BSI-Chef -
Der Vorgang um die Zertifizierung einer dubiosen Software bringen BSI-Chef Schönbohm in Bedrängnis - seine Ablösung wird immer wahrscheinlicher. Es geht um die Frage, ob seine Behörde eine Warnung des Verfassungsschutzes womöglich nicht ernst genug nahm.
Anmoderation: Eigentlich ist der Mann ein hochrangiger Beamter - aber laut Visitenkarte eben: Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Und das will Arne Schönbohm offenbar auch unbedingt bleiben. Obwohl er gerade heftig in der Kritik steht: Es geht um einen Freund von ihm. Und um eine Firma mit Kontakten nach Russland. Vor der sein Amt vom Verfassungsschutz gewarnt wurde. Darauf hätte er als Präsident, als Mann für die innere Cybersicherheit, schnell reagieren müssen. Hat er aber nicht, wie Andrea Becker, Georg Heil und Daniel Laufer herausgefunden haben.
Arne Schönbohm steht unter Druck. Ob er das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik noch lange leiten wird, ist ungewiss.
Innenministerin Nancy Faeser gestern:
Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin
"Ich prüfe im Moment die Vorgänge, die am Wochenende in der Presse waren. Und mehr kann ich Ihnen dazu noch nicht sagen.“
Vorgänge, die bekannt wurden durch das ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann:
Jan Böhmermann
"Der Mann mit dem kugelsicheren Hacker-Tablet hier, das ist Arne Schönbohm.“
Die Aufregung hat mit Protelion tun. Die IT-Firma sitzt in Berlin. Noch bis vor Kurzem listete sie auf ihrer Website etliche Kunden aus Deutschland auf.
Dabei ist das Unternehmen eng verflochten mit dem russischen Softwarekonzern Infotecs, gegründet von ihm: Andrey Chapchaev – einem ehemaligen Mitarbeiter des KGB. Chapchaev war auch Geschäftsführer und Gesellschafter der heutigen Protelion GmbH. Bis März hatte die noch einen anderen Namen: "Infotecs Security Software GmbH“.
Sogar die Werbevideos der deutschen Protelion und der russischen Infotecs weisen frappierende Ähnlichkeit auf.
Werbevideo Protelion:
"Wir sind die Zeugen der Änderungen, die die Technologien in die Industrie bringen.“
Werbevideo Infotecs:
"Wir sind alle Zeugen davon, wie Technologien die Industrie verändern.“
In diesem Video wirbt die Berliner Firma für ihr Hauptprodukt: Ihre Technologie zur Verschlüsselung mit dem Namen "ViPNet“, die sie auf dem deutschen Markt vertreibt. Dabei sei es gerade bei solcher Technologie wichtig, dass man ihr vertrauen kann, sagt Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs.
Linus Neumann, Sprecher Chaos Computer Club
"Ob dieses System Schwachstellen hat, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, wenn es welche hat, ist es sehr schwer, sie zu finden. Und das macht diesen Markt für Verschlüsselungssysteme natürlich so interessant.“
Protelion wollte Komponenten von "ViPNet“ zertifizieren lassen – von Schönbohms BSI.
Dann, am 9. Mai 2019, als das Verfahren längst lief, meldete der Verfassungsschutz dem BSI schwere Bedenken. Der Grund: Infotecs‘ Nähe zu russischen Nachrichtendiensten.
Nach Kontraste-Recherchen vergingen nach dem Hinweis ganze acht Monate, bis das BSI sich ans übergeordnete Innenministerium wandte, das die Zertifizierung schließlich untersagte.
Protelion teilt dazu mit:
Zitat Protelion
"Es ist eine reine politische Entscheidung vom BMI gewesen. Das BSI hat keinerlei Schwachstellen, auch nach mehrjähriger Prüfung, in unserer Software gefunden.“
Der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle beklagt allgemein einen naiven Umgang mit russischen Akteuren.
Konstantin Kuhle (FDP), Bundestagsabgeordneter: "Wir haben ja eine Situation, in der der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik möglicherweise sein Amt verlieren wird. Ich finde es nachvollziehbar."
Für Arne Schönbohm wird es eng.
Beitrag von Andrea Becker, Georg Heil und Daniel Laufer