Unheimliche Nähe - Wie viel "Reichsbürger-Gedankengut" steckt in der AfD?

Frauke Petry gibt eine klare Linie vor: Reichsbürger haben in der AfD nichts zu suchen. Doch  AfD-Vize Gauland wimmelt ab, "harmlose Irre". Eine klare Linie gibt es nicht. Und so verwundert es nur wenig, dass sich bundesweit Anhänger der Reichsbürger in der AfD engagieren. Ob Reichsbürger oder AfD'ler: Beide behaupten die wahren Vertreter des Volkes zu sein im Kampf gegen korrupte Eliten und für die Unabhängigkeit Deutschlands.

Anmoderation: Seit den tödlichen Schüssen eines Reichsbürgers auf einen bayrischen Polizisten wird die Szene genauer beobachtet. Lange galten die Anhänger dieser Bewegung, die die Existenz der Bundesrepublik und ihrer Institutionen nicht anerkennen, als wirr aber harmlos. Ein fataler Irrtum. Denn die reichsbürger sind nicht nur aggressiv, sondern auch in Parteien aktiv - vor allem in der AfD. Trotz aller Distanzierungen von Bundessprecherin Frauke Petry. Markus Pohl berichtet.

Stammtisch der Alternative für Deutschland im fränkischen Lichtenfels. Hier treffen wir Edwin Hübner, den stellvertretenden Kreisvorsitzenden. Ein Mann mit einem sehr speziellen Geschichtsbild.

Edwin Hübner, stellv. Kreisvorsitzender AfD Kulmbach-Lichtenfels

"Wir Deutsche sind einfach zu gut. Das ging ja schon an mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Ich unterstell einfach, dass wir in den Krieg getrieben wurden. Warum hätten wir Polen angreifen sollen? Für mich ist Deutschland auch - oder Ostdeutschland - hinter der Oder! Von Ostdeutschland, wo wir immer sprechen, ist für mich Mitteldeutschland."

Polen heim ins Reich, heißt das wohl. Die Bundesrepublik hält der AfD-Funktionär für ein besetztes Land.

Edwin Hübner, stellv. Kreisvorsitzender AfD Kulmbach-Lichtenfels

"Wir sind besetzt, ja ja. Und es gibt ja auch noch die berühmte Kanzlerakte: Nach jeder Bundestagswahl muss der gewählte Bundeskanzler mit dem Außenminister nach Amerika, und da weiß man ja, dass die dann ihre Anweisungen kriegen, unterstell ich."

"Die deutsche Regierung kriegt die Anweisungen von der US-Regierung?" - "Genau, da wird eben eingelotet, was eben möglich ist und was nicht."

Die "berühmte Kanzlerakte": eine plumpe Fälschung aus dem Internet, Quelle zahlreicher Verschwörungstheorien, wie sie gewöhnlich von den sogenannten Reichsbürgern zu hören sind. Hier ein selbsternannter Einwohner des Freistaats Preußen:

Wolfgang Hartweg, "Reichsbürger"

"Die BRD ist ein Verwaltungskonstrukt, der von den Alliierten eingesetzt ist, zur Verwaltung des Deutschen Reichs. Und mehr haben wir hier nicht. Das ist kein Staat und es ist nie ein Staat gewesen."

Dass die Bundesrepublik nicht souverän sei, denken auch viele in der AfD, sagt Franz Eibl. Er war Bezirksvorsitzender der Partei in Oberfranken, ehe er wegen des Rechtsrucks aus der AfD austrat.

Franz Eibl, ehem. Bezirksvorsitzender AfD Oberfranken

"Man sendet ja immer gern Signale nach Rechts aus, und man duldet es ja auch alles. Das wird ja oft sogar von der Parteispitze auch noch befördert, also wenn dann ein Herr Gauland oder ein Herr Höcke hinstellt und sagt, na dass ja eigentlich die Amerikaner die Politik der Bundesrepublik bestimmen, dann ist ja nicht mehr viel Unterschied zu dem, was so Reichsbürger erzählen."

Mit bizarren Folgen: ein Video einer AfD-Veranstaltung mit dem damaligen Generalkonsul der USA in München. Ein Besucher fragt ihn, wann er Deutschland endlich in die Unabhängigkeit entlasse.

William Moeller, ehem. US-Generalkonsul München

"Ich verstehe die Frage nicht." (Gelächter)

Petr Bystron, damals Moderator der AfD-Veranstaltung

"Nein, nein, da kann ich vielleicht helfen. Es ist schon weit verbreitet unter unseren Mitgliedern die Sichtweise, dass Deutschland immer noch ein besetztes Land ist."

Moderator der Veranstaltung: Petr Bystron, mittlerweile Landesvorsitzender der AfD in Bayern.

Auch auf dem Programmparteitag der AfD in Stuttgart meldeten sich die Reichsbürger zu Wort. Mindestens 50 Parteimitglieder unterstützten einen Antrag, im Programm festzuhalten:

Zitat

"Die Bundesrepublik Deutschland … ist kein Staat, sondern eine Verwaltungsorganisation ohne Verfassung."

Franz Eibl, ehem. Bezirkschef AfD Oberfranken

"Ich habe da leider die Erfahrung (machen) müssen, dass man eben mit mit logischen Argumenten und mit Fakten bei diesen Leuten nicht weiterkommt. Also, die sind total in ihrem Weltbild verhaftet."

Frage Reporter

"Würden sie sagen, die werden bewusst geduldet in der AfD?"

Franz Eibl, ehem. Bezirkschef AfD Oberfranken

"Ja, ganz klar, also das muss man auch so sehen. Der Herr Gauland hat ja die Reichsbürger über Jahre hinweg verharmlost, auch in öffentlichen Auftritten hat er gesagt, das wäre zwar Unsinn, was die sagen, aber deswegen wären sie genauso willkommen in der AfD."

Und so findet man bundesweit reichsbürger-nahe AfD-Politiker. Beispiel Carsten Härle, Fraktionsvorsitzender der AfD Heusenstamm. Er mutmaßt, die tödlichen Schüsse in Georgensgmünd auf einen Polizisten könnten bloß inszeniert sein, um eine "Anti-Reichsbürger-Agenda voranzutreiben."

Oder Sebastian Schulze, AfD-Vorstand im Märkischen Kreis und Chef eines Vereins, der  zu einem Kongress im November mit zahlreichen Stichwortgebern der Reichsbürger-Szene einlädt.
Als Redner angekündigt: Peter Feist, nationalistischer Autor mit einschlägigen Thesen:

Peter Feist, Autor

"70 Jahre Terror der Besatzungsamcht muss vorbei sein, wir brauchen jetzt endlich die Souveränität. Das ist keine abstrakte Frage, wir sehen in der Flüchtlingskrise jeden Tag, was es uns kostet, weil wir die Souveränität nicht haben, weil wir fremdgesteuert sind."

Frage Reporter:

"Warum schafft's denn die AfD nicht, sich von diesen Leuten zu trennen oder denen ganz klar Einhalt zu gebieten?"

Franz Eibl, ehem. Bezirkschef AfD Oberfranken

"Ich glaube, die will sich auch gar nicht davon trennen. Die fahren ja gut mit dieser Position, die Wahlerfolge geben ja den Leuten Recht."

Die Alternative für Deutschland: nach Rechts ganz weit offen.

Beitrag von Markus Pohl