Kosaken auf dem Roten Platz in Moskau. Bild: KIRILL KUDRYAVTSEV/AFP
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Deutsche Kosaken - Russlandtreue bereiten sich auf "Tag X" vor

Der "Verein für Völkerfreundschaft" aus Brandenburg pflegt vor allem die Freundschaft nach Russland – zu paramilitärischen Kosakentruppen. Die deutschen Vereinsmitglieder sehen sich selbst auch als Kosaken und organisieren neben Russland-Reisen auch Schießtrainings in Deutschland. Im Verein organisiert sind unter anderem ein bekannter deutscher Rechtsextremist aus dem "Nordkreuz"-Netzwerk mit Stasi-Vergangenheit sowie ein LKA-Beamter aus Berlin, der im Staatsschutz tätig war und seine Karriere bei der DDR-Volkspolizei begann. Mitglieder der "Völkerfreunde" sollen nach Kontraste- und Zeit-Recherchen an einem "Alarmplan" gearbeitet haben und sich auf den "Tag X" vorbereiten - Sicherheitsbehörden sind alarmiert.

Anmoderation: Viele ziehen derzeit für Putin in den Infokrieg – jetzt aber zeigen wir ihnen Einen, der auch zu echten Waffen greifen würde: Er sieht sich selbst in der Tradition der "Kosaken" – romantisch umwölkter freier Reitergarden. Eigentlich aber ist er Teil einer Gruppe, die sich auf das Ende der herrschenden Ordnung vorbereitet – auch Schießübungen gehören da zum Vereinsleben. Über den fragwürdigen deutschen Kosaken-Verein, in dessen Reihen auch ein Polizeibeamter, einen Rechtsextremer und ehemaliger Stasi-Soldat zu finden sind, berichten wir gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen der "Zeit".

Hier wohnt ein Mitglied des dubiosen Vereins, zu dem wir seit Monaten zusammen mit Kollegen von der ZEIT recherchieren: Paul Benzin. Der ehemalige Schrotthändler hat eine private Panzersammlung.

Paul Benzin, Rentner

"Der heißt PNP, ein Schützenpanzer tschechischer Bauart, von Tschechien. War bei der NVA."

Benzin war Techniker bei einer DDR-Panzerdivision. Auf seinem eigenen Panzerübungsplatz fährt er sie regelmäßig aus. Auch wenn sie nicht mehr schießen können, nennt Paul Benzin sie "gefechtsbereit".

Paul Benzin, Panzer-Sammler

"Na, das sagen wir immer so. Das ist noch alter Jargon von der NVA. Gefechtsbereit heißt das. Bei der Armee war es so: Wenn ein Auto nicht gehen würde, hätten sie uns aufgehangen."

Man könnte meinen: reine DDR-Nostalgie. Doch als wir ihn auf Putin ansprechen, gibt er sich plötzlich kampfeswillig:

Paul Benzin, Panzer-Sammler

"Ich würde für Putin kämpfen. Die Ukraine sind alle Faschisten. Das sehen Sie ja langsam selber. Der Selensky fordert nur. Hat die halbe Ukraine an Amerika verkauft."

Benzin ist Mitglied im sogenannten "Verein für Völkerfreundschaft". Gegründet wurde dieser von einem Polizisten, dem Berliner LKA-Beamten Michael B. Offenbar auch ein spezieller Russland-Freund. Mehrfach ist der Polizist vor dem Krieg nach Russland und Belarus gereist – ohne dies wie vorgeschrieben bei seinem Dienstherrn zu melden.

Kontraste

"Wissen Sie, warum der Michael B. wollte, dass Sie zu dem Verein kommen?"

Paul Benzin, Rentner

"Na ja, weil ich so ein bisschen gerne nach Russland fahren wollte."

Kontraste

"Weil sie alle gleich eingestellt waren?"

Paul Benzin, Rentner

"Ja, ja, die Ossis, die sind ja mehr für die Russen als für die andere Seite. Das haben wir schon in der Schule gelernt. Wir hatten ja überall Russen hier."

Zur Zeit seiner Reisen arbeitete B. beim Staatschutz des LKA Berlin – ein besonders sensibler Bereich, hier geht es um politisch motivierte Straftaten.

Michael B. postet damals flüchtlingsfeindliche und verschwörungsideologische Inhalte, zeitweise war er Mitglied der AfD. Außerdem ist er bis heute Teil einer Facebook-Gruppe, die sich "Putinisten" nennt.

Wir erfahren, dass es vor allem B.s unangemeldete Reisen nach Russland und Belarus sind, die den Verfassungsschutz alarmieren. Auch, weil er dabei von diesem Mann begleitet wird: Jörg S., ein behördenbekannter Rechtsextremist aus dem "Nordkreuz"-Netzwerk.

Martina Renner, (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

"Die Gruppe Nordkreuz ist ein Zusammenschluss von extremen Rechten, die geplant hatten, einen Umsturz, einen Tag X herbeizuführen, hatten dazu Waffen und Munition beiseite geschafft, Schießtrainings durchgeführt und auch sogenannte Feindeslisten angelegt. Ziel war an diesem Tag des rechten Aufstandes, die, die sich in den Weg stellen werden, beiseite zu schaffen, zu internieren und dann umzubringen. Jörg S. gehört innerhalb der Gruppierung Nordkreuz zum exklusiven Führungskreis."

Diese Recherche legt fragwürdige Verbindungen offen: Zwischen einem Rechtsextremen, der russisch-orthodoxen Kirche, einem Panzersammler, dem Generalleutnant einer Kosakengarde. Und einem AfD-Politiker und dem Polizisten Michael B.

Michael B. und Jörg S. kommen aus der DDR. Polizist Michael B. begann seine Laufbahn 1984 bei der Volkspolizei. Jörg S. im "Wachregiment Felix Dzierzynski", dem berüchtigten militärischen Arm der Stasi.

Martina Renner, (Die Linke), Bundestagsabgeordnete

"Ich beobachte immer wieder, wenn es um die Akteure in solchen Strukturen mit Tag X Vorstellungen geht, dass sie aus Spezialeinheiten kommen, Spezialeinheiten mit einem übersteigerten Elitedenken, also einem übersteigerten Selbstwertgefühl. Sie sind diejenigen, an denen es am Ende liegt und gleichzeitig mit einem sehr harten Feindbild, welche Personen stören beziehungsweise gegen welche Personen man vorgehen müsse."

Heute sehen sie sich – wie viele Vereinsmitglieder – als Kosaken in der Tradition der berühmten russischen Wehrbauern.

Der Politikwissenschaftler Richard Arnold ist einer der wenigen Experten auf diesem Gebiet. Er weiß: Kosakengruppen spielen auch heute noch eine wichtige Rolle für Russland.

Richard Arnold, Politikwissenschaftler, Universität Breslau

"Es gibt einige Berichte über paramilitärische Kosaken-Trainingscamps im Westen der USA.

Die Kosaken innerhalb Russlands sind sicherlich als paramilitärische Gruppen organisiert. Aktuell kämpfen 15.500 Kosaken in der Ukraine für Russland. Das scheint den meisten Menschen entgangen zu sein."

Bis heute nutzt Putin Kosaken für seine militärischen Zwecke. In der Ukraine haben sie für ihn gekämpft. Nach unseren Recherchen pflegt Michael B.s deutscher Kosaken-Verein Kontakte zu einigen dieser Kosaken-Gruppen.

Auch der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann ist ein Kosaken-Fan – hier zu Besuch im russischen Nowotscherkassk.

Gunnar Lindemann (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin

"Die Kosaken haben uns eingeladen, haben mich eingeladen. Die Kosaken sind eine Organisation in Russland, die den russischen Staat beschützen, dem russischen Staat hilft. Eigentlich ist das das, was in Deutschland fehlt."

Er ist zwar kein Mitglied in B.s Verein, scheint diesen aber gut zu kennen: Immerhin erhält er von den so genannten "Völkerfreunden" eine "Freundschaftsmedaille 2. Klasse". Die Urkunde ist in russischer Sprache.

Ein Interview mit uns sagt Lindemann kurzfristig ab. Auch der rechtsextreme Jörg S. will nicht mit uns sprechen. Wir versuchen auch mit weiteren Mitgliedern des Vereins in Kontakt zu treten.

Kontraste

"Hallo, Kooroshy mein Name, von ARD Kontraste."

Anonym

"Ich hatte Ihren Kollegen schon gesagt, dass ich kein Interesse habe, mit Ihnen zu reden."

Kontraste

"Können wir uns einmal unterhalten?"

Anonym

"Nein!"

Doch offenbar will die Truppe im Verborgenen bleiben.

Unsere Recherche führt uns auch ins Kloster Götschendorf in Brandenburg. Das orthodoxe Kloster untersteht direkt dem Moskauer Patriarchat, das dem Kreml nahesteht. Es wurde 2008 mit Putins Unterstützung gegründet.

Der Abt Daniil Irbits ist Beauftragter der russisch-orthodoxen Kirche für Kontakte in die deutsche Politik. Kohl, Merkel, Schröder – sie alle kennt er persönlich. In seinem Kloster traf sich auch der Kosaken-Verein mehrfach.

Warum ausgerechnet hier, wollen wir von ihm wissen.

Daniil Irbits, Abt Kloster Götschendorf

"Na ja, ist genug Platz? Ja, genug Platz. Und natürlich, wir bieten auch ein Getränk. Zum Beispiel kochen was zu essen. Wir haben Großraum im Schloss, wo kann man treffen frei. Also frische Luft und so. Und Kloster ist öffentliche Ort. Wir sind offen für alle, für alle normale Menschen. Und Völkerfreundschaft klingt gut. Warum nicht? Ja, Freundschaft ist wichtig."

Kontraste

"Das heißt, Sie wussten nicht, was der Verein hier besprochen hat?"

Daniil Irbits, Abt Kloster Götschendorf

"Ne, ne, ne."

Als die Kamera aus ist, erzählt er uns, er habe vor kurzem Besuch von der Polizei bekommen. Die hätte nach dem Verein und Michael B. gefragt.

Auch hier im Herrenhaus soll sich der Verein getroffen haben. Aus internen Vereinsunterlagen und mittlerweile gelöschten Facebook-Posts wissen wir, dass die Mitglieder militärische Begriffe nutzen. Es ist von der "Garde" die Rede. Man organisiert sich in Stäben. Viele der Mitglieder glauben an einen bevorstehenden Zusammenbruch des Systems. Entwickeln einen "Alarmplan". Einige Mitglieder gründen sogar einen eigenen Schützenverein, treffen sich zu Schießtrainings.

Bilder von einer Veranstaltung im Oktober 2020 zeigen, dass auch der Rechtsextremist Jörg S. bei einem Treffen im Kloster anwesend war.

Davon will der Abt nichts gewusst haben, er distanziert sich entschieden:

Daniil Irbits, Abt Kloster Götschendorf

"Wir sind gegen Extremismus und gegen Rechtsextremismus. Deswegen das für mich war auch überraschend und ich bin ein bisschen enttäuscht."

Auf Bildern des Vereins taucht immer wieder auch dieser Mann auf, er heißt Peter K. und ist Belarusse. Hier rechts im Bild bei einer Kampfsportübung – auf der linken Seite trainiert der LKA-Beamte Michael B.

Auf Facebook nennt er Peter K. "Bruder". K. ist Stabschef einer Kosakengarde, bei einem Vortrag sagt er, der russische Geheimdienst FSB unterstütze Kosaken-Einheiten.

Das Berliner LKA hat Michael B. seine Sicherheitsüberprüfung entzogen und ihn aus dem Staatsschutz abgezogen. Gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren. Unsere Fragen wollte B. nicht beantworten.

Beitrag von Andrea Becker, Pune Djalilevand, Anne Grandjean, Georg Heil und Kaveh Kooroshy

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+++ Die AfD: Sprachrohr der Kreml-Propaganda +++ Deutsche Kosaken: Russlandtreue bereiten sich auf "Tag X" vor +++ Ukraine: Überleben im Krieg +++ Ukraine-Krieg: wie geht es weiter? +++ Moderation: Eva-Maria Lemke