Angriffe auf Transpersonen -
Der tödliche Angriff auf Malte C. in Münster, der brutale Angriff auf ein trans Mädchen in Herne, Faustschläge in Bremen: Es wird zunehmend gefährlich für trans Menschen, also Personen, die sich dem Geschlecht nicht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde. Doch woher kommt der Hass? Seit Transsein in der Öffentlichkeit prominent stattfindet, etwa übers Gendern, Unisex-Toiletten oder auch im Bundestag, wächst auch das Unbehagen in weiten Teilen der Gesellschaft. Es ist ein Unbehagen, das von bestimmten rechts-konservativen Kreisen gezielt befeuert wird, über zumeist krude Theorien zur Biologie der Geschlechter. Denn längst taugen die alten Feindbilder von Homosexuellen in der Öffentlichkeit nicht mehr, um in der Mitte der Gesellschaft Gehör zu finden.
Anmoderation: Kaum etwas ist in Deutschland so gefährlich, wie trans zu sein – also: Nicht mit dem Geschlecht zu leben, das einem bei der Geburt gegeben wurde. Obwohl das nur einen Bruchteil der Bevölkerung betrifft – und die meisten von ihnen gar nicht sofort als Trans erkennbar sind – denen, die offen leben, begegnen übermäßig oft Ablehnung, Angriffe und Gewalt. Und manche überleben diese Anfeindungen nicht. Woher kommt er aber dieser Hass?
Münster, Anfang Oktober: Trauerfeier für den trans Mann Malte. Am Christopher Street Day wurde er zusammengeschlagen, stürzte und starb an den Verletzungen.
Bremen: Mehrere Teenager beleidigen eine trans Frau in der Straßenbahn, reißen ihr die Perücke vom Kopf. Einer schlägt auf sie ein. Die anderen feuern ihn an.
Herne: Drei Jungen treten auf ein trans Mädchen ein. Das Motiv: Transfeindlichkeit.
Anastasia Biefang ist trans Frau. Mit 42 hatte sie ihr Coming-out, offenbarte, dass sie kein Mann ist. Sie fühlt sich immer wieder bedroht.
Anastasia Biefang, Stellvertretende Vorsitzende QueerBw e.V.
"Das fängt an von, mal auf die Straßen und dann wird einem hinterhergerufen: Scheiß Transe! Das sind Blicke nachts in der U-Bahn, wenn man irgendwo zwischen den Clubs fährt. Und das kann auch sein, auch bei Freunden erlebt, bis hin zu körperlicher Gewalterfahrung, wo man einfach aufgrund dessen, wie man ist oder wer man ist, einfach Opfer einer Gewalttat wird."
Laut einer Umfrage hat jede zehnte trans Person in Deutschland innerhalb eines Jahres körperliche oder sexuelle Angriffe erlitten. Aus Transfeindlichkeit. Eine extrem hohe Zahl.
Anastasia Biefang ist Oberstleutnant. Nebenher setzt sie sich für queere Menschen bei der Bundeswehr ein.
Anastasia Biefang, Stellvertretende Vorsitzende QueerBw e.V.
"Der Geschlechtsausdruck, den jemand hat, der liegt nicht daran, ob ich einen Penis oder eine Vagina habe, sondern es ist erstmal die Selbstbeschreibung dessen, wer ich denn bin als Mensch und wie ich mich denn identifiziere mit meinem Geschlecht."
In der Bundeswehr ist Biefang mit ihrer Transidentität völlig akzeptiert. Draußen jedoch wird die Stimmung immer feindlicher gegen trans Menschen. Zeitgleich werden die Eckpunkte für das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung diskutiert. Menschen, auch Jugendlichen, soll ermöglicht werden, ihr Geschlecht in amtlichen Dokumenten ändern zu können.
Ein Unbehagen gegen Transsexualität macht sich in Teilen der Bevölkerung breit. Doch wie wird daraus ein Hass, der sich durch Gewaltexzesse Bahn bricht?
Eigentlich geht es doch nur um mehr Rechte für trans Menschen. Es geht um Minderheitenschutz!
Es sind Protestbewegungen, die Stimmung machen. Eine der bekanntesten: die Demo für alle. Hier ein Werbevideo des Aktionsbündnisses.
Vor Jahren wurde noch Stimmung gegen Schwule und Lesben gemacht. Diese Gruppe gilt aber heute weitestgehend als anerkannt, taugt nicht mehr, um Ängste zu schüren.
Heute stehen trans Menschen im Fokus, weiß Tobias Ginsburg, Autor, der über ein Jahr in einer transfeindlichen Szene verdeckt recherchierte. Die Mitte der Gesellschaft zu erreichen, sie aufzuwiegeln, das sei das Ziel der Hauptakteure der Protestbewegung.
Tobias Ginsburg, Autor
"Diese Menschen sind keine Idioten. Die Menschen suchen sich einen Gegner aus, den sie einem breiten Publikum auch verkaufen können. Und trans Menschen sind halt einfach gerade in der Öffentlichkeit relativ neu, sie haben eine gesellschaftlich wahnsinnig schwache Position und sie machen damit einem Bürgertum, das sich damit nicht auskennt, auf eine diffuse, intuitive Art und Weise Angst."
Hinter dem Protest steckt ein breites, internationales Netzwerk aus christlich-fundamentalistischen und rechten Gruppierungen: radikal und finanziell bestens ausgestattet.
Um ihre Ziele zu erreichen, behauptet zum Beispiel Demo für Alle in einem Video, wissenschaftlich sei belegt, dass sich Transsexualität überträgt.
Video, Demo für alle
"Die Forschung zeigt: Jugendliche mit einer trans Person im Freundeskreis bezeichnen sich oft, wie aus heiterem Himmel, selbst als trans. Es kommt zum Beispiel vor, dass sich in kleinen Dörfern gleich mehrere Personen innerhalb kurzer Zeit outen."
So entstünde ein Hype. Obwohl keinerlei qualifizierte Forschung dies belegt, greifen auch etablierte Medien diese These auf:
FAZ: "Es gibt einen Transgender-Hype"
FOCUS Online: "Es wird zum Massenphänomen"
taz: "Es ist hip, trans zu sein"
WELT: "…ein Phänomen, 'sozialer Ansteckung', man könnte auch sagen: eines Hypes…"
Aber es gibt inzwischen noch weitere Akteure, die das Unbehagen, den Argwohn puschen.
Hierzu zählen Feministinnen wie Eva Engelken. Die Juristin und Mitglied der Grünen veröffentlichte kürzlich dieses Buch, in dem Umfrageergebnisse falsch wiedergegeben wurden.
Sie behauptet:
Eva Engelken, Autorin
"In den USA bezeichnen sich einer Gallup-Studie zufolge 20 Prozent aller Jugendlichen als trans."
Diese Zahl würde die Hype-These stützen. Tatsächlich besagt die Umfrage aus den USA, dass sich 2,1 Prozent als transgender outeten.
Wir konfrontieren die Autorin:
Kontraste
"Es gibt diese zwei Studien, wo die Zahlen komplett falsch zitiert sind. Benutzen Sie das gezielt, um da Stimmung gegen trans Menschen zu machen?"
Eva Engelken, Autorin
"Nein, absolut nicht. Und dass diese Studien absolut falsch sind, das müssen wir nochmal nachchecken."
Schriftlich räumt sie heute den Fehler ein.
Eva Engelken, Autorin
"So und jetzt noch den Schluss zu ziehen, ich würde Stimmung gegen trans Menschen machen. Dieser Begriff, den sie verwenden, trans Menschen, das ist eine Kategorie, die so nicht existiert."
Für sie gibt es nur Mann und Frau. Trans Frauen sind und bleiben für manche Feministinnen Männer, die nicht in die Frauensauna oder ins Frauenhaus eindringen dürfen. Trans Menschen: eine Gefahr.
So steht auf ihrem Buchumschlag – Eva Engelken zeigt, wie…
"die hart erkämpften Rechte von Frauen, Müttern und Mädchen … auf perfideste Weise ausgehöhlt werden: von Männern, die sich herausnehmen wollen, eine Frau zu sein."
Eine andere Feministin, die die Debatte um trans Menschen befeuert: Die Biologin Marie-Luise Vollbrecht. In einem vielbeachteten Vortrag vertritt sie die These, es gibt biologisch nur Mann und Frau – Vielgeschlechtlichkeit sei ein Irrglaube.
Das sei viel zu verkürzt, meint Professor Diethard Tautz vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie.
Prof. Diethard Tautz, Evolutionsgenetiker, Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie
"Wir haben eine Geschlechtsbestimmung ganz am Anfang der Embryonalentwicklung, das geht über X- und Y-Chromosomen, und von daher entstehen dann auch die primären Geschlechtsmerkmale. Aber wissenschaftlich gesehen ist das eben nicht das Ende der ganzen Entwicklung, sondern danach kommen sehr viele weitere Entscheidungen, da sind sehr sehr viele weitere Gene beteiligt. Der Vortrag geht aber nicht auf all das ein, was hinterherkommt. Deswegen betrachtet er sozusagen nur die halbe Wahrheit des Ganzen mit der Aussage, dass es dann hinterher nur zwei Kategorien geben kann, das stimmt eben so nicht, das können wir so heute nicht mehr sagen."
Biologin Vollbrecht agiert auch als Aktivistin gegen die Trans-Community. So mobilisiert sie ihre Followerschaft in einem Tweet gegen die trans Frau und Soziologin Dana Mahr – frei übersetzt heißt das in etwa:
"Psssst können wir etwas Wahrheit über diesen pissigen Soziologen herausfinden?"
Danach entstand schnell mehr als nur ein Shitstorm.
Dana Mahr, Soziologin
"Da kamen dann E-Mails rein, die mir schlimme Sachen erzählt haben. Eben auch Bedrohungen, Bedrohungen, unsere Tochter zu vergewaltigen. Man würde uns finden."
Die Adresse der Soziologin und der Wohnort ihrer Eltern werden veröffentlicht – ein Stein durch ihr Fenster geworfen. Sie und ihre Lebenspartnerin beschließen zu fliehen.
Dana Mahr, Soziologin
"In den ersten Wochen war es so, dass bei jedem Auto, bei jedem Spaziergang, das zu langsam neben uns herfuhr oder anhielt, dass ja, ich Evas Hand gefasst habe und richtig, richtig Angst hatte."
Klar ist, solche Tweets können schnell eine Lawine ins Rollen bringen – war es also ihr Kalkül, Dana Mahr mundtot zu machen? Zu einem Interview ist Marie-Luise Vollbrecht nicht bereit. Schriftlich erklärt sie uns, unsere Unterstellung sei so absurd wie boshaft und sie verurteile Angriffe auf die Trans-Community genauso wie Angriffe aus der Trans-Community.
Eva Mahr
"Es geht immer noch darum, dass wir mundtot gemacht werden. Es geht einfach um die Verunmöglichung, hier in Deutschland trans zu sein."
Beitrag von Silvio Duwe, Chris Humbs, Fabian Severin und Isabel Strathmann