Scheinheilige Versprechen - Wer zahlt die Zeche beim Kaiser's Tengelmann-Deal?

Altbundeskanzler Schröder soll es nun richten: er wird zwischen Edeka, Kaiser's Tengelmann und REWE vermitteln. Auch Verdi macht Druck auf die Unternehmen. MARKANT und NORMA haben ihren Widerstand gegen eine Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch EDEKA schon aufgegeben. Das große Ziel: Tausende Arbeitsplätze sollen gerettet werden. Für Branchenkenner ein scheinheiliges Versprechen: Wenn die Arbeitplätze bei Kaiser's Tengelmann erhalten werden, dann drohen bei anderen Einzelhändlern Entlassungen, und die Zulieferer geraten weiter unter Druck.

Anmoderation: Sie habens vielleicht schon gehört: Auch heute noch kein Ergebnis: Die Schlichtungs-verhandlungen zur Zukunft der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann sind vertagt worden. Altkanzler Schröder muss sich als Schlichter weiter um Einigung bemühen. Die Erwartungen sind hoch: Ein Zusammenschluss zwischen Edeka und Kaisers Tegelmann, auf Grundlage der sogenannte Ministererlaubnis, soll tausende Arbeitsplätze retten. Doch genau dieser Plan  könnte sich als bitterer Trugschluss erweisen! Susanne Katharina Opalka und Norbert Siegmund zeigen, warum.

Kaiser's Tengelmann, Supermarktkette mit Wurzeln in der Kaiserzeit – der Eigentümer, das Familienunternehmen Haub, gibt sich sozial verantwortlich: Haub zahlt Tariflöhne: Doch Kaiser’s Tengelmann schreibt über Jahre rote Zahlen. Deshalb versucht Haub 2014, die eigentlich unverkäufliche Supermarkt-Kette abzustoßen:

Karl-Erivan Haub, Eigentümer Kaiser's Tengelmann (7.10.2014)
"Es gibt Tränen. Es gibt große Betroffenheit, eine gewisse Leere. Ich hab´s für mich persönlich fast wie eine Beerdigung empfunden."

Haub verspricht seinen Mitarbeitern schon damals schriftlich eine - wie es heißt - "höchstmögliche Zahl an Arbeitsplätzen zu erhalten". Deshalb verkaufe er an ein Unternehmen mit Zukunftsperspektive. Der Patriarch verspricht eine Traumhochzeit mit dem Giganten im Lebensmitteleinzelhandel - mit Edeka

EDEKA-Werbespot "SuperGeil"

Der Deal

Edeka, mit über 50 Milliarden Euro Umsatz im Jahr ein Riese mit Marktmacht, deutlich vor dem Konkurrenten REWE. Kaiser's Tengelmann dagegen ein Zwerg. Doch wenn der Riese den Zwerg schluckt, wächst die Macht von Marktführer Edeka weiter – mit Risiken für Verbraucher, Konkurrenten und Zulieferer – so die Monopolkommission. Deshalb untersagt das Bundeskartellamt im Frühjahr 2015 den Deal, wird aber vom Wirtschaftsminister überstimmt, nachdem der insgeheim Kaiser's-Chef Haub und Edeka-Chef Mosa getroffen hatte. Kungelei mit den Bossen? Im Dienste des Gemeinwohls, behauptet der Minister.

Sigmar Gabriel, SPD, Bundeswirtschaftsminister
"Wir sichern für knapp 16-tausend Menschen für 7 Jahre ihren Arbeitsplatz. Es geht um Menschen, die jedenfalls nicht zu den Gutverdienenden gehören."

EDEKA-Werbespot "SuperGeil"

Gar nicht geil, weil eben nicht im Sinne des Gemeinwohls, findet die Ministererlaubnis der damalige Chef der Monopolkommission. Er tritt aus Protest zurück – auch weil er Risiken für die Verbraucher sieht

Daniel Zimmer, ehem. Vorsitzender der Monopolkommission

"Zum Gemeinwohl zählt für mich auch der Wettbewerb, ja, also das Interesse der Bürger, Auswahl zu haben, zwischen mehreren Anbietern wählen zu können, auch nicht Monopolpreisen ausgesetzt zu sein."

Nachteile für die Allgemeinheit, die für sichere Arbeitsplätze im Kauf genommen werden müssen, wie Gabriel meint? Wettbewerbshüter halten das für ein leeres Versprechen:

Daniel Zimmer, ehem. Vorsitzender der Monopolkommission
"Die Monopolkommission ist auch zu dem Schluss gekommen, dass wenn hier bestimmte Arbeitsplätze geschützt werden, das im Zweifel zulasten anderer Arbeitsplätze geht."

Auch deshalb fürchtet die Konkurrenz um ihre Pfründe. REWE, Norma und Markant klagen gegen die Ministererlaubnis. Daraufhin stoppt das Oberlandesgericht Düsseldorf den Deal. Auch die Richter bezweifeln die vom Minister versprochene Arbeitsplatzsicherheit – und damit Gabriels Behauptung, der Verkauf an Edeka diene  dem Gemeinwohl. Selbst gewerkschaftsnahe Wirtschaftswissenschaftler misstrauen den Versprechungen des Ministers.

Heinz-Josef Bontrup, Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

"Es hat noch nie funktioniert in marktwirtschaftlichen Ordnungen, dass Unternehmen, die über einen langen Zeitraum Verluste erzielen, dass man die ohne Personalabbau, dass man die retten kann, und das wird bei Kaiser's-Tengelmann nicht anders sein, da wird's keine Ausnahme geben. Insofern ist der Ansatz von Gabriel, er mag moralisch ehrenwert sein, aber ökonomisch trägt er nicht, ist er völlig irrational."

Denn schon jetzt tobt der Verdrängungskampf -  wie hier in einem Berliner Einkaufzentrum. Treppauf: Edeka. Und gleichneben an Treppab: Kaiser's Tengelmann. Nach der Fusion würden sich hier zwei Edeka-Märkte Konkurrenz machen. Kein Einzelfall.

Der Markt

Bundesweit 446 Kaiser's Tengelmann-Filialen sollen im Paket verkauft werden, knapp ein Viertel davon in Nordrhein-Westfalen. Dort sei in mittlerweile 6 Städten – so die Wettbewerbshüter  - ein "effektiver Wettbewerb erheblich behindert." Am Beispiel Essen zeigt sich warum: Hier herrscht die wohl höchste Pro-Kopf-Dichte an Lebensmittel-Märkten in Europa. Viele sind Discounter. Bei echten Supermärkten mit Vollsortiment dominiert hier Edeka die Konkurrenz schon jetzt. Nach der Fusion mit Kaiser's Tengelmann wäre Edeka übermächtig – auf Kosten der Kunden, die mit weniger Auswahl und höheren Preise rechnen müssen.

Heinz-Josef Bontrup, Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

"Am Ende wird das ein böses Erwachen geben für uns alle Verbraucher, da werden dann vielleicht noch 3 überbleiben und die diktieren uns dann die Preise und sie diktieren uns vor allem das Sortiment am Ende des Tages sozusagen, was wir dann noch essen dürfen."

Die Mitarbeiter

Die Zeche zahlen langfristig aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Edeka und ehemals Kaiser's Tengelmann. Die sind dann zwar Kollegen – aber zugleich auch Konkurrenten.

Daniel Zimmer, ehem. Vorsitzender der Monopolkommission

"Dann kann sich der Eigentümer, der dann zwei Filialen nebeneinander hat, ausrechnen, was für ihn besser ist, aus zwei Geschäften zu verkaufen oder an denselben Kundenkreis aus einem, aus einer Filiale zu verkaufen, und wenn man ähnlich viele Kunden aus der einen Filiale heraus bedienen kann, dann bestehen Anreize, eine von beiden zu schließen."

Heinz-Josef Bontrup, Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

"Das ist der Verdrängungswettbewerb, der Vernichtungskampf, so muss man fast sagen, im Lebensmitteleinzelhandel. Edeka macht dies aus Profitgründen, übernimmt dieses Unternehmen nicht, um als Gutmensch dazustehen, um den Menschen, die dort durch Fusion rübergezogen werden, um denen langfristig eine Arbeit zu sichern. Das wird Edeka nicht machen."

Der Bundesminister

Nun hat Sigmar Gabriel den Konkurrenten REWE mit an den Tisch gelassen– und einen Schlichter beauftragt: ausgerechnet Gerhard Schröder. Der hatte als Kanzler schon einmal ein Rettungspaket für einen Baukonzern geschnürt. Trotzdem verloren Tausende ihres Jobs.

Abmoderation: Wir verfolgen, wie es weitergeht. Am Montag werden die Schlichtungsverhandlungen fortgesetzt.

Beitrag von Norbert Siegmund und Susanne Opalka