BND-Zentrale in Berlin. Bild: Florian Gaertner/photothek.net
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Rechtsextremismus - Hat der BND ein Problem?

BND-Mitarbeiter wie der jüngst enttarnte mutmaßliche Spion Carsten L. sind eigentlich für den Schutz des Staates zuständig - und damit auch für den Schutz der Demokratie. Doch L. soll über Jahre mit rechtsradikalen Sprüchen aufgefallen sein und gegen die Regierung gewettert haben. All das ist bei der internen Sicherheitsüberprüfung offenbar nicht aufgefallen. Nach Kontraste-Recherchen gibt es nun zwei weitere Fälle beim BND, in denen der Verdacht Rechtsextremismus im Raum steht. Und Präsident Bruno Kahl muss sich die Frage stellen: Wie verbreitet ist rechtsradikales Gedankengut in seiner Behörde?

Anmoderation: Für den Bundesnachrichtendienst ist dieses Jahr sicher eines der schwersten: der deutsche Auslandsgeheimdienst ist durch den Ukrainekrieg gefordert wie selten - und muss gleichzeitig mit einem Skandal in den eigenen Reihen umgehen - Carsten L., leitender Mitarbeiter soll Informationen an einen russischen Geheimdienst verkauft haben. Doch im Zuge der Recherchen kam noch etwas anderes ans Licht: Carsten L. soll sich außerdem offen ausländerfeindlich geäußert, regelrecht gegen Asylbewerber gehetzt haben. Konsequenzen hatte das nicht. Nun haben wir weitere Fälle aufgetan, die die Frage aufwerfen, ob der BND ein Problem mit Rechtsradikalen und Rechtsextremen in seiner Belegschaft hat. Inzwischen fragt sich das der BND offenbar auch selbst.

Unterwegs im Kyffhäuserkreis in Thüringen: Wir suchen einen zu diesem Zeitpunkt noch aktiven AfD-Kreistagsabgeordneten – Björn Hornschu. In Thüringen gilt seine Partei unter Björn Höcke als "erwiesen extremistisches Beobachtungsobjekt" des Verfassungsschutzes.

Hornschu ist Bundeswehroffizier und arbeitet nach Kontraste-Recherchen für den Auslandsnachrichtendienst BND – und damit in einer der sensibelsten deutschen Sicherheitsbehörden.

Trotzdem wettert er während der Corona-Pandemie mit drastischen Worten gegen den Staat. 

"Letztendlich ist doch diese Demokratie zur Scheindemokratie verkommen und das stimmt mich traurig."   

Auf seinem Facebook-Profil ist der ehemalige Soldat Hornschu sehr aktiv. Im Netz ist seit Jahren für jeden einsehbar, wo Hornschu politisch steht: 

Die Bundesrepublik: für Hornschu eine "DDR 2.0".  

Westliche Nationen würden "mit radikalen islamistischen Immigranten" überschwemmt.  Auf seinem Profil ist von "Umvolkung" die Rede.

Ein BND-Mitarbeiter, der sich beim rechtsextremen Thüringer Landesverband politisch betätigt – und sich derart äußert. Ist das erlaubt? Der Jurist Thorsten Masuch, Mitherausgeber eines Kommentars zum Beamtenrecht, sieht eine Grenze überschritten: 

Thorsten Masuch, Beamtenrechtler

"Er hat auch den Begriff der Umvolkung verwandt. Da ist es halt schon so, dass er sich einer Sprache bedient, die halt eigentlich nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes steht."

Kontraste

"Warum ist der Begriff Umvolkung ein Hinweis darauf, dass hier möglicherweise Pflichten verletzt sein könnten?"

Thorsten Masuch, Beamtenrechtler

"Das ist letztlich darin begründet, dass eben da eine besondere Nähe zum Nationalsozialismus besteht." 

Auf unsere diversen Interview-Anfragen reagiert Björn Hornschu nicht. Auch persönlich möchte er nicht mit uns sprechen. Am Dienstag kündigt er dann auf Facebook an, die AfD verlassen zu wollen. Sein Kreistagsmandat legt er mit sofortiger Wirkung nieder.

Es gibt einen weiteren Fall, mit dem der BND seit einiger Zeit zu kämpfen hat: Der enttarnte BND-Spion Carsten L.

Auch Carsten L. ist Offizier. Auch er soll mit der AfD sympathisiert haben und auch er soll wiederholt durch rechtsradikale Äußerungen aufgefallen sein.

Laut einem Bericht des "Spiegel" soll L. im BND-Kollegenkreis sinngemäß davon gesprochen haben, er würde Asylbewerber am liebsten standrechtlich erschießen.

Die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden. Sie warnt:

Martina Renner, (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

"Der BND hat ein Problem. Ich höre immer wieder eben aus diesen Bereichen, dass das manchmal sogar zum guten Ton gehört. Rassistische Witze und so weiter Alltag sind, dass das überhaupt nicht reflektiert wird und vor allem, dass es keine Ansage gibt im Amt, dass das zu unterlassen hat und dass jeder, der so was macht, extreme Probleme bekommt."

Im Fall Carsten L. gab es scheinbar über Jahre Hinweise auf eine mögliche rechtsradikale Gesinnung. Die nötigen Sicherheitsüberprüfungen des BND bestand er. 

Auf den Fall Hornschu machte der Verfassungsschutz den BND bereits im vergangenen Jahr aufmerksam.

Zwischenzeitlich prüft der BND nach Kontraste-Recherchen disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen ihn. Der BND hat gegen Hornschu bereits ein Betretungsverbot für BND-Liegenschaften ausgesprochen.  

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, findet: Generell braucht es Sicherheitsüberprüfungen, auf die sich Politik und Behörden verlassen können.

Alexander Throm (CDU), Bundestagsabgeordneter

"Gerade dort, wo es Anhaltspunkte gibt, dort muss genau hingeschaut werden. Und diese muss so sensibel geprüft werden, dass, wenn es auch nur den geringsten Anlass, die geringsten Bedenken gibt, dass derartige Personen dann eben nicht mehr im sicherheitsrelevanten Bereich, dort wo auch vertrauliche Informationen verarbeitet werden, arbeiten können."

Zusammen mit BR Recherche stoßen wir auf einen dritten Fall mit rechtsextremen Bezügen im Umfeld des BND: Dieser spielt in Bayern.  

Es geht um Elona B – hier im Hintergrund. Auch sie arbeitet beim BND. Auf diesem Rastplatz nahe München wurden im Oktober ihre Söhne Max und Leo B. von der Polizei kontrolliert. In ihrem Auto finden die Beamten unter anderem Schreckschusspistolen, Chemikalien, Stichwaffen, eine Armbrust, Molotow-Cocktails. Außerdem: einen Wehrmachtshelm und ein Messer, beides mit SS-Runen versehen.

Im Anschluss durchsucht die Polizei die Wohnräume der beiden Männer im Landkreis Miesbach - im Haus ihrer Eltern. Auch ein Ferienhaus der Familie B. im Bayerischen Wald wird durchsucht. Hierbei findet man ebenfalls Waffen und eine Hitlerbüste. 

Gabriel S. lebte drei Jahre in einer Mietwohnung im Hause der Familie. Er hat die Razzia miterlebt.

Gabriel S.

"Später habe ich nur gesehen, dass da wie so ein Roboter gekommen ist, um zu schauen. Ich weiß nicht, ob die da noch mal was schauen wollten, was Sprengstoff oder so ist, also wie aus dem Film, so habe ich das gesehen."

Gabriel S. sagt selbst, er sei rechtskonservativ. Vor seiner Wohnung hing zeitweise sogar eine Reichsflagge. Als Bezug zum Deutschen Kaiserreich, sagt er. Kurz nach seinem Einzug im Haus der Familie B. will er bemerkt haben, dass einer der Söhne Musik aus der NS-Zeit abgespielt hat.

Gabriel S.

"Dann habe ich halt nur mal den Vater gefragt, ob das sein könnte, dass die etwas den Nationalsozialismus abhaben oder ob sie dem zugeneigt sind, die Söhne. Aber da hat auch der Vater gesagt, nee sie sind zwar sehr interessiert an der Zeit des Nationalsozialismus, sammeln auch gerne Sachen, also originale Sachen aus der Zeit des Nationalsozialismus, aber dass sie halt Patrioten sind. 

In einem Zimmer der Brüder soll außerdem eine Hakenkreuzflagge gehangen haben. 

Gabriel S.

"Aber ich glaube jetzt nicht, dass das mit der Hakenkreuzflagge jetzt bei ihm so ein Zeichen war, weil da war er noch jünger." 

Elona B. will er mit einem einschlägigen Symbol an einer Halskette gesehen haben. 

Gabriel S.

"Dieses, diese Schwarze Sonne." 

Das von der SS genutzte Symbol dient oft als Ersatz für das Hakenkreuz, dessen Verwendung verboten ist. Die Schwarze Sonne wird jedoch auch in anderen Zusammenhängen genutzt. Ihre Verwendung ist nicht verboten. 

Elona B. arbeitet laut Informationen von Kontraste und BR Recherche im mittleren Dienst in der BND-Außenstelle Bad Aibling.

Hat die Mutter vom Treiben ihrer Söhne gewusst?

Nachfrageversuch bei Elona B. - doch sie blockt ab.

Vor dem Haus läuft uns ihr Sohn Leo B. über den Weg. 

Kontraste

"Hi, sagen Sie mal: Bei Ihnen wurden Waffen und Nazi-Devotionalien gefunden.  

Leo B.

"Joa." 

Kontraste

"Wollen Sie mir sagen, was Sie damit machen wollten?" 

Leo B.

"Nein." 

Als wir seinen Vater, Manfred B., auf die einschlägigen Funde bei seinen 18 und 21 Jahre alten Söhnen ansprechen, sagt er: 

Manfred B., Vater

"Kinder haben halt sowas, mein Gott, hat nicht jedes Kind, andere beschmieren irgendwann Häuser, sie haben halt zuhause eine Fahne gehabt. Und wenn man heute bastelt, dann fällt man aus der Norm."

Doch nach Kontraste-Informationen nehmen die Sicherheitsbehörden die Bestrebungen seiner Söhne ernst. Besonders Max B. haben sie im Visier. 

Es ist unklar, wie viel die BND-Angestellte Elona B. von den Geschehnissen in ihrem Haus wusste. Der Bundesnachrichtendienst prüft nach unseren Informationen derzeit arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen sie. 

Doch auch wenn die Behörde nun handelt, muss sie sich die Frage gefallen lassen: Wie verbreitet ist rechtsradikales Gedankengut in den eigenen Reihen. Und: wie gut funktionieren die eigenen Kontrollmechanismen. 

Erstmals äußert sich nun der BND-Präsident Bruno Kahl öffentlich zu den Fällen in seiner Behörde. 

Bruno Kahl, BND-Präsident

"Die aktuellen Fälle sind natürlich Anlass, dass wir jetzt auch selbstkritisch und sehr gewissenhaft noch mal hinschauen, was wir gegebenenfalls in unserem System der Eigensicherung verbessern können. Da arbeiten wir dran. Die interne Revision hat schon begonnen und in der Vergangenheit waren wir da auch sehr erfolgreich." 

Für diesen Fall trifft das zu: Der Politologe Prof. Martin Wagener hat jahrelang künftige BND-Mitarbeiter ausgebildet. Bereits mehrfach berichtete Kontraste über seine rechtsradikalen Äußerungen und Schriften. 

Der Verfassungsschutz bewertete Passagen aus einem Buch Wageners als extremistisch. Darin verteidigt er den sogenannten "Ethnopluralismus", eine Ideologie, die von Sozialwissenschaftlern als rassistisch eingestuft wird.

Im Juni 2022 entzog der Bundesnachrichtendienst Wagener schließlich seine Sicherheitsfreigabe. 

Offenbar wächst aufgrund der möglicherweise extremistischen Fälle der Druck auf den BND. Der Chef der Behörde mahnt an, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Bruno Kahl, BND-Präsident

"Also, um es ganz klar zu sagen: Für Rechtsextremisten ist im BND kein Platz. Wir arbeiten an der Sicherheit und für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und da haben wir selbst das größte Interesse daran, dass wir frei sind von Extremisten jeglicher Art in unseren eigenen Reihen."

Beitrag von Silvio Duwe, Anne Grandjean und Georg Heil

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+++ Anschlag auf Nord-Stream-Pipelines: Neue Erkenntnisse +++ Rechtsextremismus: Hat der BND ein Problem? +++ Steuern für Superreiche: Wie der Staat jährlich 40 Milliarden mehr einnehmen könnte +++ Moderation: Eva-Maria Lemke