Kranzniederlegung (Quelle: rbb)

- Falsche Vorbilder - Die Bundeswehr ehrt Wehrmacht-Oberst Mölders

Als "Fliegerheld" wurde er im Völkischen Beobachter gefeiert, als "leuchtendes Vorbild deutscher Jugend" gepriesen. Nach seinem Tod wurde Oberst Werner Mölders mit einem Staatsakt in Anwesenheit von Adolf Hitler geehrt. Der Wehrmacht-Oberst Mölders ist noch heute ein Held, die deutsche Bundeswehr hält sein Andenken in Ehren. Eine Elite-Einheit, ein Jagdgeschwader, ist nach ihm benannt und zwei Kasernen der Bundeswehr. Roland Jahn und Caroline Walter über gefährliche Traditionspflege.

Längst zerstört ist der Mythos vom "aufrechten Soldaten der Wehrmacht", vom "ehrenhaften Offizier". Der II. Weltkrieg war ein Vernichtungskrieg, geführt von den Deutschen. Kaum ein Mann konnte in diesem Krieg anständig bleiben. Die Kommandeure der Wehrmacht sind also alles andere als Vorbilder für unsere demokratisch geführte Armee.

Dachten wir. Aber Roland Jahn und Caroline Walter besuchten das Jagdgeschwader Werner Mölders. Traditionspflege in einer deutschen Kaserne im Jahr 2004.

Die Piloten des Jagdgeschwaders bereiten sich zum Start vor. Auf dem Luftwaffenstützpunkt - Neuburg in Bayern. Die Jagdflieger dieser Einheit gehören zur Elite der Bundeswehr, erprobt in Auslandseinsätzen. Der Name des Jagdgeschwaders: "Mölders".

Der Namensgeber: Oberst Werner Mölders - einer der wichtigsten Jagdflieger der deutschen Wehrmacht. Mit seinen vielen "Feindabschüssen" gelangte er zu Ruhm, hoch dekoriert von Hitler.

"Mölders" - diesen Namen trägt das Bundeswehrgeschwader seit über 30 Jahren. Mölders ist für die Piloten ein Vorbild als Jagdflieger und Mensch. Auf dem Bundeswehrgelände steht sogar ein Gedenkstein: Ehrung für einen Oberst der Wehrmacht.

Empörend findet das eine Bürgerinitiative am Standort. Sie fordert, dass der Name Mölders aus der Bundeswehr verschwindet.

Eva Bulling-Schröter, Bürgerinitiative:
"Er war ein Nazi, und dieser Nazi wird geehrt. Und das ist für mich das falsche Signal. Er hat sich an einem faschistischen Krieg beteiligt."

Ihr Appell aber bleibt ungehört. Das Jagdgeschwader Mölders sieht keinen Grund für einen Namenswechsel. Im Gegenteil: Die Traditionspflege wird groß geschrieben. An jedem Todestag von Mölders ehrt das Jagdgeschwader seinen Namensgeber - auf dem Invalidenfriedhof in Berlin.

Derselbe Ort. 1941. Staatsbegräbnis für Mölders. Die Nationalsozialisten tragen ihren Fliegerhelden zu Grabe. "Vati Mölders" nennen sie ihn im Dritten Reich.

Und heute? Auch die Jagdflieger der Bundeswehr nennen ihn immer noch "Vati Mölders".

Oberstleutnant Rolf Block, Jagdgeschwader "Mölders":
"Den Namen 'Vati' hat man ihm quasi zugeordnet, weil er sich um seine Mitmenschen, um seine Kameraden gekümmert hat. Ob es in der Ausbildung war, ob es in den schweren Kriegstagen war."

Am Grab schwärmt Reichsmarschall Göring von Mölders mit den Worten: "Sein Andenken soll uns stolze Tradition und stets Vorbild sein."

Stolz ist auch die Bundeswehr:

Oberstleutnant Rolf Block:
"Wir, als Angehörige des Jagdgeschwader 74 Mölders, sind stolz darauf, diesen Namen zu tragen."

Oberst Werner Mölders - ein "Held der Wehrmacht". Im Bundeswehrgeschwader wollen wir mit den Piloten über ihr fragwürdiges Vorbild reden. Aber sie dürfen nicht reden - Befehl von ganz oben.

Ganz oben - beim Verteidigungsminister bekommen wir die offizielle Stellungnahme vom Staatssekretär.

Walter Kolbow, Staatssekretär Bundesministerium der Verteidigung:
"Ich glaube, wenn ein Name gegeben ist, dann muss man auch mit der Persönlichkeit und der Biographie sich auseinandersetzen. Und da ist es bisher so gewesen, dass die Frage des persönlichen Lebenslaufes von Mölders nicht verstrickt war mit dem NS-Regime."

Nicht verstrickt? Die Fakten: Mölders macht eine Blitzkarriere in der Wehrmacht. Er glänzt durch sein fliegerisches Können, die Nationalsozialisten verehren ihn als den "Unbesiegbaren".

Überfall auf Frankreich. 1940: Mölders profiliert sich. Er schießt viele gegnerische Flieger ab. Und verschafft damit den deutschen Bombern freie Bahn. Städte gehen in Flammen auf, Tausende Menschen sind auf der Flucht. In seinem Kriegstagebuch schreibt Mölders:

"...die schrecklichen Bilder der französischen Flüchtlingsströme...geben uns doch das Hochgefühl unerhörter Überlegenheit".

Mölders steigt auf in die Führung der Luftwaffe. Er ist an der Planung der Angriffskriege beteiligt. Zu Göring hat er ein inniges Verhältnis.

Hitler befiehlt den Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung Englands. Mölders ist mit Eifer dabei: Kommandeur eines eigenen Jagdgeschwaders. Bombenhagel auf London. Tausende unschuldige Opfer verbrennen. Mölders treibt seine Leute zu weiteren Angriffen an:

"Haltet dem Vaterland weiterhin die Treue. Gebt Eure ganze Kraft zur Erringung des Sieges."

Siegen für Hitler - der Führer persönlich dankt Mölders für seinen "heldenhaften" Einsatz mit einem Orden.

1941 - Vernichtungskrieg gegen Russland: Mölders Karriere erreicht ihren Höhepunkt, er dirigiert die Einsätze. Die Wehrmacht führt einen rassistischen Krieg gegen ein ganzes Volk. Mölders schreibt begeistert nach Hause:

"Ein gewaltiger Krieg ist im Gange, und ich bin stolz darauf, mit meinem Geschwader im Schwerpunkt der Kampfhandlungen eingesetzt zu sein."

Hitler verleiht Mölders als erstem Soldaten die höchste Tapferkeitsauszeichnung - das Ritterkreuz mit Brillanten. Ein Orden, den nur wenige in der Wehrmacht bekamen.

Genau diesen Orden finden wir heute wieder: bei der Bundeswehr. Stolz präsentiert in einer Vitrine. Das Jagdgeschwader Mölders hat extra einen "Traditionsraum" für seinen Namensgeber eingerichtet. Die Jagdflieger bewahren Mölders persönliche Kriegsutensilien vom Kampf unterm Hakenkreuz. Und auch das: eine Ehrung von Göring: "Ein Volk, das solche Helden hat, ist zum Siege bestimmt".

Mölders - ein Held im Nationalsozialismus - ein Vorbild für das Jagdgeschwader der Bundeswehr.

Ein Skandal - urteilt der Militärhistoriker Detlef Bald. Die Bundeswehr verharmlose Mölders Rolle im Nazi-Regime.

Detlef Bald, Militärhistoriker:
"Es ist geradezu unglaublich, was die Bundeswehr mit einem solchen Namen wie Mölders macht. Hier wird eine Person für etwas genommen, was sie nicht ist. Seine Taten sind nicht unpolitisch, sie sind nicht ohne die Verstrickungen in den Nationalsozialismus und in die militärische Führung zu verstehen. Mölders ist ein Beispiel der verbrecherischen Wehrmacht."

Ein Jagdgeschwader in der Tradition der Verbrechen der Wehrmacht. Trotzdem: die Führung der Bundeswehr sieht keinen Handlungsbedarf, sie will den Namen Mölders behalten.

Walter Kolbow, Staatssekretär Bundesministerium der Verteidigung:
"Die bisherigen Ermittlungen und Überprüfungen haben ergeben, dass sich der Oberst Mölders keinerlei persönlicher Verfehlungen hat schuldig werden lassen."

Doch das Verteidigungsministerium hätte nach KONTRASTE-Recherchen längst den Namen Mölders aus der Bundeswehr entfernen müssen. Denn: Mölders war auch Mitglied der berüchtigten Legion Condor, Hitlers freiwilliger Elite. Zum Umgang mit der Legion Condor gibt es seit 1998 eine eindeutige Verpflichtung der Bundesregierung:

"Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass Mitgliedern der Legion Condor nicht weiter ehrendes Gedenken zuteil wird."

Und das hat seinen Grund: Die Legion Condor, in der auch Mölders flog, verhalf dem faschistischen Regime Francos in Spanien mit Bomben an die Macht. Sie hinterließ eine Spur der Verwüstung - unzählige Tote unter der Zivilbevölkerung.

Wir sind im Ort Corbera, in Spanien. Das Ausmaß der Zerstörung ist heute noch sichtbar. Josep Torres war elf Jahre alt, als die Legion Condor ihre Bomben abwarf. Bei den Angriffen verlor er seine Mutter.

Josep Torres:
"Als meine Mutter starb, habe ich draußen gespielt unter einem Baum. Als die Bombe einschlug, hat mich die Druckwelle hoch in die Luft geschleudert. Als ich wieder auf die Erde fiel, lagen Metallsplitter schon auf dem Boden. Ein Metallsplitter traf meine Mutter am Bauch und das Gedärm viel heraus."

Der Bombenterror dauert Monate.

Josep Torres:
"Jeden Tag hat das Dorf gezittert. Bomben fielen heute, morgen, übermorgen, jeden Tag."

KONTRASTE:
"Nach unseren Recherchen war Mölders bei Bombenangriffen im Raum Corbera im Einsatz. Was sagen sie dazu?"
Walter Kolbow, Staatssekretär Bundesministerium für Verteidigung:
"Diese Recherchen können wir nicht bestätigen."

Kontraste liegen Einsatzberichte der Legion Condor vor. Sie belegen: Mölders war im Raum Corbera im Einsatz, schoss Flieger ab, gab den Bombern Geleitschutz. Übrigens: die Einsatzpläne der Legion Condor sind für jedermann zugänglich, auch für das Verteidigungsministerium. Sie liegen im Bundesarchiv.

KONTRASTE:
"Hier sind die Einsatzberichte von Mölders in der Legion Condor und er war im Einsatz im Raum Corbera."
Walter Kolbow, Staatssekretär Bundesministerium für Verteidigung:
"Warum geben Sie uns das nicht rein?"
KONTRASTE:
"Warum wissen Sie das nicht?"
Walter Kolbow, Staatssekretär Bundesministerium für Verteidigung:
"Woher soll ich das wissen?"

Wissen sollte die oberste Führung der Bundeswehr allerdings schon, an welchen Verbrechen das Vorbild ihrer Jagdflieger beteiligt war.

Im jüngsten Wehrbericht wird mit Sorge auf das Problem "Rechtsradikale in der Bundeswehr" verwiesen. Mit Namen wie dem vom Jagdgeschwader Mölders haben die jungen Rechten ja auch die rechten Vorbilder.