenn ich ein bis zwei Monate mit dem Geld nicht so gut klarkomme, und das möchte ich einem Kind nicht antun.“

Sechs Jahre lang hat Magda Mayas Klavier studiert. Sie ist gut, aber ein fester Job – etwa in einem Orchester - ist nicht in Sicht. Ihre Konzerte und Theaterauftritte organisiert sich Magda heute selbst - zum Teil zusammen mit ihrem Mann, der ebenfalls Musiker in der gemeinsamen Band ist. Die beiden wollen gerne Kinder – aber nicht unter diesen Umständen, nicht, solange ihr berufliches Netzwerk nicht gesichert ist.

Magda Mayas, Pianistin
„Im Moment bin ich in der Position, wo ich mir dieses Netzwerk erarbeitet habe, und wenn ich da jetzt aussetzen würde, würde das wieder zusammenbrechen. Das hat halt lange gedauert und es war mühsam und das kann ich mir gerade nicht leisten.“

Lange Ausbildungszeiten und dann doch kein sicherer Job – so geht es heute nicht mehr nur Künstlern, sondern fast allen unter 30 – Männern wie Frauen. Vor allem die „Generation Praktikum“ verweigert sich verständlicherweise der Reproduktion. Denn Kinder machen arm - Paare mit doppeltem Einkommen verfügen im Schnitt über 1.600 Euro pro Kopf, wenn der Nachwuchs kommt, bleiben davon vielleicht 1.000 Euro übrig. Wer Kinder haben will, muss also arbeiten können. Doch dafür braucht es:

Bedingung Nummer 2: gute Kitas – überall.

Davon kann man aber in Deutschland nur träumen. Berufstätige Eltern können froh sein, wenn sie überhaupt einen Kindergartenplatz erwischen. Für die Unter- Dreijährigen gibt es in Deutschland keinen Rechtsanspruch auf Unterbringung. Und ob sich der Kindergarten um die Entwicklung der Kleinen kümmert, ist bisher selbst in Berlin reine Glücksache. Morten etwa hatte Pech mit seiner ersten Kita:

Rita Preuß, Journalistin
„Da gab’s auch einen ganz tollen Garten, da wurde aber nie rein gegangen. Ich habe mich schon immer gewundert, wenn ich ihn abgeholt habe, komisch, warum gehen die nicht mal in den Garten, warum spielen die nicht mal dahinten, aber da hieß es immer: nein, da muss ganz früh Mittag gegessen werden, dann lohnt es sich nicht mehr, bis man die alle angezogen hat, kann man gar nicht mit denen rausgehen.“

Auch Carolina hat mit ihren zwei Jahren schon einen Kindergarten hinter sich, in dem die Kleinen nur aufbewahrt wurden. Für die Mutter war es schrecklich, ihre Tochter dort zu lassen – auch wenn sie arbeiten wollte. .

Juliane Klar, Studentin
„Zuallererst, in der ersten Zeit war es mir sehr unheimlich – ich wollte sie nicht dalassen, ich selber hatte permanent ein schlechtes Gewissen, sag ich, um sie dort zu lassen, weil ich nicht wusste, ob sie da wirklich gut aufgehoben war.“

Schlechte Voraussetzungen also für Mütter und Väter, arbeiten zu gehen – in Ruhe und mit gutem Gewissen. Dabei kann es selbst in städtischen Kindergärten anders zugehen: Zum Beispiel in der Kita Tausendfühler: Sie versteht sich als Bildungseinrichtung, die Räume sind Lernangebote für die Kinder – Bildung durch die Entwicklung aller Sinne.

Jeanette Henne, Kita „Tausendfühler“
„Sie tanzen gerne, sie bewegen sich gerne, sie tasten gerne, sie riechen, sie robben auf dem Boden herum und all diese Sinne versuchen wir in unserem Alltag auch einzubauen.“

Solche Angebote braucht es flächendeckend – doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir wollen mehr Kinder? Dann müssen ganz andere Bedingungen her.

Bedingung Nummer 3: Arbeitgeber mit Familiensinn.

Endlich – Vanessas Mama kommt nach Hause. Achteinhalb Stunden war sie unterwegs: Maren Milbradt, 27 Jahre alt. Sie verdient den Löwenanteil des Familienunterhalts: Der Vater von Vanessa studiert noch und kümmert sich um die Kleine. Maren Milbradt arbeitet sechs Stunden täglich, dann braucht sie noch zweieinhalb Stunden zum Pendeln: von Hellersdorf nach Charlottenburg und zurück.

Ihr Arbeitsplatz: die Maßschneider Arnulf am Kurfürstendamm. Ein feines Unternehmen. Hier werden Träume aus Stoffen gefertigt. Die Mitarbeiter sind hoch qualifiziert. Personal, das nicht so leicht zu ersetzen ist.

Drei Gesellen und zwei Auszubildende beschäftigt Meister Arnulf. Und wenn eine von ihnen schwanger wird, gibt’s ein Problem für den ganzen Betrieb:

KLARTEXT
„Wenn also Ihre Mitarbeiterinnen damit kommen ich erwarte jetzt ein Kind. Wie ist da Ihre Reaktion?“
Doris Arnulf
„Oh Gott, schon wieder! Wenn es mehrmals hintereinander passiert, dann schon.“
Volkmar Arnulf, Maßschneider
„Also, man weiß jetzt eine Mitarbeiterin ist schwanger und sie wird uns irgendwann verlassen und uns vielleicht zwei Jahre fehlen und dann brauchen wir Anschluss und diese Anschlusskraft muss schon im Vorfeld mehrere Monate davor eingearbeitet werden. Das kostet Geld.“

Maren Milbradt ist jetzt zum zweiten Mal schwanger. Das dem Chef zu gestehen, war ganz schön schwierig. Sie weiß, als Mutter ist sie eine Belastung für den Betrieb.

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„Haben Sie dann ein schlechtes Gewissen, dass sie schwanger sind?
Maren Milbradt
„Jein. Weil, naja einerseits ist es schön aber andererseits ist es auch wieder, dass man hier arbeitet und ich arbeite seit 9 Jahren hier. Das ist halt auch schon eine enge Bindung. Neun Jahre ist eine lange Zeit. Dann zu sagen, dass man nicht wiederkommt oder wieder ausfällt ist schon schwer.“

Volkmar Arnulf, Maßschneider
„Wenn wir in Deutschland wieder mehr Kinder haben wollen, müssen wir die Schwangerschaftsangst in den kleinen Betrieben herausfiltern. Das kann man erreichen, indem man ganz flexibel je nach Betrieb da Hilfestellung leistet.“

Von einer kinderfreundlichen Gesellschaft sind wir noch immer weit entfernt. Dabei sind nicht die Kinder das Problem:

Elke Unkhoff, Krankengymnastin
„Für mich persönlich bleibt das Fazit, dass das Tollste in meinem Leben meine drei Kinder sind und das die einem was zurückgeben, was man sonst nicht bekommt und auch eine Art von Erfüllung, die so natürlich und normal ist, dass ich jedem nur dazu raten kann, Kinder in die Welt zu setzen – trotz aller Widrigkeiten.“