- Afghanistan – Bundeswehr hofiert korrupten General

Er gehört zu den ranghöchsten Militärs der afghanischen Armee und gilt als enger Verbündeter der Bundeswehr vor Ort: General Zalmai Wesa. Seit Montag ist er unterwegs in Deutschland - auf Einladung des Bundesverteidigungsministeriums. KONTRASTE liegt exklusiv ein geheimer Report vor. Danach wird General Wesa der Korruption und Zusammenarbeit mit dem terroristischen Haqqani-Netzwerk verdächtigt.

52 deutsche Soldaten sind in Afghanistan seit Kriegsbeginn getötet worden. Ein hoher Preis für unseren militärischen Einsatz, um Stabilität und Demokratie am Hindukusch zu schaffen. Umso wichtiger für unsere Truppen, zuverlässige Partner auf afghanischer Seite zu haben. Doch ein brisantes Papier aus hohen Nato-Kreisen, das uns zugespielt wurde, zeigt jetzt: Die Bundeswehr setzt in Afghanistan auf einen Mann, dem man wohl besser nicht trauen sollte.

Montagabend, Flughafen Frankfurt. Wir haben einen Tipp aus dem Verteidigungsministerium erhalten. Heute soll hoher Besuch aus Afghanistan hier landen, und das ist er: Zalmai Wesa – General der afghanischen Armee.

Zalmai Wesa, General Afghanische Armee

„Ich habe eine Einladung vom deutschen Verteidigungsministerium erhalten.“

Zwei Wochen wird der General in Deutschland hofiert – auf Kosten des Ministeriums. Empfangen wird er von einem Oberst der Bundeswehr. Der hat nur Gutes über den Gast zu erzählen.

Jürgen-Joachim von Sandrart, Oberst Bundeswehr
„Ich halte ihn für einen sehr zivilisierten, sehr gut ausgebildeten, honorigen afghanischen General, dessen ureigenstes Interesse und sein Antriebsmotiv ist, Afghanistan in eine friedliche, eigenständige Zukunft zu führen und dazu möchte er seinen Anteil beitragen.“

Dieser Mann ist nicht irgendwer, sondern einer der wichtigsten Generäle in Afghanistan. Wesa unterstehen über 12.000 afghanische Soldaten. Er soll dieafghanische Armee fit machen, damit die Bundeswehr bald die Verantwortung abgeben kann. Sie arbeitet eng mit General Wesa zusammen, im sogenannten Partnering – das heißt: die Bundeswehr bildet die Afghanen aus, unterstützt sie bei Operationen gegen die Taliban. Eine Vertrauenssache – eigentlich.

Doch ist General Wesa wirklich ein vertrauenswürdiger Partner? KONTRASTE liegt ein geheimer Report vor – zugespielt aus dem Nato-Hauptquartier in Belgien. Aktuell vom September. Darin sind brisante, nachrichtendienstliche Informationen über General Wesa enthalten. So heißt es über ihn:

Zitat
„General Wesa wird als korrupter Offizier betrachtet, der versucht, sich durch seine Position in der afghanischen Armee finanziell zu bereichern.“

Immer wieder soll er Gelder aus dem Armeebudget abzweigen - für private Zwecke. Um die Bedürfnisse seiner Soldaten kümmere er sich dagegen nicht. Mehr noch: Er schüre sogar Konflikte zwischen den Volksgruppen in der Armee. Seine Einheiten sollen schlecht geführt und ineffizient sein, so die Einschätzung. Noch schlimmer: Er soll das Bemühen um eine bessere Sicherheitslage untergraben. In dem Report heißt es dazu:

Zitat
„Er unterstützt weder die afghanische Polizei noch andere Sicherheitskräfte.”

Wesa greife zu spät ein, wenn die afghanische Polizei in Notsituationen gerate. Das habe zu Spannungen zwischen Armee und Polizei geführt.

Der Bericht erwähnt zudem einen brisanten Verdacht des afghanischen Geheimdienstes, nämlich:

Zitat
„… dass Wesa Verbindungen zum Haqqani-Netzwerk hat…”

Ist das möglich? Das terroristische Haqqani-Netzwerk ist für die blutigsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich.

Auf wessen Seite steht General Wesa wirklich? Der Report schildert einen geradezu unglaublichen Vorgang:

Zitat
“… Wesa hat die Freilassung einer Gruppe afghanischer Soldaten angeordnet, die in einen Anschlag auf deutsche Soldaten in der Provinz Baghlan im Juni 2011 verwickelt waren…”

Bei diesem Anschlag zerfetzte eine 200 Kilogramm schwere Sprengladung einen Bundeswehrpanzer. Ein 23-jähriger Soldat wurde dabei getötet. Der Verdacht: Die Deutschen wurden in eine Falle gelockt.

Die Bundeswehrführung kennt den gesamten Report. Trotzdem setzt sie weiter auf Wesa.

Der Afghanistan-Experte Markus Kaim sieht durch solche Personalien die Entwicklung Afghanistans gefährdet.

Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik
„Das westliche Ziel bis 2014 ist ja, selbsttragende afghanische Sicherheit zu haben. Das heißt, dass die afghanische Armee und die afghanische Polizei allein in der Lage sind, die Sicherheit in Afghanistan zu gewährleisten. Und die große Gefahr ist, dass eben diese dazu nicht in der Lage sind, wenn eben bis in höchste Führungskreise des Militärs eben hier Personal haben, was korrupt ist, was in die eigene Tasche wirtschaftet und was auch Verbindungen zu den Aufständischen hat.“

Wir zeigen den Bericht auch dem Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour. Er sieht in dem Fall noch schwerwiegendere Versäumnisse.

Omid Nouripour (Bü‘90/Grüne), MdB
„Das Problem ist dabei nicht die Führung der Bundeswehr, das Problem ist die Politik. Die Politik hätte und muss weiterhin darauf achten, dass es in Afghanistan Gesprächspartner gibt, mit denen man tatsächlich auch arbeiten kann, ohne dass man sich die Hände schmutzig macht. Aber darum hat man sich bisher nicht gekümmert.“

Die deutschen Soldaten riskieren ihr Leben bei der Ausbildung der afghanischen Armee, an der Seite eines Generals, der das ganze Vorhaben anscheinend torpediert. Das Fazit des Geheimberichts ist deutlich:

Zitat
„Wesas Aktionen legen nahe, dass er absichtlich daran arbeitet, …Spannungen zu schaffen, die die Beziehung zwischen der afghanischen Regierung und dem Westen schwächen.“

Trotz all der Vorwürfe durfte General Wesa nach Deutschland einreisen, auf Kosten der Steuerzahler. Das Verteidigungsministerium macht es möglich. Der negative Bericht bleibt in der Schublade. Stattdessen stehen ein Empfang beim Staatssekretär, Besuch von Bundeswehrstandorten und Treffen mit hohen Generälen auf dem Programm.

Wir haben das Verteidigungsministerium zum Fall Wesa angefragt – kein Interview. Schriftlich teilt man uns mit: Die afghanische Truppe habe sich unter General Wesa positiv entwickelt. Das Ministerium könne die Vorwürfe nicht bestätigen.

Das Motto scheint: weg- statt Hinschauen!

Am Montag beginnt übrigens in Bonn die internationale Afghanistan-Konferenz, auf der über die Zukunft des Landes beraten wird. Vielleicht wird der künftige Umgang mit General Wesa da auch ein Thema sein.