Screenshot aus einem Werbeclip. Bild: EXIF - Recherche
EXIF - Recherche
Bild: EXIF - Recherche

In Südbrandenburg unterwandern rechtsradikale Netzwerke die Mitte der Gesellschaft - Ganz normal: Rechtsradikal

Ende April sorgten ein Lehrer und eine Lehrerin aus Burg im Spreewald bundesweit für Aufsehen. In einem Brandbrief beschrieben sie eine Vielzahl rechtsextremer Vorfälle an ihrer Oberschule: Nazi-Sprüche im Unterricht, eingeritzte Hakenkreuze, rassistische Chat-Nachrichten. Recherchen von Kontraste und dem rbb zeigen: Die Schule ist kein Einzelfall im Raum Cottbus. Bei den Jüngsten tritt zutage, was sich in der Region quer durch die gesamte Gesellschaft zieht. Seit den Baseballschläger-Jahren der 90er konnten sich hier rechtsextreme Netzwerke dauerhaft etablieren. Der Verfassungsschutz spricht von einer "toxischen Mischung" aus organisierten Neonazis, Kampfsportlern, Fußball-Hooligans und organisierter Kriminalität. Deren Einfluss reicht längst über die Szene hinaus: Bekannte Rechtsextremisten betreiben Modelabel und Sicherheitsfirmen genauso wie Eisdielen und Gaststätten.

Anmoderation: Er ist wieder da. Der Hitlergruß, und nicht nur der. Dieses Bild stammt aus Brandenburg, das sind Schüler. Und bestimmt denkt jetzt mancher von Ihnen: ja klar, ist doof, sollte man nicht machen, aber irgendeinen Idioten gibts an jeder Schule, der sowas lustig findet. Aber was, wenn es nicht nur ein Idiot ist. Und auch nicht nur ein Scherz? Was, wenn auch die Eltern so ticken? Was, wenn die Väter so rumlaufen, aber eigentlich gar keine Masken brauchen, weil sie gar nicht mehr am Rand der Gesellschaft stehen, sondern Mittendrin? Unsere Recherche hatte mit solchen Bildern begonnen, aber was wir - und unsere Kollegen vom rbb - im Süden Brandenburgs gefunden haben, ist ein rechtsextremer Sumpf.

Tanzende und singende Jugendliche auf einem Sportplatz in Cottbus – Bilder, die es so überall in Deutschland geben könnte.

Doch genau hier und nach unseren Recherchen auch am selben Abend entsteht ein Gruppen-Foto, das bundesweit für Schlagzeigen sorgen wird: Zehn der Abgebildeten zeigen den Hitlergruß in die Kamera. Darunter mehrere Jugendliche aus dem Feier-Video.

Wir sind am Ort der Aufnahme und wollen die Geschichte hinter dem Bild verstehen. Direkt neben dem Sportplatz: der örtliche Fußballverein. Der Vorsitzende kennt einige der Jugendlichen. Sie sind recht jung, nur 13 bis 15 Jahre alt.

Thomas Lang, Vereinsvorsitzender

"Manchmal kriegt man vielleicht das böse Erwachen als Elternteil, wenn sie dann mitkriegen, was die Kinder so draußen treiben. Vielleicht ist es auch, spekulativ jetzt gedacht, die Gesinnung der Eltern. Es heißt ja nicht umsonst: Die Kinder sind das Spiegelbild der Eltern."

Wir zeigen ihm das Foto. Wollen wissen, ob er tatsächlich davon ausgeht, dass die Eltern eine ähnliche Gesinnung haben.

Trainer

"Pfffff… Bei eins-zweien wundert es mich nicht."

Kontraste

"Und bei drei-vieren?"

Trainer

"Also bei eins zweien weiß ich es genau. Bei drei vieren weiß ich es nicht."

Am Mast eines Basketballkorbs, nur wenig entfernt, prangen NS-Symbole, darunter ein Hakenkreuz. Mehrfach sprechen wir Jugendliche rund um den Sportplatz an. Vergeblich, niemand hier will mit uns reden.

Wir besuchen eine Mutter. Auch ihre Tochter zeigt auf dem Foto den Hitlergruß.

"Geht um das unrühmliche Foto." – "Welches Foto?" – "Um das, wo ihre Tochter mit drauf ist." – "Nee, danke."

Viele der Jugendlichen auf dem Foto besuchen die Oberschule in Burg bei Cottbus. Vor kurzem haben hier zwei Lehrer zunächst mit einem anonymen Brandbrief Alarm geschlagen, jetzt sprechen sie offen: über eine Vielzahl rechtsextremer Vorfälle an ihrer Schule.

Lehrer

"Also es gab einen Hitlergruß auf dem Schulhof, auf dem Sportplatz, den habe ich gemeldet, den ich beobachtet habe. Und die Schulleiterin hat eigenständig Ermittlungen, so wie sie es gesagt hat, vorgenommen. Bei ihren eigenen Ermittlungen kam nichts heraus, und deswegen hat sie da nicht weiter gehandelt, hat auch nicht den Vorfall dem Schulamt gemeldet."

Rechtsextreme Parolen auf Schul-Tablets, Hitlerbilder, Homophobie und Hakenkreuze in den Chats der Kinder. Erschreckender Alltag an der Burger Schule.

Lehrerin

"Es gibt immer die Kinder, ich sag mal, die Cool-Kids, also die, die den Ton angeben. Und ich muss sagen, in dieser Schule haben wir leider das Pech, dass gerade diese Cool-Kids nicht diejenigen sind, die demokratisch fest auf dem Boden stehen, sondern das sind die, die mit rechtsextremen Meinungen sympathisieren. Und die geben den Ton an und dann gibt es die Mitläufer. Mich erschreckt immer noch dieser Vorfall mit der mit der einen Klasse, die sich da nach der Behandlung des Nationalsozialismus. Wo die Hälfte der Jungen noch gesagt hat, sie möchte der Hitlerjugend immer noch beitreten, wenn sie die Wahl hätte."

Burg am Herrentag. Am Bismarckturm feiern fröhlich viele Menschen aus der Region.

Aber auch hier zeigen rechte Jugendliche Gesinnung – unter anderem mit einem "No Asyl"- Aufnäher.

"Hey verpisst Euch, wirklich"

"Wir wollen nur ein paar Fragen stellen. "

"Nein, keine Fragen. Einfach weg."

"Wir wollen nicht gefragt werden."

"Und nicht filmen! Weg mit der Kamera."

"Hey, bleib mal locker"

"Meine Fresse."

Von einem Rechtsextremismus-Problem an der Schule will hier kaum jemand etwas wissen.

"Das ist gelogen."

"Was ist gelogen?"

"Mit dem Rechtsextremismus. Das ist doch völlig gelogen."

"Aber wieso gelogen?"

"Na ja. Wo soll das nun herkommen?"

"Zwei Lehrer von der Schule haben es ja so dargestellt."

"Ja das sind zwei jungsche Lehrer."

"Und was hat das Alter damit zu tun?"

"Naja, die kommen doch grad frisch von der Schule."

"Soweit ich weiß, gibt es auch nicht nur hier in der Gegend auch eigentlich überall irgendwo mal welche Rechtsextreme. Das gibt es ja auch schon immer. Und ich sag halt so, ne, ist halt jetzt auch nicht so schlimm, sag ich jetzt mal, also ist schon schlimm, aber jeder kann seine Meinung und wenn jemand sagt, ich bin rechtsextrem, dann ist es auch nicht so schlimm. Also es gibt´s halt überall."

Tatsächlich ist die Burger Schule in der Region kein Einzelfall. Kontraste und dem rbb liegen zwei weitere Fotos aus dem unmittelbaren Umfeld einer Schule vor, diesmal geht es um ein Cottbuser Gymnasium. Die Aufnahmen sind beim Abiball entstanden. Wieder zeigen junge Menschen den Hitlergruß. Angeblich sind auf den Bildern nur Gäste zu sehen.

Auch südlich von Cottbus, in Spremberg, soll es mehrfach rechtsextreme Vorfälle am örtlichen Gymnasium gegeben haben. Das berichten uns mehrere Quellen unabhängig voneinander.

In der örtlichen Kirchgemeinde treffen wir den Neuntklässler Jakob und seine Mutter Bianca. Sie möchten nicht länger schweigen. Denn die Lage an der Schule sei ähnlich schlimm wie in Burg.

Schüler

" Also zum Beispiel man klebt sich mit Klebestreifen einen Hitler-Bart auf und macht Hitlergruß und alle anderen grüßen zurück. Oder es werden Leute, die vielleicht bisschen dunklere Haut als Ratte beschimpft, dass sie zurück zurückgehen sollen. Oder einfach auch die Ausgrenzung von Leuten, die sich dagegen positionieren und ein Hakenkreuz überall in allen Heften oder auf den Tischen an den Wänden."

Kontraste

"Wer hat denn das Sagen in der Klasse?"

Schüler

"Eigentlich schon, die Hitlergruß machen. Es ist eigentlich die Überzahl."

Kontraste liegen interne Schülerchats vor: auch hier sexistische Sprüche und Hitlerverehrung.

Mutter

"Wir diskutieren als Familie zu Hause: Wie können die Kinder damit umgehen und sich deutlich dagegen positionieren? Oder schauen Sie lieber weg, weil sie denken, dann passiert mir am allerwenigsten?"

Die Schulleitung schreibt uns, man habe eine Stellungnahme zu den Vorwürfen an das Cottbuser Schulamt geschickt. Dort wiederum hieß es gestern, man habe noch keine Zeit gehabt, sich näher damit zu beschäftigen.

Jakobs Mutter Bianca hat dennoch Hoffnung, dass die öffentliche Diskussion etwas bewirkt

Mutter

"Ich finde, was gerade eben passiert mit dem anonymen Brief der beiden Lehrer aus Burg, passiert aus meiner Sicht als Mutter was ganz Wunderbares. Denn endlich sprechen wir offen darüber. Es ist nicht mehr so, dass wir eben nur darüber am Abendbrottisch diskutieren oder in einer kleinen AG von zehn Leuten, sondern durch diese Aktion der beiden Lehrerinnen gibt es die Möglichkeit, dass wir offen in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit darüber reden, dass es ein Problem gibt."

Und tatsächlich tut sich etwas in der Zivilgesellschaft:

"Heute sind wir hier, um ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen gegen Hass und Diskriminierung an Schulen."

Kurz nachdem die Vorfälle in Burg bekannt wurden, demonstrierten vor dem Cottbusser Schulamt engagierte Eltern, Lehrer und Schüler. Und forderten künftig genauer hinzusehen.

"Wir haben ein generelles Problem mit Rassismus, mit Rechtsextremismus!"

Bei der Schulleitung in Burg aber scheut man die Öffentlichkeit. Unsere Anfrage für ein Interview lehnt die Direktorin ab. Sie scheint das Problem noch immer herunterzuspielen.

In einem Schreiben, das Kontraste vorliegt, berichtet sie dem Schulamt Mitte Mai, zwei Grundschüler hätten ein "Handzeichen" auf dem Schulhof gemacht. Gemeint ist ein Hitlergruß.

Lehrerin: "Ich denke, dass nicht nur die Schulleitung hier ihren Teil dazu beiträgt, sondern eben auch ein Stück weit, dass die Elternhäuser dieser Kinder, die Umgebung der Kinder, dass diese Salonfähigkeit entstanden ist. Es sind nicht alle Schüler, natürlich nicht. Aber dass diese Schüler sehr laut sein dürfen, sich sicher fühlen, diese Sachen zu äußern, das ist das was, was ich sehr krass ankreide."

Es spiegelt sich wider, was auch im Rest des Ortes zur Normalität gehört: die Präsenz von Rechtsextremisten. Der Kurort im schönen Spreewald gibt sich weltoffen, man lebt hier vom Tourismus.

Gleich hinter dem Burger Ortseingang aber steht das "Deutsche Haus". Betreiber ist Daniel G., der Verfassungsschutz stuft ihn als zentralen Akteur der rechtsextremistischen Szene ein. Dennoch veranstalteten Eltern der Burger Oberschule im vergangenen Jahr im Deutschen Haus die Abschlussfeier für die 10. Klasse.

"Da waren auch Lehrkräfte vor Ort. Und das macht mich total betroffen, weil dieses Problem ist bekannt in Burg. Das Problem ist bekannt und es wird einfach trotzdem. Trotzdem feiert man dort in diesem Ort."

"Ich bin vom ARD-Fernsehen, haben sie ne kurze Minute?"

Wir versuchen mit den Verantwortlichen des Deutschen Hauses ins Gespräch zu kommen.

Mann

Mach die Kamera aus oder ich trete Dir in den Arsch, das meine ich ernst."

"Ich kann sie leider nicht verstehen."

"Mach die Kamera aus. Ich meine es ernst. Mach das Ding weg, nimms runter."

"Aber warum denn?"

"Hey dann nimms runter."

"Ja, ist ja okay. Hey, ganz ruhig."

"Mach das Ding aus."

"Es ist aus. Wir wollen doch nur kurz mit ihnen sprechen."

"Mach das Scheiss Ding runter. Ich schlag Dir in die Fresse. Ich meins ernst. Ihr kriegt alle paar ins Maul."

Auch die Eisdiele direkt gegenüber der Oberschule Burg gehört zu Daniel G. Und auch hier zeigt man uns schnell, dass wir unerwünscht sind.

"Außerdem, sag ich mal, ist es die Presse, die hier immer wieder für Unruhe sorgt im Ort. Und nichts anderes. Da brauchen Sie gar nicht so zu gucken. Sie sind nicht von hier. Und das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Seien Sie sehr vorsichtig, was Sie hier in diesem Ort sagen und tun.

Kontraste

"Was soll das jetzt sein? Eine Drohung, oder?"

Gast

"Das war keine Drohung. Das war ein Hinweis."

Daniel G. konnte sich als Unternehmer etablieren. Neben der Gaststätte Deutsches Haus und der Eisdiele ist er auch an einem Reinigungsunternehmen beteiligt. Außerdem ist er als Eventveranstalter in Cottbus angemeldet.

Wirtschaftlich etablierte Rechtsextremisten – der Leiter des brandenburgischen Verfassungsschutzes sieht darin eine Besonderheit der Region:

Jörg Müller, Leiter Verfassungsschutz Brandenburg

"Das macht vielleicht die dortige Region oder den Bereich des Rechtsextremismus auch aus. Dass man es geschafft hat, in der Mitte der Gesellschaft schon Fuß zu fassen und nicht mehr geächtet zu sein, sondern auch so Sätze erzählt wie: Das ist einer von uns, der ist doch ein erfolgreicher Koch, oder ist doch einer, der betreibt ein Café, und schau Dir den doch mal an, der sieht doch ganz adrett und ganz nett aus und kann ganz gut reden. Das ist das Vordringen in die Mitte der Gesellschaft. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, um vielleicht auch kriminell erfolgreich zu sein, aber auf jeden Fall, um seine Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Das nennen wir Entgrenzung von Rechtsextremismus."

Es ist wohl auch ein Erbe der Nachwendezeit, dass rechtsextreme Einstellungen und Strukturen in der Region so gedeihen konnten.

"Bullenschweine, Bullenschweine"

Schon damals war die Gegend ein Schwerpunkt rechter Gewalt. 1992 attackierten Jugendliche tagelang das Cottbusser Asylbewerberheim.

Die Szene sammelte sich in der später verbotenen Nazi-Partei "Deutsche Alternative". Sie hatte im Raum Cottbus ihre Hochburg, wie der damalige Vorsitzende stolz erzählte.

Frank Hübner, Vorsitzender Deutsche Alternative

"Die Mauer wurde geöffnet und so. Wir sind sofort rübergefahren, haben Kontakte geknüpft zu den alten Kameraden von früher. Haben angefangen, die DA-Ortsgruppe Cottbus zu gründen mit sechs Mann. Sind mittlerweile auf 140 Parteimitglieder angewachsen. Sympathisantenumfeld um Cottbus, also im Raum Cottbus von 500 Mann."

Monika Wagschal aus Spremberg hat diese Zeit miterlebt. Sie war 25 Jahre lang Integrationsbeauftragte in der Region Cottbus, hat gegen die rechten Umtriebe angekämpft. Und fühlte sich oft genug alleingelassen.

"Das ist ja kein sehr schickes Thema, mit dem man glänzen kann. Und an vielen Stellen wurde dann halt doch gesagt: Es ist nicht so schlimm und wir sind das nicht alleine und es sind auch die anderen."

Als Ende der 90er der Cottbusser Jugendclub Flash29 als Nazitreff für Aufsehen sorgte, kam sogar der spätere Innenminister vorbei und zeigte viel Empathie – für die Rechtsextremen.

Originalton Brandenburg Aktuell 14.07.1999

"Der CDU-Landesvorsitzende Schönbohm hat sich beim Besuch des Jugendclubs Flash 29 im Cottbuser Stadtteil Sachsendorf dafür ausgesprochen, die rechts gerichteten Jugendlichen nicht auszugrenzen. Nach dem Gespräch sagte Schönbohm, dass das Publikum im Club nicht ideologisch verblendet sei."

Verharmlosung statt offensiver Auseinandersetzung.

"Da hätte ich mir schon gewünscht, dass mehr Leute gesagt haben: Ja, wir haben ein Problem, aber wir packen es an und wollen es weghaben.

Kontraste

"Ich habe in den Gesprächen hier oft gehört, dass diejenigen, die das Problem ansprechen, als Nestbeschmutzer gelten."

Monika Wagschal

"Natürlich, es ist so! Es ist nicht so, dass sie die meiste Unterstützung bekommen."

Die jungen Leute von damals stehen heute mitten in der Gesellschaft. Einer der für einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim verurteilt wurde, betreibt jetzt diesen Laden in der Spremberger Innenstadt.

Einer seiner damaligen Mittäter führt heute eine Baufirma.

Die größte Diskothek im Ort – betrieben von einem rechtsradikalen Unternehmer.

Und der örtliche Gerüstbauer hat rund um sein Anwesen Schilder mit Reichsflaggen und -symbolen aufgestellt. Ein Reichsbürger sei er aber nicht, versichert er im Gespräch – und auch nicht politisch aktiv.

Unternehmer

"Also ich bin nicht rechts, nicht links und nicht geradeaus."

Kontraste

"Darf ich fragen Was da für ein Adler auf dem Ärmel ist von ihrem T-Shirt? Oder ist es gar kein Adler? Sehe ich das falsch?"

Unternehmer

"Das ist kein Adler von der Sache her."

Kontraste

"Sondern?"

Unternehmer

"Das ist praktisch nur ein Firmenlogo von früher, ein älteres. "

Kontraste

"Aber es hat jetzt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Reichsadler, oder?"

Unternehmer

"Ja aber kein Dings, keine verbotenen Sachen drauf."

Kontraste

"Nein, das nicht. Das stimmt. Das Hakenkreuz fehlt."

Unternehmer

"Richtig."

Ein Netzwerk aber, zu dem auch Daniel G. vom Deutschen Haus gehören soll, ist in der Region besonders präsent. Die Mitglieder nennen sich selbst "Kampfgemeinschaft Cottbus". In den sozialen Medien inszeniert sich die Vereinigung martialisch und kampfbereit.

Jörg Müller, Leiter Verfassungsschutz Brandenburg

"Der Verfassungsschutz Brandenburg beschreibt das vor allen Dingen in und um Cottbus ja als so genanntes toxisches Gebilde. Das ist ja unsere Beschreibung dafür, dass da was Besonderes sich geschaffen hat. Das ist die Verbindung aus alten Rechtsextremisten, aus neuen Rechten, aus Türstehermilieu, aus Hooligans, Kampfsport, Gewerbetreibenden. Und das eben mit einer Verbindung, die wir in Brandenburg ganz sicher einzigartig vorfinden aber auch deutschlandweit so häufig nicht vorfinden werden."

Und die Szene breitet sich weiter aus: Restaurants, Bekleidungsläden, sogar eine Firma, die Überlebens-Trainings anbietet, ist dem Umfeld der Szene zurechenbar. Ein Bereich wird jetzt schon weitestgehend vom rechtsextremen Milieu kontrolliert: Private Sicherheitsfirmen und Türsteher.

Kaum jemand kennt dieses Milieu so gut wie Sebastian Schiller. Seit Jahren recherchiert unser rbb-Kollege zum Rechtsextremismus in der Region.

Sebastian Schiller

"Wenn man in Cottbus und Umgebung eine Veranstaltung macht und dafür einen Sicherheitsdienst braucht, ist es unglaublich schwierig, einen zu finden, der nicht auch nur annähernd Verbindungen in diese Szene hat. Da passiert es schon des Öfteren mal, dass eben diese Leute beispielsweise bei großen Veranstaltungen den Sicherheitsdienst stellen. Und wenn ich die gefragt habe, warum lasst ihr das denn zu? Gerade bei linken Studentenclubs beispielsweise, dann war eben die Ansage: Na ja, es gibt halt zwei Möglichkeiten. Entweder Hells Angels oder Rechtsextreme oder teilweise eben in Personalunion. Andere gibt es hier nicht. Also Pest oder Cholera."

In Cottbus entdecken wir dieses Fahrzeug einer privaten Sicherheitsfirma aus dem Umfeld der Kampfgemeinschaft.

Hier zu sehen eine weitere Firma: sie wirbt im Netz unter anderem mit Revier- und Streifendiensten. Ihr Betreiber ist ein Geschäftspartner von Daniel G.

Auf seinen Urlaubsvideos bei Instagram sind seine Tattoos zu erkennen – hier zu sehen: ein NS-Soldat.

Seit Jahren ermittelt die Polizei im Umfeld der Kampfgemeinschaft. Sie geht davon aus, dass sich in der Cottbuser Neonaziszene legale und illegale Geschäftsbereiche vermischen.

Ines Filohn, Polizeidirektion Süd

"Ja, das hat natürlich eine immense Bedeutung. Die Türsteherszene, zum einen wird damit sehr sehr viel Geld verdient. Ganz legal, aber natürlich auch wenn man dann ein bisschen tiefer guckt, auch vielleicht in den Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, dass sehr wohl da auch Einfluss genommen wird, wo was vertickt wird."

Kontraste

"Drogen?"

Ines Filohn, Polizeidirektion Süd

"Drogen."

Auch das Neonazi-Bekleidungslabel Black Legion rechnen die Behörden der Kampfgemeinschaft zu. Im Netz finden wir solche PR-Videos.

In diesem Video huldigt Black Legion offen den Schlägertruppen der nationalsozialistischen SA.

Gerade in dem marxistisch besetzten Cottbus war der Kampf besonders schwer und verlangte viel von der noch recht kleinen SA. In vielen Saalschlachten mussten sich die Männer im Braunhemd durchsetzen.

Wie aggressiv diese Szene ist, erleben wir in Burg. Wir drehen erneut vor dem Deutschen Haus, befinden uns auf öffentlichem Grund. Doch einem Mitarbeiter der Gaststätte ist das offensichtlich nicht recht.

Bei dem Mann handelt es sich um Andy S., er ist einschlägig bekannt. Mehrfach prangte er auf Plakaten diverser Kampfsportevents, auch ihn rechnen die Behörden der Kampfgemeinschaft Cottbus zu.

Andy S

"Entschuldigung, können Sie es bitte unterlassen unsere Gäste zu filmen?"

Kontraste

"Wir filmen keine Gäste von Ihnen. Wir filmen das Haus. Ich glaube nicht, dass Sie mir hier Vorschriften machen, was ich zu tun habe."

Andy S

"Doch kann ich."

Kontraste

"Nein, können Sie nicht."

Andy S

"Doch, kann ich, wie man es ja gerade sieht."

Wie weit die Pressefreiheit reicht, bestimmen in Burg offenbar die Rechtsradikalen vom Deutschen Haus.

Der Einfluss der Cottbuser Kampfsportler reicht bis über die Landesgrenzen. Ungarn Anfang Mai: Hier findet ein rechtsextremistisches Kampfsportevent statt: Das Cottbusser Label Black Legion stellt einen Stand. Dort identifizieren wir auch Daniel G., den Betreiber des Deutschen Hauses.

Die Gewaltbereitschaft der Szene – sie ist auch auf den Straßen Südbrandenburgs zu spüren.

Ines Filohn, Polizeidirektion Süd

"Das kann eine gefährliche Körperverletzung sein. Das ist die Art und Weise, wie ich jemand anderen misshandle. Ob das mit Gegenständen ist, mit Waffen ist. Oftmals landen dann die Personen, die da geschädigt sind auch im Krankenhaus, mit schwerwiegenden Folgen. Das kann ein Totschlag, ein versuchter sein."

Beispiel Spremberg: In einer Diskothek im Untergeschoss des City-Centers kommt es am Neujahrsmorgen 2017 zu einem brutalen Angriff. Kontraste liegen Überwachungsvideos aus dem Inneren vor. Gegen Viertel nach Drei reißt ein Mann einen afghanischen Asylbewerber zu Boden und tritt auf ihn ein. Auch als sein Opfer bereits wehrlos ist, stampft der Täter noch mit voller Wucht auf den Kopf des Afghanen, der bewusstlos und mit zweifachem Kieferbruch zurückbleibt.

Später wird der Angreifer behaupten, das Opfer habe zuvor seine Freundin belästigt.

Der Täter ist Rocco W. - ein bekannter Rechtsextremist mit Hakenkreuz-Tätowierung auf dem rechten Oberarm. Auch ihn ordnen die Behörden der "Kampfgemeinschaft Cottbus" zu. Sein ehemaliges Facebook-Profil zeigt ihn in einer Foto-Montage: mit gestrecktem Mittelfinger vor den Toren des Vernichtungslagers Auschwitz, gekleidet in ein Black-Legion-T-Shirt.

Ganze fünfeinhalb Jahre dauert es, bis Rocco W. endlich vor dem Landgericht Cottbus steht – und dort Milde erfährt.

Anne Brügmann vom Verein Opferperspektive sagt, der rechtsextreme Hintergrund des Täters sei komplett ausgeblendet worden.

Anne Brügmann, Verein Opferperspektive

"Der hat eine zweijährige Haftstrafe bekommen, ausgesetzt auf Bewährung. Da wurden überhaupt gar nicht die Tathintergründe ermittelt, sondern genau genommen hat sich das Gericht massiv geweigert, das auch nur in irgendeiner Weise in Betracht zu ziehen, dass das wichtig sein könnte für diesen, für diesen Angriff."

Auf Anfrage schreibt uns das Gericht, die zuständige Kammer habe

"die Möglichkeit eines rassistischen Tatmotivs in Betracht gezogen, aber ein solches nicht feststellen können."

Kein Rassismus zu erkennen, wenn ein Mann mit seiner Gesinnung einen Asylbewerber brutal zusammenschlägt.

Strafmildernd für Rocco W. dagegen werteten die Richter, dass er bei der Tat stark betrunken war – und dass das Verfahren so lange gedauert hatte.

Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben. Das Cottbusser Gericht habe diese mildernden Umstände unzulässig stark gewichtet.

Rocco W. ist weiter auf freiem Fuß. Einen Termin für die Neuverhandlung gibt es noch nicht – sechseinhalb Jahre nach seiner Tat.

Das sei keine Seltenheit bei Verfahren gegen rechte Gewalttäter, sagt Anne Brügmann:

"Im Moment kommen noch Angriffe vor Gericht, die 2016 passiert sind. Und das ist natürlich ein riesiges Problem. Also eigentlich kann man sagen, dass im Raum Cottbus de facto eine Straffreiheit oder sehr, sehr milde Strafe für rechte Gewalttäter gibt und wir ja, also sämtliche generalpräventive Wirkung oder was man sich da irgendwie von Gerichtsverfahren erhoffen könnte, eigentlich nicht stattfindet."

Im Januar 2018 wird am Rande einer Zukunft-Heimat-Kundgebung eine Journalistin von einem Cottbusser Hooligan angegriffen – bis heute gab es keine Gerichtsverhandlung.

Ebenso wenig zur Attacke auf drei Asylbewerber in diesem Heim in Cottbus an Silvester 2018.

Anne Brügmann, Verein Opferperspektive

"Ne Botschaft: Wir dulden das hier nicht als Staat. Und wir haben eine absolute Priorität, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, Rassismus zu bekämpfen. Da bin ich mir sehr sicher, das kommt nicht bei Tätern im Gerichtsbezirk Cottbus an, weil man wüsste eigentlich nicht, warum die das so wahrnehmen sollten."

Und selbst Verurteilungen scheinen das nicht zu ändern.

Szenegröße Daniel G. ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung und Kreditbetrugs.

Die Sparkasse Spree-Neiße vergibt aber 2020 einen Kredit von 700.000 Euro für den Kauf des Deutschen Hauses.

Der Verfassungsschutz warnt daraufhin, die Gaststätte könnte zu einem Szene-Treff für Rechtsradikale werden.

Und tatsächlich: Im Sommer 2022 findet im Deutschen Haus ein Treffen des Jungeuropa Verlags statt – darunter sind zahlreiche Vertreter der Neuen Rechten.

Wie kann es sein, dass die Sparkasse diesen Kredit vergab?

Jörg Müller, Leiter Verfassungsschutz Brandenburg

"Das war die große Frage. Wie kann jemand 100 Prozent Finanzierung für so ein Gewerbe bekommen, obwohl er innerhalb der rechtsextremistischen Szene so verwurzelt und so bekannt ist? Die Prüfung innerhalb der Sparkasse haben nach dortigen Aussagen ergeben, dass man ihn nicht kannte und dass man sich nicht vorzuwerfen hat. Allerdings denke ich, dass ich einen Kredit zu 100 Prozent in dieser Summe nicht bekommen hätte."

Vorstand der Sparkasse Spree-Neiße ist Ulrich Lepsch. Zuvor war er jahrelang Präsident des Fußballvereins Energie Cottbus. In seiner Zeit als Energie Präsident wütete die rechtsextreme Fangemeinschaft Inferno. Über Jahre machten die Hools mit Nazi-Parolen auf sich aufmerksam.

Rbb-Journalist Sebastian Schiller berichtete immer wieder über die Missstände bei Energie

Sebastian Schiller

"Inferno Cottbus war ein Sammelbecken für Rechtsextreme, für Leute aus der Szene (… ) Und das Stadion ist auch bei vielen Leuten bekannt als ein Ort, wo eben diese Leute auch aktiv ja versucht haben, Leute an sich zu binden, also Jugend zu bekommen, Leute mit der Ideologie auch so ein bisschen anzustecken."

Immer wieder wurde damals die Vereinsspitze um Ulrich Lepsch für ihren zaghaften Umgang mit den Rechtsextremen kritisiert.

Auf unsere Fragen zur Kreditvergabe äußert sich der Sparkassenchef nicht. Auch nicht dazu, ob er Daniel G. aus seiner Zeit bei Energie Cottbus kannte.

Offiziell löste sich die Fangemeinschaft Inferno 2017 auf.

Ines Filohn, Polizeidirektion Süd

"Sie sind der Polizei zuvorgekommen mit ihrer Selbstauflösung. Aber ich sage mal, dieses Klientel ist ja nach wie vor vorhanden."

Im Stadion, aber auch in der Kampfgemeinschaft Cottbus. So wie Markus W., hier zu sehen bei einer sogenannten 20er/30er Jahre Party im Jahr 2012 – der Mann trägt SA-Uniform.

"Markus W. ist seit vielen Jahren innerhalb der Szene bekannt und verwurzelt. (…) Er gehört zu den zentralen Figuren in der Region, (…) Er hat vor vielen Jahren schon gezeigt, dass er bereit ist, für seine Ziele auch Gewalt auszuüben, eine schwere, schwere Körperverletzung mit einer Waffe durchzuführen, um auch eine gewisse Hackordnung innerhalb der Szene deutlich zu machen."

Doch W. ist auch ein Unternehmer. Er steht an den Ursprüngen der Modemarke Label23. In Werbevideos präsentiert als harmlose Popkultur.

In diesem Laden wurde das Label lange Zeit verkauft. Mitten in der Cottbuser Innenstadt, zwischen Cafés und Bäckereien.

2019 ging die Polizei mit mehreren Razzien gegen die Kampfgemeinschaft vor. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Auch der Mode-Laden wurde durchsucht. Mittlerweile ist das Verfahren eingestellt. Ein Rückschlag für die Ermittler.

Jörg Müller Leiter Verfassungsschutz Brandenburg

"Wir haben es mit Menschen zu tun, die in der Lage sind, eigene Firmen aufzubauen und die auch in der Lage sind, eine gewisse Anziehungskraft für junge Menschen auszuüben. Sie fahren mit großen Fahrzeugen durch die Stadt, sie sind gut gekleidet, sie sind gebildet und sind natürlich insofern auch ein gewisses Vorbild für junge Menschen."

Das zeigt auch das aktuelle Hitlergruß-Foto aus Burg. Einer der Schüler auf dem Foto posiert auch auf Instagram - in einer Label 23-Jacke.

Gestern dann diskutiert der Kreistag Spree-Neiße über die Nazi-Umtriebe an den Schulen in der Region. Der Leiter des Schulamtes berichtet von 15 rechtsextremen Vorfällen, allein in diesem Schulhalbjahr. Alle strafrechtlich relevant.

Auch eine Schülerin aus der Burger Oberschule meldet sich zu Wort, darf sprechen.

Schülerin

"Ein großer Teil der Schüler an unserer Schule hat rechte Gedankengänge und vertritt diese. Es kann nicht sein, dass wir an einem Ort, an dem wir lernen wollen, mit Beleidigungen, Diskriminierungen und rassistischen Bemerkungen belastet werden."

Das Extremismus-Problem in der Region ist groß. Wahr ist aber auch: Immer mehr Menschen stellen sich dem offen entgegen.

Beitrag von Pune Djalilevand, Daniel Donath, Silvio Duwe, Jo Goll, Anne Grandjean, Chris Humbs, Michael Götschenberg und Markus Pohl

weitere Themen der Sendung

Logo des ARD-Politikmagazins "Kontraste"; Moderator Sascha Hingst (Quelle: rbb)
rbb

Kontraste vom 25.05.2023

+++ Hitlergruß und Hakenkreuze in der Schule – Wie sich Rechtsextreme seit Jahren in Südbrandenburg breit machen konnten +++ Moderation: Sascha Hingst

Kontraste-Logo + DGS (Quelle: rbb)

Kontraste vom 25.05.2023 (mit Gebärdensprache)

+++ Anschlag auf Nord-Stream-Pipelines: Neue Erkenntnisse +++ Rechtsextremismus: Hat der BND ein Problem? +++ Steuern für Superreiche: Wie der Staat jährlich 40 Milliarden mehr einnehmen könnte +++ Moderation: Eva-Maria Lemke