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- Hartz IV – Ungerechtigkeit bei geschontem Vermögen

Die neue Regierungskoalition, Schwarz-Gelb hat beschlossen: Hartz-IV-Empfänger können Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, in denen sie wohnen, behalten, ohne dass ihnen die Zahlungen gekürzt werden. Doch nun zeigt sich: Das ist unbezahlbar und ungerecht. Denn wer zum Beispiel zahlt einem Hartz-IV-Villenbesitzer Reparaturen an seinem Haus?

Stellen Sie sich vor: Ein Villenbesitzer, der gleichzeitig von Hartz IV lebt – ein Widerspruch in sich, sagen Sie? Die neue schwarz-gelbe Regierung sieht das anders: Sie will, dass Leistungsbezieher künftig ihre selbstgenutzten Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser jedweder Größe behalten dürfen, ohne ihre Ansprüche zu verlieren. Kann das gerecht sein? Detlef Schwarzer mit Hintergründen.

Die Villa auf Hartz IV. Im Koalitionsvertrag setzten Union und FDP auch ein Zeichen für ihre wohlhabende Klientel. Eure Immobilie ist sicher, selbst wenn ihr durch die Wirtschaftskrise arbeitslos werdet oder pleite geht und von Hartz IV leben müsst. So verkündeten es die Parteien am 14. Oktober nach den Koalitionsverhandlungen.

Ronald Pofalla (CDU), damaliger Generalsekretär
„Wir wollen, dass die Menschen, die in der Krise arbeitslos geworden sind, die Chance haben Erspartes zu erhalten.“

Jede Eigentumswohnung und jedes Einfamilienhaus, wenn man selbst darin wohnt, soll künftig vor dem Zugriff des Staates geschützt werden - egal wie groß.

Dirk Niebel (FDP), damaliger Generalsekretär
„Wir gehen davon aus, dass es ohne jede Einschränkung so sein wird.“

Ganz anders bei Mietwohnungen: Da gelten nach wie vor enge Grenzen. Wer sie überschreitet, dem wird die Mietzahlung gekürzt, oder er muss umziehen. Berlin Hohenschönhausen. Hier wohnt das Ehepaar Neumann mit ihrem 11jährigen Sohn Moritz. Sie leben von Hartz IV- nicht schlecht, aber auch nicht üppig. Ein bisschen Wohlstand konnten sie sich erhalten aus besseren Zeiten.

Ina Neumann - von Beruf Köchin - verdient noch etwas hinzu in der Gastronomie. Detlev Neumann ist Maschinenführer, seit Jahren arbeitslos, schreibt laufend Bewerbungen. Erst seit ein paar Monaten wohnen sie hier. Ihre alte Wohnung war zu teuer. Sie kostete rund 700 Euro warm. Der dreiköpfigen Familie steht aber nur ein Mietpreis von 542 Euro zu. Konsequenz: sie mussten in eine kleinere Wohnung.

Detlev Neumann, Hartz-IV-Empfänger
„Das ist jetzt auch alles viel beengter. Wir mussten eben von einer Vier- Raumwohnung in ´ne Drei-Raumwohnung umziehen. Und das heißt, wir haben jetzt im Wohnbereich praktisch Wohnbereich und Arbeitsbereich, was vorher eben auch getrennt war.“

Die Probleme wird sie nicht haben. Madeleine Schickedanz, die Quelle-Erbin. In diesem Anwesen wohnt sie. Im Falle einer Insolvenz von Arcandor, dem Mutterkonzern von Quelle, müsse sie von 600 Euro leben, bekannte sie im Sommer. Ihre stolze Immobilie aber, bliebe Frau Schickedanz nun erhalten, selbst wenn sie Hartz-IV-Empfängerin würde.

Im Berliner Sozialgericht hält man das für einen Systemfehler. Denn Immobilien sind bereits geschützt sogar bis zu einer beachtlichen Größe: Eine oder zwei Personen können eine 80 Quadratmeter Wohnung oder ein 90 Quadratmeter großes Häuschen behalten, 3 Personen eine 100 Quadratmeter-Wohnung oder ein 110 Quadratmeter großes Haus, eine 4köpfige Familie eine 120 Quadratmeter-Wohnung oder ein Haus mit 130 Quadratmetern. Die Nebenkosten zahlt der Staat, wenn sie nicht höher sind als die Warmmiete einer vergleichbaren Mietwohnung.

Was jetzt geplant ist, dafür fehlt den Richtern allerdings jedes Verständnis.

Michael Kanert, Berliner Sozialgericht
„Jetzt sollen also auch ganz große Häuser geschützt werden. Und dann ist es ja damit nicht mehr getan. Es geht ja auch darum zum Beispiel: Was ist jetzt, wenn das Dach kaputt geht? Oder wenn das jetzt ein Haus ist mit 8 Zimmern oder so, wer soll das heizen, nicht? Zahlt jetzt das Job Center die kompletten Heizungskosten, zahlt jetzt das Job Center die Dachreparatur? Das wären dann ja plötzlich jetzt Ausgaben.“

Bei so schicken Anwesen können schon mal ein paar tausend Euro Nebenkosten pro Monat zusammenkommen – das müsste dann wohl auch der Steuerzahler übernehmen.

Detlev Neumann, Hartz-IV-Empfänger
„Kann ja wohl nicht sein, dass wir wegen paar Euro umziehen müssen. Und andere Leute, da zahlt das Jobcenter vielleicht noch das Haus oder die Wohnung ab. Und dann vielleicht noch überhöhte Nebenkosten. Beim Haus fallen ja immer noch Nebenkosten an, die weitaus höher sind wie hier in einer selbstgenutzten Wohnung.“

So langsam dämmert das auch den Koalitionären. Jetzt bei der Erarbeitung eines konkreten Gesetzentwurfs merkt die FDP, was sie da vollmundig versprochen hat mit unübersehbaren Kosten. Nun soll alles nicht so gemeint gewesen sein.

KONTRASTE
„Also wird es dann letztendlich doch wieder ´ne Beschränkung geben?“
Heinrich Leonhard Kolb (FDP)
„Wir wollen mit Augenmaß die Dinge regeln. Augenmaß heißt, dass nicht alles möglich sein wird, aber dass wir die Vielzahl der Lebenssachverhalte im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen.“

Eine Immobilie auf Hartz IV - egal wie groß sie ist, davon ist auch in der Union nun keine Rede mehr.

Jürgen Rüttgers (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen
„Die Hartz IV-Zahlungen sind knapp. Da muss man gucken, dass man mit über den Monat ´rüberkommt, und da wird man sich meiner Einschätzung nach keine 12-Zimmer-Vilal plus Gärtner leisten können. Das wäre auch ´ne Sache, die nicht zu verantworten ist.“

So ist es gelegentlich in der Politik: Alles schnell vergessen. Von den großen Versprechungen von Schwarz-Gelb ohne viel Überlegung bleibt in der Praxis wenig übrig.

Beitrag von Detlef Schwarzer