Beamte als AfD-Funktionäre - Gibt es bald wieder Berufsverbote?

Sie sind Lehrer, Staatsanwälte, Richter oder Polizisten und haben eins gemeinsam: Sie kandidieren als AfD-Mitglieder für den Bundestag. Die AfD ist zwar eine legale Partei, doch für die Staatsdiener in ihren Reihen gilt auch das Mäßigungsgebot. Wie weit dürfen Beamte gehen? Gibt es bald wieder Berufsverbote?

Anmoderation: Brauchen wir wieder ein Berufsverbot? Eigentlich kaum vorstellbar, dass diese Forderung heute erneut aufkommt - wir erinnern uns an die erbitterten Auseinandersetzungen der 70er und 80er Jahre um das Berufsverbot. Doch während es damals vor allem darum ging, Kommunisten und andere Linke vom Staatsdienst auszuschliessen, richtet sich jetzt die Kritik gegen Staatsdiener, die als zu rechtsextrem gelten. Wie umgehen mit rechtsnationalen AfD-Politikern, die von Beruf etwa Lehrer, Polizist oder Richter sind? Markus Pohl und Olaf Sundermeyer mit Hintergründen.

Vergeblicher Gesprächsversuch mit Jens Maier, Richter in Dresden und Bundestagskandidat der AfD. Ein Mann, der für Schlagzeilen sorgt.

Erst kürzlich soll er für den rechtsextremen Massenmörder Anders Breivik öffentlich Verständnis geäußert haben.

Jens Maier (AfD), Bundestagskandidat  

"Dazu äußere ich mich gar nicht!"

Ein Richter soll neutraler Staatsdiener sein. Daran bestehen im Fall Maier erhebliche Zweifel.

Auf Facebook schrieb er einmal, er könne keine "Moslems" mehr sehen.

"Gestern lief mir an der Ampel so eine Schleiereule am Wagen vorbei. (…) Ich kann nur noch Wut und Zorn für dieses Gesinde empfinden."

Hätte eine muslimische Angeklagte von diesem Richter ein gerechtes Urteil zu erwarten?

Im Januar trat Maier im Dresdner Ballhaus Watzke auf. Am selben Abend als Björn Höcke das Holocaustmahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnete. Maier schlug in dieselbe Kerbe:

Jens Maier (AfD), Bundestagskandidat  

"Diese ganze Entwicklung, die jetzt gerade stattfindet, die Herstellung von Mischvölkern, um die nationalen Identitäten auszulöschen (...), das ist einfach nicht zu ertragen!"

Richter sind wie Beamte zur Mäßigung verpflichtet. Im Gesetz heißt es:

"Der Richter hat sich (…) auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird."

Maiers Vorgesetzter prüft derzeit, ob der AfD-Politiker gegen dieses Mäßigungsgebot verstoßen hat. Fürs erste hat er ihn von Presserechtsverfahren und anderen heiklen Fällen abgezogen.

Gilbert Häfner, Präsident Landgericht Dresden

"Er macht weiter Zivilsachen, schwerpunktmäßig Straßenverkehrsunfälle in der Berufung, da ist die politische Dimension ersichtlich nicht so stark ausgeprägt."

Maier hat bereits politisch brisante Urteile gefällt – auch zur Freude der rechtsextremen NPD. Auf Klage der Partei hin verpasste er dem Extremismusforscher Steffen Kailitz einen Maulkorb: Der dürfe nicht länger sagen, die NPD strebe rassistische Vertreibungen und Staatsverbrechen an.

Vergangenen Freitag kassierte eine andere Kammer des Dresdner Landgerichts diesen Spruch. Kailitz darf die NPD weiter scharf kritisieren.

Der Wissenschaftler ist überzeugt: AfD-Richter Maier hätte in dieser Sache niemals urteilen dürfen.

Steffen Kailitz, Politikwissenschaftler, Hannah-Arendt-Institut Dresden

"Er hat sich ja gegen die Herstellung von Mischvölkern beispielsweise deutlich ausgesprochen und liegt damit komplett auf der Linie der NPD, was noch mal deutlich macht, da hat jemand über diese Bewertung meinerseits geurteilt, der selbst so denkt, und das ist natürlich schon skandalös!"

Maier selbst ficht das nicht an. Bei seinen Auftritten kokettiert er genüsslich mit der Aufregung um seine Person.

Jens Maier (AfD), Bundestagskandidat

"Hehe, mittlerweile dürfte ich ja Deutschlands bekanntester Richter sein …" - "Ich bin immer noch Richter, ich hoff, dass ich das auch bleibe, haha."

Warum aber ist Maier immer noch in Amt und Würden? Die Unabhängigkeit der Richter ist besonders geschützt, die Hürden für eine Entlassung sind hoch.

Gilbert Häfner, Präsident Landgericht Dresden

"Wenn man als Richter den Job entzogen bekommt, ist das eine Art Berufsverbot. Das ist aber eine Sanktion, die für diesen Fall aus meiner Sicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint. Sie wäre unverhältnismäßig, mit einer solchen Sanktion hätten wir vor keinem Gericht Bestand."

In der AfD gibt es viele Maiers. Der öffentliche Dienst ist in der Partei stark vertreten: Richter, Lehrer, Polizisten. Für sie alle gilt das Mäßigungsgebot. Konflikte im Wahlkampf sind da programmiert.

Das weiß auch Roman Reusch, leitender Oberstaatsanwalt in Berlin und Bundestagskandidat für die AfD. In einer Rede vor der Parteibasis ging er an die Grenzen des Erlaubten:

Roman Reusch (AfD), Bundestagskandidat

"Wenn die Blockparteien so weitermachen können wie bisher, dann hat unser Land in 20 Jahren fertig. Wir wären wirtschaftlich ruiniert, von einer nichtdeutschen Mehrheit besiedelt und auf dem besten Weg in die islamische Republik."

Voraussichtlich wird Reusch in den Bundestag gewählt. Erst dann ruht sein Beamtenverhältnis, und damit auch das Mäßigungsgebot.

Roman Reusch (AfD), Bundestagskandidat

"Ich kann nicht in meiner Funktion rumrennen und rumsauen, sagen wir mal auf Deutsch. Das kann ich dann machen, wenn ich in der Bütt im Bundestag stehe."

Rumsauen – so wie Björn Höcke das kann, die Gallionsfigur der völkischen Rechten, von Beruf Lehrer für Deutsch und Geschichte. Sein Beamtenstatus ruht, seit er als Fraktionsführer in den Thüringer Landtag einzog.

Höcke fordert eine erinnerungspolitische Wende. Weniger Holocaust in deutschen Schulen. Dafür mehr Dichter und Denker.

Björn Höcke (AfD), Fraktionsvorsitzender Thüringen

"Und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht. So kann es und so darf es nicht weitergehen!"

Höckes alte Schule in Hessen. Ist es vorstellbar, dass er nach dieser Rede hier wieder Geschichte lehrt? Das hessische Kultusministerium hat angekündigt, das zu verhindern.

Auch die Fraktionsspitze der SPD im Bundestag drängt darauf, dass Höcke nicht mehr in den Schuldienst zurückkehren darf.

Eva Högl (SPD), stellv. Vorsitzende Bundestagsfraktion

"Gerade als Geschichtslehrer hat er ja eine hohe Verantwortung, die Schülerinnen und Schüler auf einen guten Weg zu führen und auch politische Bildung im Geschichtsunterricht zu unterrichten. Und jemand der Volksverhetzung macht, der sich so äußert, hat in deutschen Schulen keinen Platz."

Allerdings: Höcke hat sich nicht als Beamter geäußert, sondern als Berufspolitiker. Und: Sämtliche Strafanzeigen wegen Volksverhetzung waren bislang erfolglos.

Verwaltungsrechtler sehen deshalb keine Chance, Höcke aus dem Schuldienst zu entlassen.

Prof. Ulrich Battis, Verwaltungsrechtler

"Diese Forderungen sind, Stand heute, vollkommen unrealistisch. Dafür passt er zu sehr auf, was er sagt. Das sind zwar Dinge, die – ich sage nicht, dass sie disziplinarrechtlich irrelevant sind, es kann durchaus sein, dass man hier ein milderes Mittel einsetzt, aber eine so schwere Straftat eben liegt nicht vor, die es rechtfertigen würde, ihn aus dem Dienst zu entfernen."

Auch wenn die AfD gerne behauptet, die Meinungsfreiheit in Deutschland sei eingeschränkt: Der Rechtsstaat schützt auch ihre radikalsten Vertreter.

Beitrag von Olaf Sundermeyer und Markus Pohl