Gedenktafel (Quelle: rbb)

- Falsche Vorbilder - Die Bundeswehr und der Wehrmacht-Oberst Mölders

Als "Fliegerheld" wurde er im Völkischen Beobachter gefeiert, als "leuchtendes Vorbild deutscher Jugend" gepriesen. Nach seinem Tod wurde Oberst Werner Mölders mit einem Staatsakt in Anwesenheit von Adolf Hitler geehrt. Mölders ist noch heute ein Held, das Jagdgeschwader 74 "Mölders" hält sein Andenken in Ehren. Zusammen mit Mitgliedern der rechtsradikalen Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger begehen sie jedes Jahr den Todestag von Werner Mölders. Trotz Verbot des Verteidigungsministeriums. Caroline Walter über gefährliche Traditionspflege.

In unserer letzten Ausgabe haben wir von einer Kaserne und einem Jagdgeschwader berichtet, die den Namen eines hochdekorierten Wehrmachtsoffiziers tragen: Oberst Werner Mölders.

Wir waren und sind der Meinung, dass es bessere Namensvorbilder für eine Bundeswehrkaserne gibt. Wir bekamen daraufhin viel Post. Viele erzürnte Briefe.

Es haben sich aber auch Bundeswehrsoldaten gemeldet, die sich schämen, für eine Kaserne, die nach Mölders benannt ist. Und - die sich schämen, für eine "Tradition", die in der Bundeswehr noch heute gepflegt wird: Caroline Walter über gefährlichen und schamlosen Umgang mit der eigenen Geschichte. Mit der Geschichte eines Verbrechens.



Das Jagdgeschwader "Mölders" der Bundeswehr: KONTRASTE berichtete über seinen Namensgeber: Wehrmacht-Oberst Werner Mölders. Er machte als Jagdflieger Karriere im Dritten Reich - mit über 100 "Feindabschüssen". Mölders meldete sich freiwillig zur Legion Condor. Mit ihren Bomben tötete sie Tausende Zivilisten im spanischen Bürgerkrieg. Die Nationalsozialisten feierten Mölders als Helden. Hitler verlieh ihm den höchsten Tapferkeitsorden. Hermann Göring nannte ihn ein Vorbild.

Heldenverehrung - die fast 60 Jahre nach Kriegsende weitergeht. Auch das Bundeswehrgeschwader "Mölders" ehrt seinen Namensgeber als Vorbild.

Nach unserem Bericht erhielten wir Hunderte von Zuschauerbriefen. Wir hätten einen Wehrmachtssoldaten verunglimpft. Vaterlandsverräter, Lumpengesinnung, Nestbeschmutzung.
"Was hat Oberst Mölders anderes getan, als nur seine Pflicht wie Millionen anderer Soldaten auch."

ER kennt die Legende von der sauberen Wehrmacht. Wolfram Wette, renommierter Militärhistoriker, hat die Verbrechen der Wehrmacht erforscht. Mölders war eben nicht wie jeder andere.

Wolfram Wette, Militärhistoriker:
"Er war ein relativ hoher Offizier in der Wehrmacht, zumal in der Jagdfliegertruppe der Luftwaffe, und als solcher trägt er selbstverständlich Mitverantwortung für das, was er - angefangen mit der Legion Condor in Spanien bis zu seinem Einsatz gegen die Sowjetunion - getan hat. Man kann ihn aus dieser Verantwortung nicht entlassen. Sonst könnten Sie ja sagen, niemand in der Wehrmacht ist verantwortlich."

Doch noch heute wollen viele die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg nicht sehen - wollen Mölders freisprechen. "Die anderen waren doch genauso schlimm.""Warum berichten Sie nicht einmal über die Bombardierung deutscher Städte?"

Wolfram Wette, Militärhistoriker:
"Sehr häufig wird gesagt, die Anderen waren auch nicht besser als wir. Zwar haben wir Schuld auf uns geladen, aber siehe Vertreibung, siehe Bombenkrieg, die Anderen ja auch, und das wiegt sich im Großen und Ganzen auf. Das wiegt sich eben nicht auf. Denn der Verursacher des ganzen Desasters, der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust, der Verursacher war das Deutsche Reich unter Hitler. Und das lässt sich auch durch spätere schlimme Ereignisse nicht außer Kraft setzen."

Dennoch ehrt die Bundeswehr mit Mölders einen der Verantwortlichen für die Nazi-Verbrechen. Sie will nur das Fliegerass sehen. In einer Art "Traditionsraum" präsentiert das Jagdgeschwader stolz Mölders Kriegsutensilien. Auch nach dem KONTRASTE-Bericht hält die Bundeswehr an Mölders fest. Aus dem internen Kreis der Luftwaffe schreibt uns ein Informant zum Streit um Mölders: So etwas "wird ausgesessen".

Einer, der das nicht länger hinnehmen will, ist Oberstleutnant Jürgen Rose. Er ist Berufssoldat in der Luftwaffe. Rose lehnt Mölders als Vorbild ab und kritisiert die Wehrmachtstradition in der Bundeswehr. Jürgen Rose darf sich nur als Privatperson äußern.

Jürgen Rose:
"Es kann für mich als Bundeswehrsoldat kein Vorbild sein, weil wir in der Bundeswehr verpflichtet sind auf den Wertekodex unseres Grundgesetzes: Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Frieden. Für all das steht Mölders nicht. Mölders war ein unpolitischer Handwerker des Krieges, der sich vorbehaltlos in den Dienst von Diktatoren gestellt hat."

Oberstleutnant Rose hat sich an die Führung der Bundeswehr gewandt, um gegen den Namensgeber Mölders zu protestieren. Keine Antwort. Er hat sich auf den Traditionserlass von 1982 berufen - der besagt: Bundeswehreinrichtungen sollen
"nach Persönlichkeiten benannt werden, die sich ... um Freiheit und Recht verdient gemacht haben."

Mölders erfüllt diese Anforderung nicht. Die Bundeswehr verstößt gegen eigene Vorschriften.

Jürgen Rose, Oberstleutnant Luftwaffe:
"Aus meiner Sicht ist es untragbar, dass man auf der einen Seite von Soldaten Gehorsam und treue Pflichterfüllung verlangt und auf der anderen Seite von der Leitung und der militärischen Führung im Ministerium der Verteidigung genau dieses nicht getan wird, indem man eigene Erlasse und Vorschriften systematisch und fortwährend ignoriert."

Das Verteidigungsministerium beginnt erst jetzt - mehr als 30 Jahre nach der Namensgebung - Mölders Lebenslauf zu überprüfen.

Prüfen sollte das Ministerium auch, welche Kontakte das Mölders-Geschwader zu Rechtsradikalen pflegt. Kranzniederlegung anlässlich des Todestages von Mölders - auf dem Berliner Invalidenfriedhof. Jedes Jahr ehrt das Jagdgeschwader hier seinen Namensgeber. Gemeinsam mit einem rechtsradikalen Verein: der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger. Im Mitgliederverzeichnis dieses Vereins finden wir die Namen vieler ehemaliger SS-Angehöriger. Die Ordensgemeinschaft glorifiziert Hitlers Kriegshelden.

Die Bundeswehr hat deshalb Kontaktverbot zur Ordensgemeinschaft - das wurde vor Jahren vom Verteidigungsministerium verhängt.

Doch das Jagdgeschwader ignoriert das Kontaktverbot. Aufstellen zum Fototermin für die Ordensgemeinschaft. Danach geht man gemeinsam zum Feiern in die Kaserne.

Block:
"Sie sind ganz gerne eingeladen zu dem abschließenden, gemütlichen Beisammensein in der Julius-Franke-Kaserne. Wer über kein Fahrzeug verfügt, kann selbstverständlich in unserem Omnibus mitfahren - wie gehabt."

Trotz Verbot - wie gehabt. Das Jagdgeschwader scheut nicht die Nähe zu einem rechtsradikalen Verein.

Wolfram Wette, Militärhistoriker:
"Die Bundeswehr ist innerhalb unserer Gesellschaft ein ganzes Stück nach rechts hinaus gerückt aus der Gesellschaft. Sie pflegt sozusagen ihre eigenen Gesetze und die Grenzen zwischen rechts und rechtsradikal sind so fließend, dass sie in der Bundeswehr häufig gar nicht wahrgenommen werden. Hier ist die Alarmglocke nötig."

Erst nach unseren Recherchen läuten jetzt die Alarmglocken auch bei den Regierungsparteien. Sie fordern schnelles Handeln - zumal die Bundeswehr bald 50-jähriges Jubiläum feiert.

Winfried Nachtwei, Verteidigungspolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen:
"In der Angelegenheit Mölders muss sich zunächst das Verteidigungsministerium klar werden und klar sagen, dass Mölders nicht als Vorbild für ein Geschwader der Bundeswehr geeignet ist."

Rainer Arnold, Verteidigungspolitischer Sprecher (SPD):
"Ich denke, der Name Mölders hat in einer demokratischen Armee keinen Platz mehr. Und ich wünsche mir, und ich glaube auch, dass wir da auf ein vernünftiges Gespräch kommen, dass das Verteidigungsministerium das Jubiläum der Bundeswehr im nächsten Jahr zum Anlass nimmt, sich auf seine eigenständige Tradition der Bundeswehr zu besinnen und Namen, die verstrickt sind mit dem Nazi-Terror, dann tatsächlich nicht mehr aufzufinden sind."

Viel Erfolg für diesen Wunsch. Nicht wir verunglimpfen die Wehrmacht. Das hat sie selbst getan. In einem Krieg, der ein Verbrechen war.