Hans-Georg Maaßen (M, CDU) gewinnt in der Wahlkreisvertreterversammlung der CDU-Kreisverbände in Südthüringen die Abstimmung und gibt anschließend ein Interview. Bild: Michael Reichel/dpa
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Ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes - Die Radikalisierung des Hans-Georg Maaßen

Der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen gerät zunehmend unter Druck: Kürzlich warf ihm der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung eine Relativierung des Holocaust vor, nun distanzierte sich sogar die CDU-Spitze von ihm. Generalsekretär Mario Czaja twitterte, dass Maaßen für die Partei zunehmend zur Belastung geworden sei. Er gebrauche immer wieder die "Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen". Gegenüber Kontraste meldet sich nun auch der Präsident des Zentralrats der Juden in der Causa Maaßen zu Wort.

Anmoderation: Und jetzt zu ihm: Hans-Georg Maaßen, Ex-Verfassungsschutzpräsident und Rechtsaußen der CDU. Es ist noch nicht lang her, da zog er für die Partei als Direktkandidat in den Bundestagswahlkampf. Provoziert hat er schon immer gern, in letzter Zeit aber werden seine Äußerungen immer radikaler: Maaßen benutzt das Wort "Rassenlehre", als hätte es keinen mörderisch-historischen Kontext und teilt Verschwörungstheorien auf Twitter. Für die CDU verkörpert er alles, was sie gerade nicht gebrauchen kann – aber Maaßen klammert sich regelrecht an sein Parteibuch. Denn längst rücken andere sehr viel entschiedener von ihm ab ...

Es wird eng für Hans-Georg Maaßen – inzwischen wendet sich auch die eigene Partei vom ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und CDU-Rechtsaußen ab. Öffentlich fordern Teile der Parteispitze ihn nun auf, die Union zu verlassen.

Auch der Generalsekretär der Berliner CDU Stefan Evers findet deutliche Worte:

Stefan Evers, Generalsekretär CDU Berlin

"Nachdem er inzwischen ja offen von Rassenlehre, von Rassismus in einer Art und Weise fabuliert, die nichts mehr, aber auch gar nichts mit dem Wesenskern einer CDU zu tun hat, halte ich persönlich, halten wir es auch für angebracht, dass jetzt ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wird."

Letzter Stein des Anstoßes war ein Interview mit Maaßen auf dem Blog des Autors Alexander Wallasch, in dem Maaßen einen angeblichen Rassismus gegen Weiße beklagt:

Zitat Hans-Georg Maaßen

"Dieses Denken ist Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse."

Doch das ist nur die jüngste Entgleisung des ehemaligen obersten Verfassungsschützers.

In den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde er, nachdem er von linksradikalen Kräften in der SPD gesprochen und eine rechte Hetzjagd in Chemnitz geleugnet hatte.

Immer wieder fiel er mit kruden Äußerungen auf, verbreitete reihenweise Beiträge rechter Blogs, traf das vom Verfassungsschutz beobachtete Magazin Compact.

Im neu-rechten Magazin "Cato" prangerte Maaßen schon vor zwei Jahren ominöse "Wirtschaftsglobalisten" an – ein Begriff, der in rechtsextremen Kreisen als antisemitischer Code genutzt wird. Er beschwört dunkle Mächte, die im Hintergrund angeblich die Fäden zögen.

Maaßen scheue sich nicht davor, rassistische Überzeugungen zu formulieren, sagt Professor Doron Kiesel, Direktor der Jüdischen Akademie des Zentralrats der Juden.

Doron Kiesel, Direktor der Jüdischen Akademie des Zentralrats der Juden

"Wenn wir auf die Sprachspiele, auf die Wahl seiner Worte, auf die Bilder, die er benutzt, uns einlassen und diese untersuchen, dann können wir sehr wohl feststellen, dass das Vokabular, das er benutzt, eines ist, was eine sehr braune, sprich nationalsozialistische Tradition aufweist."

Gegenüber Kontraste begrüßt nun auch der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster, dass sich die CDU endlich intensiv mit einem Ausschluss Maaßens zu befassen scheine.

Zitat Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden

"Jemand, der sich derart in verschwörungsideologischen und antisemitischen Gefilden auch noch wohlzufühlen scheint, steht einer demokratischen Partei nicht gut zu Gesicht."

Kontraste will Maaßen kein Interview geben. Stattdessen spricht er mit dem Lokalsender "TV Berlin" – in der Talkshow des ehemaligen Berliner CDU-Vorsitzenden Frank Henkel.

Hans-Georg Maaßen, CDU, ehem. Verfassungsschutzpräsident

"Vonseiten der CDU wird derzeit mir vorgeworfen, ich hätte mich nicht passend geäußert, ich hätte mich rassistisch geäußert, ich würde im Völkischen fischen. Ich hätte mich auch antisemitisch geäußert. Das sind Vorwürfe, die an den Haaren herbeigezogen sind. Und wo man auch sagen muss: Die CDU, wenn sie sich diese Vorwürfe aus dem linken Bereich zu eigen macht, ist sehr, sehr schlecht beraten."

Kontraste

"Herr Maaßen beklagt, es gebe eine Schmutzkampagne der politischen Linken. Sind Sie ein Teil dieser Linken?"

Stefan Evers, Generalsekretär CDU Berlin

"Wenn ich die Vorwürfe so lese, die mir regelmäßig bei Twitter gemacht werden, dann bin ich offensichtlich linksgrünversifft. Da ich aber von anderer politischer Seite regelmäßig das Gegenteil höre, bin ich offensichtlich in der politischen Mitte ganz gut aufgehoben."

Hans-Georg Maaßen: Bisher ist er immer davongekommen – die CDU in Südthüringen hatte ihn sogar als Kandidaten für die Bundestagswahl aufgestellt.

Hans-Georg Maaßen, CDU, ehem. Verfassungsschutzpräsident

"Danke für Ihre Aufmerksamkeit!"

Doch nun ist seine Radikalisierung offenbar so weit fortgeschritten, dass er bis weit ins konservative Lager Ablehnung erfährt.

Auch der renommierte C.H.-Beck-Verlag wollte Mitte Januar die Zusammenarbeit mit ihm beenden. Maaßen kam seinem Rauswurf zuvor und kündigte selbst.

C.H.Beck verlegt Kommentare zum Grundgesetz, auch Maaßen war daran beteiligt. Mehrere Medien hatten darüber kritisch berichtet – darunter der Journalist Patrick Bahners von der FAZ.

Patrick Bahners, Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Diese Kommentare im Beck-Verlag, ja, die haben schon so einen gewissen symbolischen Wert auch. […] Da ist auch ein solcher Verlag nach seinem eigenen Selbstverständnis eine Institution, die auch an der Pflege der Verfassungskultur mitwirkt. Und das ist eben nach Meinung vieler Juristen und auch vieler Autoren eben des Verlags, das wäre eben mit Hans-Georg Maaßen als Autor nicht mehr so gut möglich gewesen."

Nach Kontraste-Recherchen führte offenbar erst ein Aufstand in der Belegschaft dazu, dass C.H.Beck die Trennung einleitete.

Mitarbeitende wandten sich an die Leitung des Hauses. Rund einhundert Personen setzten ihre Namen unter dieses Schreiben. Sie fürchteten um den Ruf des altehrwürdigen Verlags, und, was bemerkenswert ist: um ihre eigene berufliche Zukunft.

Zitat: "Es wird von Kolleginnen und Kollegen zum Teil angezweifelt, ob es für künftige Bewerbungen förderlich ist, wenn der Verlag C.H.Beck im Lebenslauf erwähnt wird."

Zitat: "Ist die Verlagsleitung weiterhin der Ansicht, dass die unseriösen rassistischen Äußerungen von Hans-Georg Maaßen in den Sozialen Medien rein privater Natur sind, wenn der Verlag dort explizit von ihm mit genannt wird?"

C.H.Beck teilt mit, man arbeite ausschließlich mit Autoren zusammen, die "auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen". Die Frage, ob auch Maaßen auf diesem Bodem stehe, wollte der Verlag Kontraste nicht beantworten.

Maaßen selbst übrigens bezeichnet sich (auf Twitter) als Antifaschist!

Beitrag von Silvio Duwe und Daniel Laufer

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+++ "Königreich Deutschland": Auf Expansions-Kurs +++ Die Kohle unter Lützerath - was steckt hinter dem Deal mit RWE? +++ Die Radikalisierung des Hans-Georg Maaßen +++ Moderation: Eva-Maria Lemke