Falsche Helden -
Es sind martialische Bilder: russische Militärkonvois fahren durch halb Italien. Soldaten in chemischer Schutzausrüstung besprühen Gehwege und Straßen öffentlichkeitswirksam mit Desinfektionsmitteln. Russland liefert Italien Hunderte Beatmungsgeräte, aber zugleich auch Hilfen, die vor allem einem dienen: der Propaganda. Das Ziel: die Italiener davon zu überzeugen, dass Russland ihnen nähersteht als die EU.
Anmoderation: Liebesgrüße aus Moskau - Russlands Präsident Putin spielt in der Corona-Krise den großen Helfer, der Italien mit Truppen und Hilfsmaterial unter die Arme greift, während Deutschland, ja ganz Europa, Italien im Stich lasse. Das Traurige an dieser Geschichte ist: Viele glauben sie tatsächlich. Ja, es stimmt: Europa hat etwas gebraucht, sich dann aber nach zähen Verhandlungen zu einem Hilfsprogramm aufgerafft. Die Hilfe aus Russland aber, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen vor allem als äußerst wirksame PR-Strategie. Georg Heil.
Die russische Hilfe ist hochwillkommen in der Lombardei, die von der Pandemie besonders hart getroffen wurde. Medizinisches Personal, Beatmungsgeräte und Schutzmasken hat Moskau geschickt.
Der Großteil der Hilfe besteht aber aus Soldaten, die Gebäude und Wege desinfizieren – „From Russia with love“, so der Slogan der Militärmission.
Der Einsatz beginnt öffentlichkeitswirksam. 600 Kilometer fahren die mit Flaggen geschmückten Militär-LKW im Konvoi quer durch das NATO-Land Italien. Das russische Fernsehen berichtet ausführlich. Am Militärflughafen von Bergamo schlagen die Russen dann ihr Lager auf - dabei hätten ihre Transportmaschinen auch gleich direkt hier landen können.
Die Mission diene vor allem der Propaganda meint die Journalistin Natalia Antelava vom online-Magazin codastory.
Natalia Antelava, codastory.com
„Wir haben aus hochrangigen italienischen Regierungsquellen erfahren, dass 80 Prozent der Hilfe für Italien nutzlos ist. Die Russen haben 15 große Flugzeuge geschickt. Die Ladung bestand zum Großteil aus Militär-LKWs, den Soldaten und ihrer Ausrüstung. Italien hat aber selbst eine der besten ABC-Abwehrtruppen in der NATO. Die Italiener hätten alles, was die Russen machen auch selbst machen können.“
Ihre Recherchen hat sie zusammen mit dem italienischen Journalisten Jacopo Iacoboni von der Zeitung La Stampa veröffentlicht. Nach dem Bericht reagiert das Verteidigungsministerium in Moskau mit einer kaum verhohlenen Drohung auf Facebook gegen den Journalisten:
„Wer anderen eine Grube gräbt, der fällt selbst hinein“, heißt es dort.
Jacopo Iacoboni, Journalist „La Stampa“
„Hier geht es nicht um mich. Hier geht es um unsere Demokratie. Wie können wir es akzeptieren, dass eine fremde Macht in unsere europäische Demokratie kommt und uns erzählen will, was wir schreiben dürfen und was nicht? Und die versucht, uns zu bedrohen und einzuschüchtern.“
Schon zu Beginn der Aktion verbreitet der Kreml Falschmeldungen über das Staatsmedium „Sputnik“. Dort wird behauptet, Polen habe den Russen den Überflug nach Italien verboten. Die polnische Regierung dementierte umgehend. Es habe gar keine Anfrage gegeben. Russische Medien verbreiten zudem, die EU lasse Italien im Stich.
Janis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik
„Die russischen Staatsmedien stellen den Westen letztlich als ein gescheitertes System dar, auch den westlichen Liberalismus. Das heißt, man möchte zeigen, dass die Demokratien in der Bewältigung ihrer Probleme letztlich scheitern und insbesondere auch die Europäische Union ihren Zusammenhalt verliert.“
Offenbar spekuliert Moskau auch darauf, dass der Italien-Einsatz politisch nützlich sein kann bei der Aufhebung der Russland-Sanktionen. Ein Thema, das auch bei der Lieferung medizinischer Güter in die USA eine Rolle spielt. Zunächst hatte US-Präsident Trump den Eindruck erweckt, die Russen hätten humanitäre Hilfe geschickt.
Donald Trump, Präsident USA
„Das war eine sehr nette Geste von Präsident Putin und ich hätte sagen können `Nein, danke` oder ich hätte sagen können Danke“
Frage
„Sind sie nicht besorgt wegen russischer Propaganda?“
Donald Trump, Präsident USA
„Nein, ich bin nicht besorgt wegen russischer Propaganda.“
Erst später kommt heraus, dass die Ausrüstung gar nicht kostenlos war – eine Hälfte zahlten die USA, die andere ein russischer Staatsfonds, der auf der Sanktionsliste steht. Russland hat die USA damit politisch vorgeführt, denn durch die Annahme der Güter brachen die Vereinigten Staaten ihre eigenen Sanktionen.
Die russische Propagandamaschine setzt in der Coronakrise auch auf Desinformation, deren Ziel sich nicht immer gleich erschließt. So verbreitet der deutsche Dienst von Sputnik die Aussage, Händewaschen bringe gar nichts zum Schutz vor Corona.
Janis Kluge, Stiftung Wissenschaft und Politik
„Bei der Berichterstattung der russischen Staatsmedien in Deutschland ist auffällig, dass insbesondere Randmeinungen besonders viel Platz erhalten, die der offiziellen Linie der Regierung und auch den von der Fachwelt anerkannten Experten widersprechen. Das heißt, es stiftet letztendlich Verwirrung, und es untergräbt zu einem gewissen Maß auch das Vertrauen in die staatlichen Stellen und die Politik der Bundesregierung in der Coronakrise.“
Bei aller Propaganda ist aber auch wahr, dass ein Teil der russischen Mission tatsächlich hilfreich für Italien ist. Russland hilft und verbreitet gleichzeitig Lügen. Und was macht Trump? Der hat gerade die amerikanischen Beitragszahlungen für die Weltgesundheitsorganisation eingestellt – er wirft der UNO-Organisation Unfähigkeit vor – und lenkt so von seinem eigenen Versagen in der Coronakrise ab.
Beitrag von Georg Heil