- Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn - Beamte kontra Angestellte

In vielen deutschen Lehrerzimmern ist diese Situation Alltag: Der eine Lehrer ist Beamter, der andere Angestellter. Der Beamte verdient bei gleichen Voraussetzungen netto viel mehr als sein Kollege. Das sorgt für Unfrieden in Belegschaften. Doch der Staat hat mit den Beamten ein ganz anderes Problem: Auf seine Kassen rollt eine gewaltige Pensionslawine zu.

Aber derart vorausschauend zu denken und zu handeln, ist in der Politik leider eher die Ausnahme - das zeigt auch ein anderes wichtiges Thema, das die Politiker bisher offenbar verdrängt haben: Schon in wenigen Jahren, so zeigen unsere Recherchen, wird ein ungeheures Finanzproblem auf uns zu kommen - die Pensionslasten für das große Heer der Beamten. Nach neuesten Berechnungen werden die Belastungen für uns alle noch viel grösser sein, als befürchtet. Detlef Schwarzer mit Hintergründen.

Seit knapp zwanzig Jahren fährt Jochen Bauer, 51, diesen Weg zu seiner Arbeit. Er ist Lehrer an der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum. Er fühlt sich schlecht bezahlt und das hat einen Grund: Er ist Angestellter und nicht Beamter wie viele seiner Kollegen.

Jochen Bauer, Lehrer
„Manchmal bin ich da schon ganz schön sauer. Denn wenn ich bedenke, dass ein beamteter Kollege genau die gleiche Arbeit macht wie ich, genau die gleichen Abiturprüfungen abnimmt, die gleichen Klassenfahrten abnimmt und dann so netto circa 400 Euro mehr bekommt. Ja, dann ist man schon sauer.“

Freitagmittag 6. Stunde. Jochen Bauer unterrichtet in einem Oberstufenkurs der Gesamtschule. Eine Stunde später: Lehrerwechsel. Dieselben Schüler. Den Unterricht gibt nun Ulrich Kriegesmann. Er ist 50 Jahre alt, so lange Lehrer wie Jochen Bauer und hat die gleiche Ausbildung, aber er ist Studienrat, also Beamter. Und erhält deshalb netto viel mehr als sein angestellter Kollege.

Jochen Bauer ist ledig, bekommt ein Bruttogehalt von 4430 Euro, muss davon aber auch Renten- und Arbeitslosenversicherung bezahlen. Netto bleiben ihm 2450 Euro. Ulrich Kriegesmann, auch ledig, hat zwar ein niedrigeres Bruttogehalt von 4100 Euro, muss aber keine Beiträge zur Renten – und Arbeitslosenversicherung bezahlen, das übernimmt komplett der Staat. Deshalb bleiben ihm netto 2841 Euro übrig - fast 400 Euro mehr.

Sogar der Beamte Ulrich Kriegesmann findet das ziemlich ungerecht.

Ulrich Kriegesmann, Studienrat
„Gleiche Arbeit, gleiches Gehalt - das gilt woanders auch. Das müsste hier eigentlich auch gelten.“

Die Lösung könnte sein, entweder den angestellten Lehrern ein wesentlich höheres Bruttogehalt zu zahlen oder die angestellten Lehrer zu verbeamten – damit alle den gleichen hohen Nettolohn bekommen. Doch vor beidem warnt der Finanzwissenschaftler und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen.

Bernd Raffelhüschen, Universität Freiburg
„Wenn alle den gleichen Lohn, alle den gleichen Beamtenlohn, mit dem gleichen Beamtenstatus hätten, und wir würden es immer so weitermachen – dann haben wir ein Problem.“

Beamte zahlen nicht für die Altersvorsorge ein. Das ist Sache des Staates. Doch der hat jahrzehntelang nichts für die Beamten-Pensionen zurückgelegt.

Eine tickende Zeitbombe. Denn eine gewaltige Menge von Beamten, die in den siebziger und achtziger Jahren großzügig eingestellt wurden, ist jetzt um die 55 Jahre alt. Eine riesige Welle, die sich auf die Pensionsgrenze zuschiebt.

Ausbaden soll das wohl mal wieder die nächste Generation.

Allein in Nordrheinwestfalen verdreifachen sich die Pensionslasten von heute 4,1 Milliarden auf 11,6 Milliarden Euro im Jahr 2050. Geld, das nicht da ist.

Finanzwissenschaftler Raffelhüschen prophezeit ein finanzielles Desaster für die Bundesländer.

Bernd Raffelhüschen, Universität Freiburg
„Wenn wir nicht innerhalb der nächsten 15 Jahre handeln, dann werden wir schlichtweg einen Haushaltsnotstand nicht nur bei einigen wenigen Bundesländern finden, sondern in der Masse der entsprechend westdeutschen Bundesländer.“

Alle Westbundesländer bald pleite? Dafür leisten sie sich noch ziemlich viele Staatsdiener.

Beamte braucht man eigentlich nur für hoheitliche Aufgaben. Polizisten etwa.
Aber wozu muss ein Schleusenwärter Beamter sein, ein Oberbetriebsgehilfe in Autobahnmeistereien, der Förster im Walde oder wie hier in Baden-Württemberg eine Landesoberstallmeisterin, die gerade in die höchste Beamtenbesoldungsgruppe befördert wurde, um die Pferde im Landesgestüt Marbach zu versorgen?

Auch den pensionierten Beamten geht es heute richtig gut. Zwar haben auch sie Einbußen hinnehmen müssen, erhalten als Beamten-Pension nicht mehr 75 Prozent, sondern nur noch 71,25 Prozent des letzten Gehalts – ein Wert, wovon Rentner aber nur träumen können. Die Durchschnittsbeamtenpension liegt heute bei 2700 Euro, die durchschnittliche Rente aber nur bei 1224 Euro. Bei den Rentnern wurde längst ein Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenformel eingebaut, der das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern abbildet. Wenn es weniger Beitragszahler gibt, können auch die Renten nicht steigen.

So müsse es auch bei den Beamten geschehen, fordert Finanzwissenschaftler Raffelhüschen, nur so lasse sich die Kostenlawine bei den Beamten-Pensionen aufhalten.

Prof. Bernd Raffelhüschen, Universität Freiburg
„Genau das brauchen wir, um im Grunde genommen das Pensionsniveau auf ein nachhaltig finanzierbares zurückzuführen, mithin wir werden auch hier eine Pensionskürzung vornehmen müssen, um die Länderhaushalte vor Insolvenz zu schützen.“

Die Pensionen müssten bis auf 64 Prozent gekürzt werden, meint Raffelhüschen. Doch diese Machtprobe mit der Beamtenlobby wagt noch keiner.

Auch im nordrheinwestfälischen Finanzministerium nicht. Das sei alles viel zu kompliziert, heißt es dort. Einfacher wäre es, noch weniger Beamte einzustellen.

Werner Brommund, Finanzministerium Nordrhein-Westfalen
„Alles das, wo ich heute Neueinstellungen unterlassen kann, schafft mir natürlich finanziell auch die Möglichkeiten, die Finanzlasten der Vergangenheit an der Stelle abzudecken.“

Im Klartext: Möglichst wenig Beamte und dafür Angestellte wie Jochen Bauer, die weniger kosten. Das hält auch Finanzwissenschaftler Raffelhüschen neben den Pensionskürzungen für unbedingt notwendig. Die billigeren angestellten Lehrer müssten nach und nach die teureren Beamten ersetzen.

Prof. Bernd Raffelhüschen, Universität Freiburg
„Nun, der Preis dafür, dass man das Richtige tut, nämlich weniger zu verbeamten, heißt, dass man im Übergang eigentlich gleiche Arbeit ungleich bezahlen muss. Das liegt in der Natur der Sache. Ich hoffe, dass wir den Mut dafür aufbringen, denn alles andere würde zukünftige Generationen belasten und zwar deutlich belasten.“

Schmerzlich aber wahr: Alle müssten Abstriche machen. Die Beamten von ihren Luxuspensionen und die angestellten Lehrer von ihren Wünschen nach einer gerechten Bezahlung.



Autor: Detlef Schwarzer