Kampfjet (Quelle: rbb)

- Neue Raketen für die Bundeswehr - wie Milliarden sinnlos verpulvert werden

Es klingt so logisch und einleuchtend. In Zeiten globaler Bedrohungsszenarien wollen sich die Industrienationen angemessen schützen. Mit dem größten transatlantischen Rüstungsprogramm aller Zeiten, mit MEADS, sollte erstmalig auch europäische Technologie weltweit zur Raketenabwehr zum Einsatz kommen. Aber das System ist ineffektiv, viel zu teuer und für Deutschland unbrauchbar. Dennoch hält die deutsche Regierung daran fest. Warum? Antworten von Marcus Weller und Chris Humbs.

Der Regierungschef der Deutschen und der Präsident der Vereinigten Staaten. Sie mögen sich nicht, aber wenn George W. Bush und Gerhard Schröder sich im Herbst in New York vor der UNO wieder sehen, dann werden sie sich auf das besinnen, was Männer schon immer einander nahe gebracht hat: die Macht und die Sorge ums große Ganze!

Da kommt es gelegen, dass man obendrein noch ein gemeinsames militärisches Spielzeug in der Planung hat: das ganz große geniale Raketenabwehrsystem. Es gibt nur noch ein ganz kleines Problem zu lösen:

Das größte transatlantische Rüstungsprojekt aller Zeiten - ist zwar teuer, aber unbrauchbar. Warum will es der Kanzler trotzdem? Chris Humbs und Marcus Weller haben gefragt.



Die Bundeswehr.Das Militär liebt Projekte, die den Steuerzahler Milliarden kosten. Das neueste: ein Raketenabwehrsystem, genannt MEADS, das sogenannte Medium Extended Air Defense System. 15 Milliarden Euro wird es wohl kosten - vorsichtig geschätzt. Gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden und Italien entwickeln wir den Raketenschutzschirm. MEADS ist das größte Rüstungsprojekt, das Deutschland und die USA je gemeinsam in Angriff genommen haben. Chefsache also.

Gerhard Schröder, SPD, Bundeskanzler (im März 2001):
"Es geht darum, dass wir bei Technologien, die entwickelt werden, die wir womöglich mitgestalten, auch materiell, innerhalb der NATO, dass wir bei der Kenntnis dieser Technologie nicht außen vor bleiben."

Doch was bringt die neue Technologie für Deutschland? Wir fragen nach bei der Bundeswehr. Zu einem Interview ist man hier nicht bereit. Stattdessen heißt es schriftlich:

Zitat:
"Mit MEADS soll der Schutz ... von Bevölkerung und Territorium gegen das gesamte Spektrum der zu erwartenden Luftbedrohung sichergestellt werden."

Ein Beispiel: Im Zentrum dieser Stadt steht eine MEADS-Einheit. Wenn jetzt eine feindliche Rakete in den Schutzschild eindringt, startet automatisch eine Abfangrakete. Sie zerstört den Flugkörper kurz vor dem Einschlag. MEADS soll sogar Atomraketen abgefangen werden. Direkt über dem Stadtgebiet. Und das soll die Bevölkerung schützen?

Der Verteidigungsausschuß ist davon überzeugt. Er bewilligt vorab schon mal 116 Mio Euro.

Der Vorsitzende des Ausschusses, Reinhard Robbe, glaubt an das System:

Reinhard Robbe (SPD), Vorsitzender Verteidigungsauschuss:
"Zunächst einmal stehe ich deswegen positiv dazu, weil wir einfach erkennen müssen, dass wir es in der heutigen Zeit mit ganz neuen, bisher ungeahnten Bedrohungsszenarien zu tun haben."

Auch die christliche Opposition schwärmt von den deutschen Raketenplänen. Christian Schmidt ist Verteidigungspolitischer Sprecher der Union:

Christian Schmidt (CSU), Verteidigungspolitischer Sprecher:
"...technologisch, militärisch und politisch ein sinnvolles Projekt."

Raketenabwehr - ein sinnvolles Projekt? Die Bundeswehr selbst stellt in einer geheimen Bedrohungsanalyse die Grundlage für MEADS grundsätzlich in Frage. Dort heißt es:

Zitat:
"Westeuropa wird langfristig nicht mit einer unmittelbaren Bedrohung zu rechnen haben."

Wirklich keine Gefahr für Deutschland? Wir fragen nach beim Bundesnachrichtendiest. Dort heißt es:

Länder, wie der Iran oder Pakistan haben zwar Raketen, doch Deutschland können sie damit nicht erreichen. Das spielt auch keine Rolle, denn MEADS kann sowieso nur Kurz- und Mittelstreckenraketen abfangen, mit einer Reichweite von maximal 1000km.

Also suchen wir Deutschlands Gegner in einem Umkreis von 1000 km. Und finden Länder, wie Schottland, Lettland oder Italien. Keine Länder also, vor denen sich Deutschland unbedingt schützen müßte.

Auch gegen Terroranschläge mit Flugzeugen als fliegende Bomben nützt MEADS nichts. Man müsste schon vorher genau wissen, wo die Terroristen zuschlagen, denn die Reichweite von MEADS beträgt weniger als 25 Kilometer.

Schutzbedürftige Ziele gäbe es in Deutschland genug, etwa alle wichtigen Kasernen oder alle Atomkraftwerke oder alle größeren Städte. Doch halt, für die geplanten 15 Milliarden Euro können wir uns gerade mal 12 Systeme kaufen.

MEADS ist also absoluter Unsinn, findet der ehemalige Luftwaffengeneral Hermann Hagena.

Herrmann Hagena, Ex-Luftwaffengeneral:
"MEADS ist ein System, das technisch nicht funktionieren wird, gegen eine Bedrohung, die es nicht gibt und zu einem Preis, den kein Mensch bezahlen kann.

Dr. Hermann Hagena erstellte für die Gesellschaft für Wissenschaft und Politik eine Studie über MEADS. Das Ergebnis: Aussteigen! So schnell wie möglich.

Doch die Bundeswehr ignoriert das Ergebnis der Experten, das Projekt hat schließlich die Gunst des Kanzlers und der hofft auf einen Technologietransfer von den USA nach Deutschland.

Gerhard Schröder, SPD, Bundeskanzler:
"Wenn es so etwas gibt, gibt es natürlich für uns ein eminentes wirtschaftliches Interesse."

Wir entwickeln MEADS mit den Amerikanern und versuchen so know how in Sachen Raketentechnik und Arbeitsplätze nach Deutschland zu holen. Der US-Kongress hat allerdings längst beschlossen, die Raketen in Amerika zu bauen. Pech für Deutschland und seine Rüstungsindustrie.

Wofür also braucht Deutschland MEADS?

Arbeitsplätze schafft es nicht, zur Landesverteidigung taugt es nicht und gegen Terrorattacken schützt es nicht. Doch warum hält die Bundesregierung weiter an dem Milliardenprojekt fest?

Herrmann Hagena, Ex-Luftwaffengeneral:
"Wir investieren in die deutsch-amerikanische Rüstungszusammenarbeit, wir zahlen, wenn man so will, im alten Rom hat man immer gesagt: Wir zahlen unseren Tribut an das Imperium."

Und kleine Geschenke sollen ja auch die Freundschaft erhalten.