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Kreis der Beschuldigten im Lunapharm-Skandal wächst - Durchsuchungen in Deutschland und der Schweiz

Der Skandal um gestohlene und möglicherweise nicht wirksame Krebsmedikamente weitet sich immer mehr aus: In Deutschland und der Schweiz gab es Durchsuchungen, die Zahl der Beschuldigten wächst. Und neue Spuren deuten auf ein internationales Netzwerk hin.

Die Ermittlungen um gestohlene Krebsmedikamente weiten sich nach Informationen von Kontraste und dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" aus. So hat die Staatsanwaltschaft Potsdam im Rahmen des Ermittlungsverfahrens am Mittwoch elf Wohn- und Geschäftsräume in sechs Orten in Hessen durchsuchen lassen. Es geht dabei um den Handel mit in Griechenland gestohlenen und womöglich nicht mehr wirksamen Krebsmedikamenten durch die Firma Lunapharm.

Bei den Durchsuchungsmaßnahmen waren Potsdamer Staatsanwälte vor Ort. Umfangreiche Akten und Datenträger wurden sichergestellt, - jedoch keine Medikamente. Objekte in Darmstadt, Dreieich, Offenbach, Schlangenbad, Bad Homburg und Wiesbaden wurden durchsucht.

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Die Zahl der Beschuldigten in dem Verfahren wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Hehlerei und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz wurde von zwei auf sieben erweitert. Die fünf neuen Beschuldigten im Alter von 29 bis 67 Jahren sind Geschäftspartner von Lunapharm – dies bestätigte dies Staatsanwaltschaft Potsdam Kontraste und dem "Spiegel" auf Anfrage.

Rheingold Pharma-Medica in Wiesbaden im Fokus

In Wiesbaden wurde unter anderem die dort ansässige Rheingold Pharma-Medica Deutschland Ltd. unter die Lupe genommen, die nach Informationen von Kontraste genau wie Lunapharm von einer griechischen Apotheke illegal beschaffte Krebsmedikamente bezogen haben soll. Aus griechischen Ermittlungsakten, die Kontraste exklusiv vorliegen, geht hervor, dass die Firma Rheingold Pharma-Medica Deutschland Ltd. allein 2016 für mehr als 1,4 Millionen Euro Medikamente von der griechischen Apotheke geordert hat.

Die Apotheke besaß keine Berechtigung zum Großhandel, zudem stammten die Krebsmedikamente aus dubiosen Quellen, unter anderem aus Diebstählen aus griechischen Krankenhausapotheken.

Einer der Hauptbeschuldigten in dem Verfahren ist der 70-jährige Deutsch-Ägypter Mohamed Deyab Hussein, dem nach Kontraste-Informationen die griechische Apotheke gehört und der auch hinter Rheingold Pharma-Medica Deutschland Ltd. stehen soll. So zahlte Lunapharm Rechnungen für Medikamente aus der griechischen Apotheke an Rheingold Pharma-Medica sowie auch direkt an Deyab Hussein.

Weitere Spuren nach Italien und in die Niederlande

Unterdessen wurden am Donnerstag nach gemeinsamen Recherchen von Kontraste, der Sendung "10vor10" des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) in den frühen Morgenstunden auch im Schweizer Kanton Zug Geschäftsräume des Pharmagroßhändlers Hadicon AG durchsucht. Die Durchsuchungen wurden von der Schweizer Arzneimittelaufsicht Swissmedic, die über Strafverfolgungskompetenzen verfügt, geleitet. Dabei wurde ebenfalls umfangreiches Aktenmaterial sichergestellt.

Auch die Hadicon AG unterhielt nach Informationen von Kontraste Geschäftsbeziehungen mit der griechischen Apotheke. Allein 2014 orderte das Unternehmen laut den griechischen Ermittlungsakten für knapp 1,7 Millionen Euro Medikamente von dort. Die Firma, die von einem Deutschen geleitet wird, war 2012 schon einmal in den Schlagzeilen, als sie in den Handel mit gefälschten Krebsmedikamenten verwickelt war. Ein strafbares Verhalten konnte damals jedoch nicht nachgewiesen werden.

Aus Abhörprotokollen griechischer Ermittler geht hervor, dass der Deutsch-Ägypter Deyab Hussein sich mit einem Mitarbeiter der Hadicon AG über den Medikamentenhandel beriet und dabei einen Verantwortlichen der Hadicon AG als den "König des Großhandels" titulierte.

Schweizer Firma betont, nicht illegal gehandelt zu haben

Auf Anfrage erklärte die Hadicon AG gegenüber dem SRF, man verwahre sich gegen den Vorwurf, unlauter oder gar illegal gehandelt zu haben. Zudem erklärte die Firma, man unterhalte seit Anfang 2016 keinerlei Geschäftsbeziehungen mehr zur betreffenden Apotheke in Griechenland „in Zusammenhang mit griechischen Medikamenten“. Ob die Hadicon AG danach jedoch im Zusammenhang mit anderen Medikamenten noch mit der Apotheke in geschäftlichem Kontakt stand ließ das Unternehmen offen. Informationen aus griechischen Ermittlungsakten legen zudem Nahe, dass Hadicon noch im März 2018 mit der griechischen Apotheke gehandelt hat. Zu der Apotheke erklärte Hadicon: „Diese Apotheke besass eine vom griechischen Staat ordnungsgemäss ausgestellte Bewilligung für Pharmagrosshandel und war damals einer der Lieferanten von Hadicon.“ Diese Aussage ist nach Informationen von Kontraste falsch – griechische Apotheken dürfen laut der griechischen Arzneimittelaufsicht EOF grundsätzlich nicht als Großhändler auftreten.

Weitere Spuren in dem Fall um die gestohlenen Krebsmedikamente führen in die Niederlande und nach Italien. Damit deutet sich der Verdacht eines kriminellen und international tätigen Netzwerks von Medikamentenhändlern an, das illegal beschaffte und aufgrund von falscher Lagerung womöglich unwirksame Krebsmedikamente mit hohen Gewinnen in Europa in Umlauf brachte.

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