Tankrabatt -
Trotz heftiger Kritik bleibt Finanzminister Lindner dabei: Der Tankrabatt ist eine gute Sache. Doch selbst sein Kabinettskollege Habeck will nun das Kartellamt mit „Klauen und Zähnen“ ausstatten, weil er davon ausgeht, dass die Konzerne Milliardenprofite auf Kosten der Verbraucher einstreichen. Bei diesem Streit wird kaum beachtet, dass der Tankrabatt ein fatales klimapolitisches Signal setzt: Er senkt die Preise und das führt zu mehr Nachfrage. Bereits jetzt berichten Tankstellenbetreiber von satten Umsatzzuwächsen. Die Folge: mehr CO2-Verbrauch. Damit führt die Bundesregierung ihre eigenen Klimaziele ad absurdum.
Anmoderation: Das Leben ist ganz schön teurer geworden in den vergangenen Monaten. Die Inflation so hoch wie seit fast 50 Jahren nicht mehr. Da freuen sich dann viele über den Tankrabatt - auch wenn man den Verdacht nicht loswird, dass die Ölkonzerne sich an diesem Steuergeschenk für einen Sommer schamlos bereichern. Dabei gibt es noch einen ganz anderen Haken am Tankrabatt, der in der Debatte fast keine Rolle spielt - obwohl er eigentlich die Hauptrolle spielen sollte. Sascha Adamek, Chris Humbs und Daniel Schmidthäussler.
Eine freie Tankstelle in München. Auch hier spüren die Kunden nicht viel vom Tankrabatt, der Spritpreisbremse der Bundesregierung.
Wolfgang Eder
"Ein bisserl ein Joke. Also nein, ich merk's nicht!"
Alexander Altenburger
"Quatsch, ja. Man muss halt mehr arbeiten, um sich das leisten zu können."
Mit großer medialer Begleitung setzte sich Bundesfinanzminister Lindner für die Autofahrer ein. Er senkte die Steuern um etwa 35 Cent pro Liter Benzin – begrenzt auf drei Monate. Und nun debattiert ganz Deutschland, ob die Ölmultis die Steuerentlastung voll an die Kunden weitergeben.
Christian Linder (FDP) Bundesfinanzminister
"Der Tankrabatt funktioniert. Das Tanken wäre wesentlich teurer."
Ganz anders Kabinettskollege Bundeswirtschaftsminister Habeck.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) Bundeswirtschaftsminister
"Die Mitnahmeeffekte sind ohne Frage da und in der Situation, in der wir uns befinden: ohne Frage ein moralischer Skandal."
Der Verband der Mineralölwirtschaft hält wiederum dagegen. Alexander von Gersdorff, Sprecher Mineralölverband
"Der Tankrabatt kommt an und er wird auch umgesetzt, auch wenn es nicht so scheint."
Ob Ölkonzerne etwas vom Rabatt einstreichen und wieviel, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Über jeden eventuellen Mitnahme-Cent diskutiert die Politik heiß. Vergessen wird dabei, dass der Rabatt ein viel drängenderes Thema weiter anheizt: die Klimakrise.
Die Ampel-Koalition war angetreten, den Klimawandel zu bekämpfen. Energie-Steuern auf Kraftstoffe sind dabei eine tragende Säule.
Dass die Regierung diese Steuern mit dem Tankrabatt senkt, hält Brigitte Knopf, Klimaforscherin und Beraterin der Bundesregierung, für fatal.
Brigitte Knopf
"Prinzipiell brauchen wir in der Tat steigende Preise für den Klimaschutz, beim Benzin und bei Kohle und bei den ganzen fossilen Brennstoffen. Weil wir ein Signal senden müssen an die Verbraucherinnen und Verbraucher, dass es eben was kostet, CO2 zu emittieren."
Dank Tankrabatt mehr Spritverkauf. Dietmar Possart betreibt 33 Tankstellen und freut sich über den gestiegenen Absatz.
Dietmar Possart, Vorstand Benzin-Kontor AG
"Seit 1. Juni, kann ich sagen: Das sind also jeden Tag gut 20 Prozent mehr als normalerweise."
20 Prozent mehr Kraftstoff – das wären auch 20 Prozent mehr CO2-Ausstoß. Der Chef des ifo Instituts warnt bereits seit Monaten vor den ökologischen Folgen des Tankrabatts.
Clemens Fuest, Präsident ifo Institut
"Wenn die Benzinpreise fallen, dann wird wieder mehr gefahren, dann wird schneller gefahren und dann werden größere Autos gefahren. Das heißt, es wird dann einfach mehr Benzin verbraucht. Und jedenfalls aus ökologischer Sicht ist das das falsche Signal."
Laut Statistischem Bundesamt führte der Preisanstieg zu Kriegsbeginn zu einem Minus von elf Prozent beim Spritverkauf – und damit auch beim CO2.
Das Leibniz-Institut hat genau berechnet, um wieviel der Spritverbrauch bei einem Preisanstieg sinkt. Dementsprechend ist heute ohne Tankrabatt und mit einem rund 35 Cent höheren Benzinpreis die Wirkung enorm: nämlich so, als würden eine Million Autos weniger fahren.
Mit dem Versprechen, Sprit staatlich zu verbilligen, bewirkt die Regierung mitten in der Klimakrise einen steigenden C02-Ausstoß. Widerspricht die rot-grün-gelbe Regierung damit nicht massiv eigenen Klimaschutzzielen?
Das fragen wir den Bundesfinanzminister.
Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister
"Wir haben ja eine Energiesteuer auf den Sprit, die den Sprit künstlich verteuert, damit es Verhaltensänderungen gibt. Jetzt brauchen wir diese Energiesteuer nicht, weil der Sprit aufgrund der Weltmarkt-Entwicklung bereits so teuer geworden ist."
Aber nicht teuer genug, damit weniger gefahren wird. Der CO2-Ausstoß war weiterhin zu hoch:
"Im letzten Jahr hat Deutschland seine Klimaschutzziele im Verkehrssektor nicht eingehalten. Und der Tankrabatt setzt nun einen Fehlanreiz. Man wird zum Autofahren fast eingeladen."
Aber Lindner hat ein zweites Argument: "Jetzt ist das ein Zeichen der Fairness, dass wir die Menschen, die das Auto brauchen, im Übrigen auch die Gewerbetreibenden mit den gestiegenen Preisen nicht alleine lassen."
Brigitte Knopf, Expertenrat für Klimafragen
"Die viel tanken, werden viel entlastet. Und man setzt es eben nicht gezielt ein für die, die es vielleicht wirklich brauchen und wirklich nötig haben. Also insofern ist der Tankrabatt hier nicht geeignet, um sozusagen Härtefälle abzufedern."
Wer wenig tankt, profitiert wenig, wer viel tankt, profitiert viel vom Tankrabatt - selbst bei unnötigen Fahrten.
Fatih Atasoylu
"Ich könnte mit der Bahn fahren. Ich könnte auch mit dem Fahrrad fahren. Ich wohne jetzt nicht so weit weg von hier, aber - ich fahre gern mit dem Auto. Und das ist meine Freiheit, mit dem Auto zu fahren."
Anstatt mit der Gießkanne die geschätzten drei Milliarden Euro zu verteilen, fordert ifo-Präsident Fuest ein sofortiges Ende des Tankrabattes und gezielte Förderung der finanziell Schwachen.
Clemens Fuest, Präsident ifo Institut
"Wir müssen die Gruppen identifizieren, die wirklich Hilfe brauchen, die die steigenden Energiekosten aus eigener Kraft nicht gut tragen können. Und denen müssen wir gezielte Einkommensbeihilfen geben. Wenn wir Benzin verbilligen, dann muss man ja Autofahren, damit man was davon hat. Das setzt also die falschen Anreize."
Der Tankrabatt ist also unsozial und klimapolitisch schlichtweg falsch.
Beitrag von Sascha Adamek, Chris Humbs und Daniel Schmidthäussler