Keyvisual Kontraste-Doku Geld.Macht.Katar. Collage: rbb/Kontraste
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Bild: Collage: rbb/Kontraste

Kontraste - Geld.Macht.Katar. (Teil 2/2)

Katar – ein kleines Wüstenemirat, das sich zu einem wichtigen internationalen Player entwickelt hat. Mit Investitionen in globale Konzerne oder Sport-Events wie der Fußball-WM. Und nun stehen mit der Energiekrise westliche Politiker Schlange bei der Herrscherfamilie in Doha, darunter auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch von wem machen wir uns da abhängig? Ein Team aus Reporterinnen und Reportern der ARD-Politikmagazine Kontraste und report München hat zusammen mit der Wochenzeitung DIE ZEIT Katar unter die Lupe „genommen. Sie waren in Doha, Kabul, Tel Aviv, Washington und sprachen mit Geheimdienstlern, Insidern und dem katarischen Außenminister. Die Recherchekooperation "Geld.Macht.Katar." zeigt, wie das Emirat derart reich und mächtig werden konnte - und welche düsteren Seiten es zu verbergen versucht. Teil 1 von "Geld.Macht.Katar" lief am 20.09. in report München, Teil 2 am 22.09. um 21.45 Uhr in Kontraste und die gesamte Doku ist ab dem 22.09. um 16.00 Uhr in der ARD Mediathek zu sehen. Zudem gibt es einen Podcast in der ARD-Audiothek und ein Dossier in der ZEIT.
 
Aufgrund eines laufenden rechtlichen Verfahrens haben wir an dem Film eine Kürzung vorgenommen.

Anmoderation: Willkommen bei Kontraste. Katar – ein Land gerade mal so groß wie Schleswig-Holstein. Nicht viel mehr Staatsbürger als Wiesbaden Einwohner hat. Das Emirat ist klein. Sein Reichtum aber ist so enorm wie seine Erdgasreserven. Und so dreht dieser Winz-Wüstenstaat längst am großen Rad der Weltpolitik. Da ist zum einen die Fußball-WM. Ein Politikum. Mit maßlos gigantischen Stadien, die mitten in der Wüste mühsam auf 20 Grad runtergekühlt werden müssen. Aber der lange Arm des Emirs reicht längst auch direkt bis zu uns. Über den Staatsfonds hat Katar Anteile an namenhaften Dax-Konzernen und hat so auch bei VW, Siemens oder der Deutschen Bank ein Wörtchen mitzureden. Und auch problematische Moscheevereine hierzulande werden mit Geld aus Katar versorgt. Trotzdem verbeugt sich der grüne Vizekanzler tief vor dem Emirat. Wir brauchen zurzeit nichts mehr als sein Gas. Wie viel Macht hat also Katar über uns und was macht es eigentlich mit seinem märchenhaften Reichtum? Diesen Fragen sind wir in den vergangenen Monaten in einer weltumspannenden Recherche nachgegangen. Zusammen mit der Wochenzeitung DIE ZEIT und den Kolleginnen und Kollegen von Report München.

Katar – innerhalb weniger Jahrzehnte wird aus dem armen Wüstenstaat - ein einflussreicher Globaler Player.

Jonathan Schanzer

"When all you have is energy and money, you use it to the best of your ability."

Das Emirat zwischen Abenteuer - und Größenwahn. Doch es hat eine dunkle Seite. Wir versuchen ein Land zu entschlüsseln, das mit der Fußball-WM plötzlich ins Rampenlicht rückt.

Sepp Blatter

"The winner is Qatar"

Monatelang haben wir dafür zusammen mit Report München und der Wochenzeitung DIE ZEIT Katar unter die Lupe genommen.

Doha, Katar

Juni 2022 – wir sind in Doha. Es ist Katars wohl größter Coup, sich DAS Fußballfest der Welt ins Land geholt zu haben. Die Hoffnung: ein besseres Image. Geht dieser Plan auf?

Good Morning!

Wir bekommen eine exklusive Führung durch das vollklimatisierte Stadion.

Saud Ghani – Ingenieur, Qatar University

"Even outside 50, inside we can maintain 21. It’s a complete isolate bubble from outside. We are doing math all the time, calculating how the air is dry to help the player that the sweat is evaporating rather than temperature."

Übersetzung

"Wenn es draußen 50 Grad hat, halten wir hier drin 21 Grad. Selbst, wenn draußen ein Hurricane ist, bleibt das eine isolierte Blase. Wir berechnen die ganze Zeit, wie trocken die Luft ist, damit der Schweiß der Spieler verdunsten kann."

Kontraste

"All Automatic?"

Übersetzung

"Alles automatisch?"

Saud Ghani – Ingenieur, Qatar University

"All Automatisch."

ÜBersetzung

"Alles automatisch!"

Saud Ghani – auch Mr.Cool genannt, ist der Erfinder der Stadion-Klimaanlagen. Es sind hypermoderne Stadien – gebaut für diese WM:

"The World Cup, yes 7 Matches"

"Just to have an idea, can you say how much energy it is?"

"I don’t have the figure now"

Der Energieverbrauch: Eher Nebensache. Katar will sich als perfekter Gastgeber präsentieren.

"It will be one of the best amazing experience for fans. It will be very hard to go higher than this."

"Es wird eine der besten und faszinierenden Erfahrungen für die Fans sein. Das wird für die nächsten WM-Veranstalter schwer zu toppen sein."

19,2 Grad hat die kalte Luft, die aus der Klimaanlange bläst. Draußen sind es heute über 40.

Ein wichtiges Thema bleibt aus: Das Thema Menschenrechte. Aber wir werden später danach fragen.

Unsere Dreharbeiten in Katar sind streng limitiert. Das katarische Pressebüro schickt uns auf Sightseeing-Tour: Das hier sind die Bilder, die wir zeigen sollen: Das Nationalmuseum,

oder die sogenannte Education City – ein Campus mit Ablegern US-amerikanischer Elite-Unis.

Wen wir kaum treffen: Katarer. Kein Wunder – von den knapp drei Millionen Einwohnern sind nur knapp 10 Prozent Staatsbürger. Der Rest: Gastarbeiter. Sie leben und arbeiten zu teils katastrophalen Bedingungen. Obwohl seit der WM die ganze Welt auf Katar blickt, habe sich nur wenig verbessert, meinen Menschenrechtsexperten.

Kenneth Roth, Geschäftsführer Human Rights Watch, 1993-2022

"The employer could be abusive, they could seize their passport, they could sexually abuse them, and there's almost no recourse. So there have been some steps. There's been an improvement in the minimum wage and kind of rulings against discrimination. So these are positive steps, but the issue is really implementation."

Übersetzung:

"Die Arbeitgeber konnten sie misshandeln, ihren Pass beschlagnahmen, sie sexuell missbrauchen. Und es gibt fast keinen Rechtsschutz. Jetzt gibt es einige Verbesserungen, es gab eine Anhebung des Mindestlohns und eine Reihe von Urteilen gegen Diskriminierung. Es gibt also positive erste Schritte, aber das Problem bleibt wirklich die Umsetzung."

Und heute: Das Emirat kümmert sich um seine Staatsbürger mit einem Rundum-Sorglos-Paket. Sie gehören zu den reichsten Menschen der Welt. Die Gastarbeiter können davon nur träumen. Quelle dieses Reichtums: Das Gas.

Archiv

"Erdgas ist die Energiequelle der Zukunft und Qatar besitzt schier unbegrenzte Reserven davon. In diesen Tanks wartet es verflüssigt auf den Export nach Europa und Japan. Katars Reserven könnten gerade für uns Westeuropäer eines Tages die Alternative zu den sibirischen Erdgasvorkommen werden."

Berlin

Mitte Mai. Staatsbesuch. Der Emir von Katar ist in Berlin. Der Krieg in der Ukraine macht Katar noch einflussreicher. Das Emirat besitzt, was die Welt dringend braucht. Deutschland und Katar rücken heute noch etwas näher zusammen: vereinbaren eine Energiepartnerschaft.

Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler

"Ich habe mich gefreut, Sie heute in Berlin begrüßen zu dürfen und bin mir sicher, dass wir unsere Zusammenarbeit weiter vertiefen werden."

Für uns Journalisten eine seltene Chance, dem Emir Fragen zu stellen. Wir bekommen eine Chance.

Kontraste

"Qatar is a very small country, but a very big player regarding Geopolitcs, Sports, Investments and now with the Gas Deal you will be even more powerful. What is your goal?"

Übersetzung

"Katar ist ein kleines Land – aber ein großer Akteur wenn es um Weltpolitik, Sport und Investments geht – das Gasgeschäft macht Sie nun noch mächtiger – Was ist Ihr Ziel?"

Emir

"Speaking about Sports there is a big passion about sport in my country. Gas we been investing for many many years in LNG. Europe is a very interesting market and we dicussed it with the chancellor as well this morning how to develop this relationship. So we are very proud that we can contribute to the stability of the energy market."

Übersetzung

"Für Sport gibt es eine große Begeisterung in meinem Land. Und in Flüssiggas investieren wir schon seit Jahren. Europa ist ein sehr interessanter Markt; und wir haben heute Morgen auch mit dem Bundeskanzler darüber gesprochen, wie wir diese Beziehungen ausbauen können. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir zur Stabilität des Energiemarktes beitragen können."

Der Emir weicht aus. Vereinbart wird eine Energiepartnerschaft. Doch Katar lässt bis heute offen, ob wir jemals Gas bekommen werden. Von wem könnten wir uns abhängig machen? Wir treffen den ehemaligen Chef des Bundesnachrichtendienstes: Gerhard Schindler. Das Land ist schwer zu entschlüsseln – selbst für Geheimdienste.

Gerhard Schindler

"Man darf sich von dieser Glitzerwelt nicht beeinflussen lassen, sondern hinter dieser modernen Glitzerwelt steckt ganz oft mittelalterliches Denken. Und das Ziel von Katar kann man nur ahnen. Man hat ja versucht, das zu dechiffrieren, man hat versucht, das zu analysieren. Aber das ist im Grunde genommen bis heute eigentlich nicht überzeugend gelungen. Und Katar ist sehr widersprüchlich, finanziert Terror-Gruppierungen, finanziert suspekte Personen."

Das kleine Emirat macht Weltpolitik. Als Mittler und Makler – mit besten Beziehungen zu Extremisten. Im Fall Afghanistan offenbart sich Katars strategisches Doppelspiel. 2013 eröffnen die Taliban ihr einziges Auslandsbüro in Doha. Hier wird 2020 auch das sogenannte Doha-Abkommen von den USA und den Taliban unterzeichnet. Es regelt den Abzug der internationalen Kräfte.

Der Rückzug wird zum Desaster. Retter in der Not: Katar. Das Emirat hilft entscheidend beim Ausfliegen. Zum Dank erklärt Joe Biden Katar zum engen Verbündeten.

Kabul, Afghanistan

Der Kabuler Flughafen im März 2022. Es heißt: Katar spielt hier noch immer eine wichtige Rolle.

Unsere Kollegin von der ZEIT, Lea Frehse, erhält die einmalige Gelegenheit am Flughafen zu drehen. Die neuen Chefs hier, die Taliban, zeigen das Gelände.

Taliban

"The Airport is working. It’s functioning normally."

Übersetzung

"Der Flughafen ist in Betrieb, alles läuft normal."

Er räumt ein: Das geht nur mit Katars Hilfe.

Lea Frehse, Reporterin DIE ZEIT

"Where are the Qataris staying?"

Übersetzung

"Wo sind die Katarer untergebracht?

Taliban

"They are staying on that side of the Airport. They are helping with the Tower."

Übersetzung

"Sie sind auf dieser Seite des Flughafens untergebracht – dort gibt es Unterkünfte. Und sie helfen beim Betrieb des Towers. Dort sind sie auch."

Die Katarer operieren hier im Hintergrund. Wollen weder gefilmt, noch fotografiert werden. Bloß keine Bilder, die bleiben. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, Katar unterstütze das Taliban-Regime.

Die Wagen der Katarer: Sie haben keine Aufschrift. Nichts, das zeigen würde, dass es sich um das Fahrzeug eines ausländischen Militärs handelt. Dann bekommen wir sie aber doch noch kurz vor die Kamera.

Lea Frehse, Reporterin DIE ZEIT

"Are these are the Qataris, right?"

Übersetzung

"Ah, Sind das da die Katerer?"

Die Katarer sind im ehemaligen Lager der Nato-Truppen am Flughafen untergekommen. Von 200 Personen ist die Rede.

Offen - vor der Kamera - möchte niemand über sie sprechen, doch es heißt, die Katarer machten sich hier ein gutes Leben. Einen Pool hätten sie in ihrem Lager, ein Fitnessstudio. Und immer gute Schokolade.

Sie halten den Flughafen am Laufen. Er ist Afghanistans Tor zur Welt. Und Katar hat den Schlüssel in der Hand. Warum? Wir bekommen ein Exklusiv-Interview mit Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Er ist Außenminister - und stellvertretender Premierminister. Und: Er gehört zur mächtigen Herrscherdynastie.

Kontraste

"How would you describe your relationship with the Taliban and how are you evaluating what is happening in Afghanistan now?"

Übersetzung

"Wie würden Sie ihre Beziehung zu den Taliban beschreiben und wie bewerten Sie, was derzeit in Afghanistan geschieht?"

Mohammad Abdulrahman Al Thani, Außenminister Katar

"We are we are extremely disappointed and frustrated with all the measures that are being taken, uh, recently by the current government in Afghanistan, especially against girls and women, and not allowing them to go to schools or, or to workplaces. Our intention was how to bring a peaceful resolution and ending the war in Afghanistan."

"Wir sind sehr enttäuscht und frustriert von all den kürzlich ergriffenen Maßnahmen der derzeitigen Regierung in Afghanistan, insbesondere gegen Mädchen und Frauen, ihnen nicht zu erlauben, in die Schule oder zur Arbeit zu gehen. Es war unsere Absicht, eine friedliche Lösung zu finden und den Krieg in Afghanistan zu beenden."

Washington, USA

In Washington treffen wir eine Frau, die Katar eine Mitverantwortung am Zusammenbruch Afghanistans gibt.

Hosna Jalil war stellvertretende Innenministerin Afghanistans. Die erste und einzige Frau auf solch einem hohen Posten. Als die Taliban das Land übernehmen, ist sie gerade für ein Universitäts-Stipendium in Washington.

Hosna Jalil

"No one expected it to happen or happen as soon as it did. I think partially because we believed in the strength of the government. We did."

Übersetzung

"Niemand hat damit gerechnet, dass das passieren würde – oder dass es so schnell gehen würde. Wir haben an die Stärke der Regierung geglaubt. Das haben wir wirklich."

Als ehemaliges Regierungsmitglied kann sie nun nicht mehr zurück. Lebt hier im Exil mit zwei weiteren afghanischen Frauen. Katar sei nie wirklich an einem Frieden in Afghanistan interessiert gewesen, meint sie.

Hosna Jalil

"That wasn’t a peace-building process in Afghanistan. That was the US-Taliban Peace Deal. That’t it. Period."

Übersetzung

"Das war kein Friedensprozess. Das war ein Deal zwischen den USA und den Taliban. Nichts anderes."

Dass die Taliban als moderat wahrgenommen wurden, sei auch Katars Mitschuld. Das offizielle Taliban-Büro in Doha habe sie erst politisch salonfähig gemacht.

Hosna Jalil

"It helped the Taliban to create a very moderate image of them which was sold by the Taliban, fascilitated by Qatar and bought by the Western Countries. Qatar has gained. The Taliban has gained. The US hasn’t lost anything. The ones who lost it. The Loosers of this entire game is the Afghan people."

Übersetzung

"Das hat den Taliban geholfen, ein sehr moderates Bild von sich zu zeichnen, das von den Taliban verkauft, von Katar vermittelt und von den westlichen Ländern abgekauft wurde. Also von den Ländern, die 20 Jahre in Afghanistan waren und mit Blut und Geld in Afghanistan bezahlt haben."

Katar hält gute Beziehungen zu den Taliban und zu den USA. Seit 2003 beherbergt Katar die größte Luftwaffenbasis der USA im Nahen Osten. Das Emirat trägt einen erheblichen Teil der Betriebskosten. Die Basis wurde zur Drehscheibe für die Kriege im Irak, Afghanistan und gegen den IS.

Für Katar ist die Basis eine Art Lebensversicherung. Denn: mit Saudi-Arabien und dem Iran hat das Emirat zwei nicht immer freundlich gesinnte Nachbarn. Wer sich als Vermittler unverzichtbar macht, ist unangreifbar.

Der Experte für Terrorfinanzierung Jonathan Schanzer sieht eine Strategie.

Jonathan Schanzer

"Their goal is to punch above their weight. They're tiny, they're weak. They are surrounded by more powerful players in a dangerous part of the world. So when all you have is energy and money, you use it to the best of your ability."

Übersetzung

"Ihr Ziel ist, oberhalb ihrer Gewichtsklasse zu boxen: Sie sind winzig, sie sind schwach. Sie sind umgeben von mächtigeren Akteuren in einem gefährlichen Teil der Welt. Wenn man nichts hat, außer Energie und Geld, nutzt man es eben nach besten Kräften."

Es fließt viel katarisches Geld in Washington – in PR- und Lobbyagenturen. Das Emirat ist auch strategischer Partner der renommierten Georgetown-Universität. Katar hat sich ins Herz der US-amerikanischen Demokratie eingeschlichen.

Jonathan Schanzer

"The Qataris have put most of the influential law firms and lobby firms on retainer. There is a lot of money that is spent here in this town to make sure that they are smiled upon by our leaders."

Übersetzung

"Die Katarer haben die meisten der einflussreichen Anwaltskanzleien und Lobbyfirmen unter Vertrag genommen. Es wird in dieser Stadt viel Geld ausgegeben, damit unsere führenden Politiker ihnen mit einem wohlwollenden Lächeln begegnen."

Diez, Deutschland

Wie weit Katar möglicherweise geht, um Kritik verstummen zu lassen, hat er erfahren: Theo Zwanziger. Wir treffen ihn in seiner Heimatstadt in Rheinland-Pfalz. Erstmals wird er heute ausführlich vor der Kamera über sein ganz spezielles Erlebnis mit Katar berichten.

2006 wurde er alleiniger DFB-Präsident. Er war über Jahre der mächtigste Sportfunktionär des Landes. Und wurde zum wichtigsten deutschen Kritiker der WM-Vergabe an Katar.

Zwanziger soll daraufhin Opfer einer Beeinflussungskampagne geworden sein. Laut der Nachrichtenagentur AP soll Katar 10 Millionen Dollar für das sogenannte Projekt Riverbed gezahlt haben. An die New Yorker Firma eines ehemaligen CIA-Mitarbeiters.

Grafik

"Es war das primäre Ziel des Projekts Riverbed, die Wirksamkeit von Theo Zwanzigers Kritik an der WM 2022 in Katar zu neutralisieren ..." Quelle: AP, übersetzt ins Deutsche

AP

"The primary objective of Project Riverbed was to neutralize the effectiveness of Theo Zwanziger's criticism of the 2022 Qatar World Cup…"

Übersetzung

"Es war das primäre Ziel des Projekts Riverbed, die Wirksamkeit von Theo Zwanzigers Kritik an der WM 2022 in Katar zu neutralisieren..."

Laut AP will die Firma verschiedene geheimdienstliche Methoden genutzt haben, um Zwanziger zu bearbeiten.

Theo Zwanziger

"Ich selbst habe es unmittelbar nicht bemerkt, aber ich glaube, das ist auch das Perfide an diesem System, dass man eben ein Umfeld gestalten kann, die es zum Teil auch nicht gemerkt haben, dass sie hier zum Instrument einer Firma geworden sind, die eben einen bestimmten Zweck erreichen will, nämlich einen der stärksten Kritiker Katars in eine Richtung zu bewegen, ohne dass er es vielleicht merkt, dass er jetzt zum glühenden Fan von Katar wird."

Laut dem Bericht sollte sogar die Familie von Zwanziger ins Visier genommen werden, um ihn unmerklich zu beeinflussen.

Theo Zwanziger

"Es ist absolut inakzeptabel. Und ich bin auch ein bisschen traurig, dass der DFB bis heute auch der neue Präsident noch nicht ein einziges Wort dazu gefunden hat. Anscheinend ist das in der Welt des Fußballs alles normal!"

Wir fragen die US-Firma an, doch bekommen keine Antwort. Gegenüber der Presseagentur AP hat der Firmengründer zugegeben, am Projekt Riverbed gearbeitet zu haben. Doch die Berichterstattung darüber beruhe auf – so wörtlich – falschen Informationen und unidentifizierten Quellen. Zwanziger sei nie Ziel gewesen.

Zwanziger und sein Anwalt hingegen sind von der Echtheit der Dokumente, die der Berichterstattung zu Grunde liegen, überzeugt. Die katarische Botschaft hat auf unsere Anfrage bezüglich der Vorwürfe nicht geantwortet. Laut AP verbuchten die Privatagenten das Projekt als Erfolg.

Bei AP

"... he is no longer a threat to Qatar's retention of the 2022 World Cup."

"…er ist keine Bedrohung mehr für die Beibehaltung der Weltmeisterschaft 2022 in Katar." Quelle: AP, übersetzt ins Deutsche

Damit liegen sie allerdings falsch: Zwanziger äußert weiter Kritik.

Theo Zwanziger

"Für mich bleibt Katar ein Krebsgeschwür des Weltfußballs."

Was aber treibt Katar an: das Geschäft, das Ringen um politische Macht oder doch die Religion? Die Herrscherfamilie bietet seit 1961 dem ägyptischen Prediger Yusuf Al Qaradawi – hier mit dem Emir - Schutz vor politischer Verfolgung.

In Katar entwickelte sich Qaradawi zum führenden Geistlichen der Muslimbruderschaft. Sein wichtigstes Sprachrohr: Der katarische Nachrichtensender Al Jazeera. Hier hatte er eine regelmäßige eigene Sendung. Vor der Kamera hetzt er gegen Juden.

Al Qaradawi

"Die letzte Bestrafung stammte von Hitler. Auch wenn einiges davon übertrieben ist. Es war eine göttliche Strafe. Das nächste Mal soll dies im Land der Gläubigen passieren."

Der Sender Al Jazeera wird 1996 von der Herrscherfamilie gegründet. Der erste internationale arabischsprachige Sender. Ein strategischer Coup:

Guido Steinberg

"Al Jazeera ist ganz klar ein Instrument des katarischen Staates. Das war emanzipatorisch, das war aufklärerisch in den 1990er Jahren. Und mit dem Jahr 2011 da endet diese doch aus meiner Sicht eher positive Phase von Al Jazeera, weil der Sender in dem Moment, in dem der Arabische Frühling ausbricht, weiterhin ein Instrument katarischer Politik ist, diese katarische Politik aber jetzt ganz, ganz klar auf die Islamisten und auf die Muslimbruderschaft setzt."

Katars Nachbarstaaten sehen den Einfluss des kleinen Emirats zunehmend als Bedrohung: 2017 kommt es plötzlich zur Blockade.

Schlagzeile: Alle gegen Katar

Saudi-Arabien und andere verbündete Staaten frieren ihre Beziehungen zu Katar ein.

Schlagzeile: Saudische Daumenschraube

Sie fordern unter anderem: Katar soll Al Jazeera und die Unterstützung der Muslimbruderschaft einstellen. Doch sie scheitern damit. Katar sitzt die Krise aus. Al Jazeera bleibt. Genauso die Unterstützung für die Muslimbruderschaft.

Die Muslimbruderschaft ist in den 1920er Jahren in Ägypten entstanden. Mohammed Mursi, ehemaliger ägyptischer Präsident, war Muslimbruder. Aber auch die Hamas ging aus ihr hervor. Sie ist die weltweit am stärksten vernetzte islamistische Organisation.

In Europa ist die Muslimbruderschaft eine Geheimgesellschaft. Ohne offizielle Ableger.

Lorenzo Vidino ist Programmdirektor für Extremismus an der George Washington Universität. Er beschäftigt sich seit Jahren mit der geheimen Muslimbruderschaft im Westen, berät Regierungen.

Lorenzo Vidino

"Secrecy is one of the main features of the group. Therefore, it's obvious that people who belong to the network will not openly say so. It helps them to achieve their goals."

Übersetzung

"Geheimhaltung ist ein wesentliches Merkmal der Gruppe. Daher ist es offensichtlich, dass diejenigen, die zu diesem Netzwerk gehören, das nicht offen sagen werden. Die Muslimbruderschaft glaubt, dass ihr das hilft ihre Ziele zu erreichen."

Wie gefährlich kann die Muslimbruderschaft für unsere Gesellschaft werden?

Lorenzo Vidino

"The Brotherhood in the West is problematic for mainly two reasons. The first one is the proximity to terrorist groups. The second is the social agenda, and that's extremely problematic in a lot of governments are really concerned about that. It's the identitarian message very similar to those of an extreme right wing groups espouse and spread. The Brotherhood does a similar thing. It pours gasoline on the fire of the identitarian movement. It sends a message to Muslims that you don't belong in the West. The West hates you, it's Islam and so you should not integrate into Society."

Übersetzung

"Die Muslimbruderschaft im Westen ist vor allem aus zwei Gründen problematisch. Der erste Grund ist die Nähe zu terroristischen Gruppen. Der zweite ist die soziale Agenda, sie ist äußerst problematisch und macht vielen Regierungen große Sorgen. Sie gießt Benzin in das Feuer der identitären Bewegung. Sie sendet Muslimen die Botschaft: Ihr gehört nicht zum Westen. Der Westen hasst euch, hasst den Islam – also sollten wir uns nicht in die Gesellschaft integrieren!"

Gemeinsam mit dem Zeit-Kollegen Yassin Musharbash nehmen wir Einblick in brisante Dokumente von großen Wohltätigkeitsorganisationen aus Katar, die darauf hindeuten, dass Gelder aus dem Emirat in viele Teile der Welt geflossen sind – auch nach Deutschland.

Yassin Musharbash

"Hier nochmal 50.000, 410.000 – das ist alles Kleinkram, aber die Summen in Berlin sind die höchsten."

Unterlagen zweier Wohltätigkeitsorganisationen legen nahe: muslimische Vereine aus Deutschland wurden gefördert oder haben um Geld gebeten – teils Millionensummen.

Laut den Dokumenten könnte ein Verein aus Berlin der größte Nutznießer in Deutschland gewesen sein: das "Interkulturelle Zentrum für Dialog und Bildung", abgekürzt IZDB. Das IZDB soll demnach mit umgerechnet rund sechs Millionen Euro bedacht worden sein.

Einer der Hinweise, die uns vorliegen: Ein Brief von Qatar Charity, adressiert an das IZDB, zeigt einen Überweisungsplan für das Jahr 2012. Ob das Geld jedoch tatsächlich überwiesen wurde, beweist das Dokument nicht.

Berlin-Wedding

Wir wollen uns zunächst einmal einen Eindruck von dem Verein verschaffen. Es ist ein Sonntag im Juli: Opferfest - der höchste Feiertag im Islam.

Zuerst arabische Begrüßung, danach:

"Ein herzliches Eid Mubarak. Wir wünschen euch allen ein gesegnetes Fest!"

Im Gespräch mit uns betont die Pressesprecherin die Weltoffenheit des Vereins.

Pressesprecherin

"Was auch ein fester Bestandteil unserer Arbeit hier ist, ist die Dialogarbeit. Da legen wir großen Wert drauf, dass wir im Austausch sind mit christlichen Gemeinden, mit jüdischen Gemeinden."

Als wir später schriftlich beim Verein anfragen, ob das IZDB-Gelder aus Katar bekommen hat, gibt es keine Reaktion.

Der zweite Fall liegt wenige Kilometer südlich: Die Neuköllner Begegnungsstätte – auch bekannt als "Dar-as Salam-Moschee".

Der Imam Mohamed Taha Sabri gehört zu den bedeutendsten muslimischen Persönlichkeiten der Hauptstadt – mit besten Beziehungen in die Berliner Landespolitik. Hat sein Moscheeverein von Spenden aus dem Ausland profitiert?

Bei unseren Recherchen stoßen wir im Internet auf eine Serie von Videos auf arabisch – aufgenommen in verschiedenen deutschen Städten. Experten hierzulande waren sie völlig unbekannt. Hier äußert sich Imam Sabri sich ganz anders.

Yassin

"Also der Kauf entstand im Jahr 2007."

Imam Sabri

"Diese Moschee wurde im Jahr 2007 Gott sei Dank mit der Hilfe und der Übernahme des Großteils der Kosten durch Menschen aus Katar gekauft. Möge Gott ihnen für Ihre Taten danken."

Für ein Interview dazu stand uns Imam Sabri nicht zur Verfügung. Auch "Qatar-Charity" ließ unsere Anfrage unbeantwortet. Zwei Vereine, die von katarischem Geld profitiert haben könnten und darüber mit uns nicht reden wollen. Doch warum?

Bei unseren Recherchen fällt auf: Das Gelände, auf dem der Weddinger Verein das Opferfest gefeiert hat, gehört dem englischen "Europe Trust". Laut einem britischen Parlamentsbericht ist der Trust der Muslimbruderschaft zuzuordnen. Auch inhaltlich scheint es beim IZDB Berührungspunkte mit der Ideenwelt der Muslimbruderschaft zu geben: Noch im Dezember 2021 lud der Verein wichtige islamische Religionsvertreter zu einem Treffen ein, darunter auch: Ali Al Qaradaghi aus Katar. Er ist der Generalsekretär der "Union Muslimischer Gelehrter", eine globale Organisation, die nach Meinung von Experten den Muslimbrüdern nahesteht.

Auch unsere Frage dazu lässt der Verein unbeantwortet.

Von 2014 bis 2016 erwähnte der Berliner Verfassungsschutz beide Vereine in seinem Bericht. Er habe Hinweise, dass sie mit Anhängern der Muslimbruderschaft in Verbindung stünden. Nach einer Klage strich der Verfassungsschutz Berlin die Vereine aus seinem Bericht. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist durch den Gerichtsbeschluss aber ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Das alles bedeutet nicht, dass die Berliner Vereine zum geheimen Netzwerk der Muslimbruderschaft in Europa gehören oder deswegen aus Katar finanziert wurden. Aber für uns wichtige Fragen dazu bleiben unbeantwortet. Warum dieses Ausweichen, wenn es um Katar geht?

Von Lorenzo Vidino wollen wir ganz im Allgemeinen wissen: Welche Absichten verfolgt Katar mit der Unterstützung von teilweise fragwürdigen Vereinen im Westen?

Lorenzo Vidino

"Qatar wants to be seen as a generous country that supports Islam and Muslims in Europe. Of course, again, pushing the narrative that Islam is under attack in Europe and they are defenders of the faith. At the same time, Qatar has its own geopolitical games, so it wants to be seen as a big player. It has a strong agenda against other countries in the Gulf, strong rivalry with Saudi, with the UAE. And so at times, it uses networks close to the Brotherhood to further its agenda against those countries."

Übersetzung

"Katar möchte als großzügiges Land gelten, das die Muslime in Europa unterstützt. Und es verbreitet das Narrativ, dass der Islam in Europa angegriffen wird und Katar der Verteidiger des Glaubens ist.

Gleichzeitig spielt Katar seine eigenen geopolitischen Spielchen. Es möchte als wichtiger Akteur wahrgenommen werden. Es hat eine klare Agenda gegenüber anderen Ländern am Golf. Und so nutzt Katar manchmal Netzwerke, die der Muslimbruderschaft nahestehen, um seine Agenda voranzutreiben."

Auf unsere Frage, nach der katarischen Beziehung zur Muslimbruderschaft im Westen, sagt der Außenminister

Außenminister

"I really I have no idea about the Muslim Brotherhood Mosques in any country or any city in Europe. Our charities and foundations are not supporting different projects based on the ideology of the people of those countries, of these institutions. But really based on the needs of the communities. So I can assure you of that and assure everyone here that our charities and foundations are operating in full compliance with the governments, respecting the rules."

Übersetzung

"Ich habe wirklich keine Ahnung von den Moscheen der Muslimbruderschaft in irgendeinem Land oder irgendeiner Stadt in Europa. Unsere Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen unterstützen Projekte nicht ausgehend von der Ideologie der Menschen in diesen Ländern oder diesen Einrichtungen. Wir unterstützen Projekte ausgehend von den Bedürfnissen der Gemeinschaften. Wir wollen ihnen helfen und sie unterstützen. Ich kann Ihnen und jedem hier versichern, dass unsere Wohltätigkeitsorganisationen und Stiftungen in voller Übereinstimmung mit den Regierungen arbeiten und die Vorschriften respektieren."

So fleißig Katar an seinem Image feilt, nicht immer hat der Staat eine überzeugende Antwort. Für Katar ist der Sport vielleicht eines der wichtigsten politischen Instrumente.

Guido Steinberg

"Katar ist tatsächlich der Weltmeister im Aufbau von weicher Macht. Es wollte nämlich weltweit sichtbar werden - jenseits von Gas. Jenseits, jenseits von großen Konflikten mit Iran oder Saudi-Arabien. Katar möchte uns auf diese Art und Weise zeigen. Hier, ihr alle habt ein Interesse daran, dass unser Land fortbesteht."

Doch bisher macht die WM vor allem Negativ-Schlagzeilen. Beim Stadion-Manager versuchen wir es mit einer Frage zur Menschenrechtslage:

Kontraste

"One question, there has been a lot of criticism about human rights. Can you understand that?"

Übersetzung

"Eine Frage. Es gibt viel Kritik wegen Menschenrechten. Können Sie das nachvollziehen?"

Manager

"Sure, where is my colleague?"

Er sucht händeringend nach dem Pressesprecher.

Williams Morales

"Sure. Let me see, where is my collegue? Where is… He has all these answers. You have all the answers. She needs an answer for the Human Rights. This kind of thing. You have all the comment about that?"

Übersetzung

"Sie braucht eine Antwort zu den Menschenrechten. Diese Dinge. Du hast doch die Statements dazu?"

"Er hat die richtigen Antworten."

Alle Augen sollen auf Katar gerichtet sein. Aber nicht bitte zu genau. Und so wird es wohl auch beim nächsten globalen Glanzprojekt sein. Koste es was es wolle.

Von Pune Djalilevand und Benedikt Nabben