Schulbus (Quelle: rbb)

- Per Schulbus aus der Bildungsmisere. Brauchen wir eine Ausländerquote an Grundschulen?

Deutsch ist für viele Kinder eine Fremdsprache. In manchen Grundschulen übersteigt der Anteil der Kinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen 70 Prozent. "Das ist ausländerfeindlich", behauptet Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) und plädiert für Schülertransporte per Bus an andere Schulen. Wie das funktionieren könnte, zeigt Chris Humbs.

Wer deutsch nicht schon kann, lernt es nicht mehr - nicht an unseren Schulen! Jedenfalls nicht richtig.

Dass wir im internationalen Vergleich der Pisa-Studie so schlecht abschneiden, liegt unter anderem daran: Unser Bildungssystem ist auf Einwanderer überhaupt nicht eingestellt.

Deutsche Kinder unter sich? Türkisch sprechende Kinder unter sich? Das ist absurd, findet Kontraste Autor Chris Humbs.: In einem Alter, in dem sie rasch voneinander und miteinander lernen würden, muss man die Kinder nur zueinander bringen!


Die Revolution auf Rädern und die Rettung für unsere Bildungsmisere: der gute alte Schulbus!


Deutschland hat ein Bildungsproblem und dieser Schulbus könnte es lösen.

Bisher gehen die Kinder dort zur Grundschule, wo sie wohnen. Das soll sich ändern. Die Idee: die Schüler werden per Bus kreuz und quer durch die Stadt gefahren, zu Schulen, die nicht in ihrem Wohngebiet liegen.

Was steckt dahinter?

Groß war der Aufschrei nach der PISA-Studie, alle haben sich an die Ursachenforschung gemacht. Trotz hoher Bildungsausgaben, wenn es ums Lesen und Schreiben geht, dann ist Deutschland ein Entwicklungsland.

Im internationalen Vergleich rangieren wir weit abgeschlagen im letzten Drittel: zwischen Tschechien und Brasilien.

Hier im Max-Planck-Institut weiß man, warum das so ist. Die Auswertung des PISA-Tests hat ergeben, dass es vor allem die schlechten Deutschkenntnisse von Migrantenkindern sind, die uns im internationalen Vergleich nach unten ziehen.

Petra Stanat, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:
"Würde man diese Schüler fördern und sie in etwa auf das Niveau bringen, dass den deutschen Schülern entspricht, dann würde man im nächsten internationalen Vergleich auch erheblich besser abschneiden."

In vielen Grundschulen gibt es bereits sehr viele Schülern die schlecht deutsch sprechen. In den Pausen reden sie miteinander in ihrer Muttersprache. kein Wunder, bei bis zu 90% Migrantenkindern. Deutsch ist dort eine Fremdsprache. Daran können auch mehr Lehrer nichts ändern.

Vielleicht ist der Schulbus ein Ausweg. Um den Ausländeranteil an den Grundschulen zu senken, sollen die Kinder gleichmäßig auf Schulen verteilt werden. Das glaubt Sigmar Gabriel. Der Niedersächsische Ministerpräsident, war früher selbst Deutschlehrer.

Sigmar Gabriel, Ministerpräsident Niedersachsen:
"Dort wo wir 60 oder 70 Prozent Ausländeranteil haben bin ich entschieden dafür, dass in den Schulträgern darüber geredet wird, ob notfalls auch mit Schülertransporten mit dem Bus - am morgen, man kann die Kinder ja zu Hause abholen, dafür gesorgt wird, dass dieser Anteil von Ausländerkindern und von deutschen Kindern oder Kindern, die die deutsche Sprache beherrschen, dass der erträglich wird. Ich würde in keinem Fall auf Dauer solch riesige Zahlen von Kindern ohne deutsche Sprachkenntnisse in den Grundschulen hinnehmen wollen."

Der Vorschlag: eine Quotenregelung soll den Anteil von Schülern mit Deutschprobleme auf maximal 30% reduzieren.

Und so könnte es funktionieren. Morgens kommt der Schulbus und ab geht es. Diese Kinder werden zu mehreren benachbarte Schulen mit geringerem Ausländeranteil gebracht, das sorgt für eine gleichmäßige Verteilung. Durch den Kontakt mit den neuen Mitschülern wird die Sprachbarrieren abgebaut - auf dem Schulhof, in der Freizeit.

Gerade in Berlin trennt oft nur eine Brücke Viertel mit sehr hohem Ausländeranteil von Bezirken mit sehr niedrigem.

Beispiel: Die Gesundbrunnen-Grundschule in Berlin-Wedding. Hier beträgt der Anteil von Schülern, deren Muttersprache nicht deutsch ist, 88,6 %.

In einem Vergleichstest schnitten die Kinder dieser Schule erschreckend schlecht ab.

In der Grafik rechts die Gesundbrunnen-Schule. Es wird klar: Je höher der Ausländeranteil, desto schlechter die Leistungen. Trotz zusätzlicher Lehrer und viel Engagement, bekommt man das Problem nicht in den griff. Deshalb fordern viele Schulleiter die Quotenregelung.

Elke Nierich, Schulleitung Gesundbrunnen-Grundschule:
"Die Quotenregelung, sage ich mir mal, ist schon viel zu spät. Man müßte jetzt mit eiligen Schritten da rangehen, sie wirklich durchzusetzen, damit die Kinder ein bessere Bildungschance haben, denn man lernt ja eigentlich nur eine zweite Sprache, wenn man auch mit denen umgeht, die auch diese Sprache beherrschen."

Aus Sorge um die Zukunft ihrer Kinder fordern deshalb auch türkische Eltern die Ausländerquote an deutschen Schulen - jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Ertekin Özcan, Föderation Türkischer Elternvereine :
"Wenn sowohl deutsche als auch nichtdeutsche Kinder gleichermaßen behandelt werden, sind wir als Föderation der türkischen Elternvereine dafür."

Gleichbehandlung - das bedeutet, dass sich deutsche Schüler, wie hier im ruhigen Berliner Stadtteil Lichtenberg, an diesem Austausch beteiligen müssen. Hier liegt der Ausländeranteil gerade mal bei einem Prozent.

Kommt die Quote, dann müßten auch deutsche Schüler die Schule wechseln. Die Kinder müßten dorthin, wo einst die ausländischen Schüler den Unterricht besuchten.

Mit diesem beidseitigem Austausch hätten die Kinder ausgeglichene, vernünftige Lernbedingungen. Egal ob Lichtenberg oder Wedding.

So könnte die zunehmende Ghettoisierung gestoppt und die Integration nachhaltig gefördert werden.

Sigmar Gabriel, Ministerpräsident Niersachsen:
"Ich finde es ausländerfeindlich, wenn man diese Probleme nicht angeht. Denn die Folgen für die Kinder, die in solchen Situationen erwachsen werden - aus Ausländerfamilien - viel dramatischer sind. Wir nehmen ihnen richtig Zukunftschancen weg."

Immerhin: In einigen Bundesländern wird überlegt, ob man diese Idee der Quotenregelung als Modell umsetzt. Ob die deutschen Eltern dabei mitspielen werden, ist jedoch ungewiß.


Unsere Schulpolitik veraltet und ausländerfeindlich dazu? Bald kommt die nächste PISA-Studie und dann gibt's wieder neue Noten.