Landtagswahlen -
Knapp drei Wochen vor der Wahl in Brandenburg: Wird auch hier die AfD die stärkste Kraft oder gelingt es SPD oder CDU noch die entscheidenden Stimmen zu gewinnen? Die letzten Umfragen, die allerdings vor den Wahlen in Sachsen und Thüringen erhoben wurden, sehen die drei Parteien eng beieinander. Doch auch das BSW hat großes Potential in Brandenburg und könnte in einer künftigen Regierung vertreten sein.
Beitrag von Pune Djalilevand, Daniel Donath, Chris Humbs, Kaveh Kooroshy, Markus Pohl und Carla Spangenberg
Besonders für die SPD und ihren Ministerpräsidenten Woidke ist die Wahl von besonderer Bedeutung: Kann die Partei überhaupt noch im Osten Wahlen gewinnen? Woidke hat seine politische Zukunft sogar daran geknüpft, dass seine Partei am stärksten abschneidet – den Wahlkampf möchte er dabei möglichst ohne den Kanzler führen. Der junge CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann hat gute Chancen, erster CDU-Ministerpräsident seit 1990 zu werden, ein Problem ist jedoch sein Bekanntheitsgrad. Linke, Grüne, Freie Wähler und die anderen Parteien haben es in dieser Situation schwer, überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. Kontraste-Reporter haben die Spitzenkandidaten von sieben Parteien beim Werben um die Gunst der Brandenburgerinnen und Brandenburger begleitet. Wo genau die Parteien jetzt, am Beginn der heißen Wahlkampfphase stehen und welche Themen die Menschen im Land bewegen, darüber gibt ein BrandenburgTrend von Infratest dimap im Auftrag von Kontraste Auskunft – es ist die erste Umfrage zur Landtagswahl in Brandenburg nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen.
Anmoderation: Und jetzt steht die Brandenburg Wahl vor der Tür. Wir haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen befragen lassen. Und hier sind die Zahlen: Demnach käme die SPD auf 23 Prozent, ein Plus von 4 Prozentpunkten im Vergleich zum Juli. Die AfD ist demnach stärkste Kraft, auch sie gewinnt 4 Prozentpunkte hinzu. Die CDU käme mit 18 Prozent auf Platz 3. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht würde aus dem Stand 15 Prozent erhalten.
Brandenburg, wie es wohl nur wenige kennen: ein Heimat- und Trachtenfest in der Lausitz vor einigen Tagen. Gefeiert wird auch die Kultur der Sorben – die slawische Minderheit in Deutschland mit eigener Sprache.
60.000 Sorben leben heute noch in Brandenburg und Sachsen. In der NS-Zeit wurde die sorbische Sprache unterdrückt, die Nazis erklärten das Volk für biologisch minderwertig. 80 Jahre später gilt die Lausitz als Hochburg der Rechtsradikalen. Besucher mit einschlägiger Symbolik auch auf dem Fest.
Bei den Kommunalwahlen erzielte die AfD hier Ergebnisse von fast 40 Prozent. Eine Entwicklung, die den Vorsitzenden des sorbischen Dachverbands alarmiert:
Dawid Statnik, Vorsitzender der Domowina – Bund Lausitzer Sorben e. V.
"Wenn wir sehen, dass Jugendlichen hier in der Lausitz gerade wegen ihrer Sprache und Kultur auch weiter angefeindet werden, dass sie auch teilweise körperliche Gewalt erfahren, dann glaube ich ist das eine Entwicklung, gegen die wir uns ganz klar stellen müssen und wo wir auch ganz klar gegenarbeiten müssen, und deswegen sehen wir auch einen gewissen Zusammenhang zwischen einer Partei, die rechtspopulistisches Gedankengut weiter toleriert und den Geschehnissen auf der Straße."
Beim traditionellen Hahnrupfen aber ist die Stimmung gewohnt ausgelassen. Die Sorge vor einem Sieg der AfD teilen wenige Wochen vor der Wahl längst nicht alle. Beispielhaft der parteilose Bürgermeister des Nachbarorts, er ist kein Sorbe:
Ronny Henke, parteilos, Bürgermeister Drachhausen/Hochoza
"Was soll denn hier in der Gegend rechtsextrem sein? Warum soll die AfD rechtsextrem sein, sie vertritt die Meinung der Bürger, die hier in der Gegend also fast alle ein und derselben Meinung sind."
Tatsächlich sind die AfD-Anhänger auch in dieser Hochburg noch eine Minderheit. Aber eine, die auftrumpft.
"Sei schlau, wähl blau! Was anderes geht nicht mehr."
Erstmals könnte die AfD bei dieser Wahl in Brandenburg zur stärksten Partei werden.
Wir sind in der Stadt Brandenburg an der Havel. AfD-Wahlkampf mit Familienfest und Hüpfburg. Anheizer auf der Bühne: Björn Banane, ein Schlagersänger vom Ballermann, bekannt als Corona-Leugner und Verschwörungsideologe.
Björn Banane, Schlagersänger
"Wir sind auf dem Platz uns einig, dass Waffenlieferungen zu keiner Zeit Frieden gebracht haben. Unsere rote Linie ist längst überschritten und wir singen zusammen: Wir sind die rote Linie, an uns kommt keiner vorbei."
Waffenlieferungen an die Ukraine und kriminelle Flüchtlinge – die Hits der AfD im Landtagswahlkampf.
Moderatorin
"Begrüßt mit mir ganz herzlich Dr. Christoph Berndt, der Ministerpräsidenten der Herzen!"
Hans-Christoph Berndt, AfD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ja, danke liebe Mary für diese umwerfende Ankündigung!"
Er lässt sich schon als neuer Regierungschef feiern: Hans-Christoph Berndt, Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag.
Hans-Christoph Berndt, AfD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Es ist unsere Herzensangelegenheit, dass auch die kommenden Generationen hier ihre Heimat haben, dass sie sich nicht den Speisevorschriften und den, den Ehren-Vorschriften und den Riten irgendwelcher hergelaufener Beduinen unterwerfen müssen."
Der Verfassungsschutz führt Berndt als gesichert rechtsextrem. Der will davon nichts wissen.
Hans-Christoph Berndt, AfD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Wir sagen einfach die Wahrheit, wir sagen, wofür wir stehen, unverdrossen. Und wir sind ja halt keine Extremisten. Es tut mir leid, wenn wir nicht so sind, wie Sie uns gerne hätten. Wir vertreten Forderungen, die ich für das Normalste der Welt halte."
Ganz ähnlich sehen das hier viele Besucher.
Besucher
"Was ist denn da rechts? Dass sie sagen Deutsche zuerst, das sagen sie ja nicht mehr. Ich würde sagen, Leute, Deutsche zuerst. Meine Vorfahren haben das – ich bin übrigens ein Ur-Enkel eines SPD-Gründers in der Bismarck-Zeit. Wir waren immer SPD-Wähler. Aber was ist aus der SPD geworden ist, ist doch auch bloß ein korrupter Verein mit Spitzengehältern."
Besucherin
"Mit den ganzen Ausländern erstmal, die jetzt, gehen sie doch mal in die Stadt, sie werden einfach umgebracht, wissen ja gar nicht was ihnen geschieht hier, da hat man ja schon Angst in die Stadt zu gehen, oder irgendwo auf ein Fest."
Tatsächlich haben sich Mord und Totschlag seit den 90er Jahren bundesweit in etwa halbiert. Gezielt aber schürt die AfD nach Solingen die Angst vor Migranten.
Zwei Tage nach der Wahlkampfveranstaltung fordert die Fraktionsspitze im Brandenburger Landtag ein Zweiklassenrecht: Sämtliche Geflüchtete sollen künftig von Festen ausgeschlossen werden.
Lena Kotré, AfD, Landtagsabgeordnete Brandenburg
"Wir fordern ein Betretungsverbot von Asyl-Antragstellern, von Flüchtlingen auf öffentlichen Veranstaltungen. Wenn es dann tatsächlich auch Leute trifft, Unschuldige trifft, die ein Betretungsverbot unterliegen, einem Betretungsverbot unterliegen hier im Land Brandenburg, dann ist das leider so, dann ist das ein Kollateralschaden."
Und eine rassistische Ausgrenzung, die den Werten des Grundgesetzes widerspricht.
Eine Regierungsmehrheit für die AfD aber scheint auch in Brandenburg ausgeschlossen: Niemand will mit ihr koalieren. Und so könnte am Ende doch wieder die SPD den Regierungschef stellen.
Seit elf Jahren ist Dietmar Woidke Ministerpräsident in Brandenburg. Wir sind beim Sommerfest der SPD vergangenen Freitag in Potsdam.
"Das nehme ich meiner Frau mit, haha!"
Woidke versucht, den Wahlkampf zuzuspitzen und schwört die Bürger ein: Er gegen die Rechtsextremisten der AfD.
Dietmar Woidke, SPD, Ministerpräsident Brandenburg
"Sie sagen es mittlerweile offen, was sie tun wollen und was sie tun werden. Kein Jota, keinen Millimeter an Macht dürfen diese Menschen jemals in diesem Land haben, meine sehr verehrten Damen und Herren!"
Woidke hat seine politische Zukunft an einen Sieg der SPD geknüpft. Sollte die AfD vorne liegen, hat er angekündigt, das Handtuch zu werfen.
Im Wahlkampf stellt Woidke seine wirtschaftlichen Erfolge heraus. Besuch einer Stahlbaufirma in Senftenberg. Kaum ein Bundesland verzeichnet so hohe Wachstumsraten wie Brandenburg. Dass die Stimmung trotzdem schlecht ist, liege nicht an ihm, sondern an der Ampel in Berlin:
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ich glaube, dass die Umfragen momentan nicht das widerspiegeln, was bei uns im Land passiert, sondern eher das widerspiegeln, was mit der Bundesebene zu tun hat, aber leider ist es so, nach wie vor, dass überwiegend was in der Öffentlichkeit stattfindet, ist Streit."
Hier soll die große Politik keine Rolle spielen. Woidke zu Besuch bei der Freiwilligen Feuerwehr. Gemeinsam schwelgt man in Erinnerungen an Ost-Produkte:
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Tempolinsen, Tempoerbsen und die Erdnussflips."
Feuerwehrmann
"Die Erdnussflips durch die Extruder Technik."
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ja, ja."
Feuerwehrmann
"Das hat mein Schwiegervater erfunden, der hatte früher am Getreide-Institut gearbeitet."
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Wie heißt ihr Schwiegervater?"
Feuerwehrmann
"Doktor Bernhard Vötter."
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Den kenne ich. Schöne Grüße!"
Feuerwehrmann
"Ne, kann ich nicht mehr. Müssen wir nach da oben gehen."
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ach Gott."
Gezielt versuche Woidke mit seiner persönlichen Popularität zu punkten, sagt unser rbb-Kollege Thomas Bittner, der den Wahlkampf eng begleitet.
Thomas Bittner, rbb24 Redaktion Landespolitik
"Die Leute haben ein Problem mit der SPD, auch wegen der Ampel, aber mit dem Ministerpräsidenten nicht. Der funktioniert gut. Und das ist auch seine Idee im Wahlkampf. Genau das zu tun, zu den Menschen zu gehen, Strohballenfeste zu machen, an die Tische zu gehen, im Eins-zu-eins-Gespräch, da funktioniert er, da ist er der Brandenburger, da ist das alles auf Augenhöhe."
Zum Bundeskanzler aber hält er Abstand. Obwohl Olaf Scholz seinen Bundestags-Wahlkreis in Potsdam hat, gibt es auf Wunsch Woidkes keinen einzigen gemeinsamen Wahlkampfauftritt. Selbst als Scholz zum Sommerfest der SPD kommt, stehen die beiden über eine halbe Stunde in Sichtweite zueinander, aber: keine Begrüßung, man scheint sich zu ignorieren.
Kontraste
"Herr Woidke, ganz kurz, haben Sie keine Lust auf Herrn Scholz, oder hat Herr Scholz nicht auf Sie?"
Dietmar Woidke, SPD, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ich bin, ich bin gerade auf dem Weg zum Bundeskanzler, der soll hier irgendwo sein, ja."
Kontraste
"Ja genau, zehn Meter weg, gehen Sie noch auf ihn zu?"
Unmittelbar darauf dann doch noch der obligatorische Handschlag und ein kurzer Smalltalk. Es wirkt wie eine Pflichtübung für die Kameras.
Während Woidke gegen die Unbeliebtheit seines Kanzlers kämpft, kämpft er gegen seine eigene Unbekanntheit: Jan Redmann, Spitzenkandidat der in Brandenburg traditionell eher schwachen CDU. Dieses Mal aber hat die Partei eine reelle Chance, den Regierungschef zu stellen. Grillfest der CDU in Oranienburg. Viele sind nicht gekommen. Redmann bemüht sich um gute Stimmung.
Jan Redmann, CDU, Spitzenkandidat Brandenburg
"Und auch wenn ich heute nicht mit dem Roller da bin, den Likör, den lassen wir trotzdem hier, haha."
Eine Anspielung auf einen Fehltritt zu Beginn des Wahlkampfs. Mit 1,3 Promille erwischte die Polizei Redmann auf einem E-Roller: 8.000 Euro Geldstrafe und sechs Monate Führerscheinentzug. Zumindest kennen ihn jetzt mehr Brandenburger.
Jan Redmann, CDU-Spitzenkandidat Brandenburg
"Natürlich war das ein Gesprächsthema von vielen Menschen am Küchentisch oder beim Friseur. Das spüre ich auch, dass es der Bekanntheit sicherlich genützt hat. Deshalb war es aber trotzdem ein Fehler, über den ich mich nach wie vor ärgere."
Redmann ist mit einem Mann verheiratet, wird zum liberalen Flügel der Union gerechnet. Wie aber steht er zur AfD? Ohne die Rechtsradikalen sei man auf kommunaler Ebene kaum mehr handlungsfähig, sagt ein CDU-Lokalpolitiker.
Klaus Brietzke, CDU, Gemeindevertretung Mühlenbecker Land
"Die Brandmauer Hinweise, die nützen uns auch nichts. Wir müssen in der Sache, ob jetzt nun Sachfrage, Projekte oder Sachfrage Personal auch mit diesen Leuten zusammenstimmen."
Jan Redmann, CDU, Spitzenkandidat Brandenburg
"Bleiben Sie bei Ihren Inhalten. Stellen Sie Ihre Anträge, die Sie für richtig halten. Wo ich aber von abraten würde, wäre immer, Anträge der AfD zu unterstützen, weil Sie müssen immer wissen, wer in dieser AfD drin ist, der akzeptiert den Extremisten in diesem Land zu helfen. Und die AfD ist rechtsextremistisch. In Brandenburg ist sie rechtsextremistisch durch und durch."
Die politische Lage für die CDU: kompliziert. Vor allem weil jetzt auch noch eine neue, unberechenbare Kraft hinzukommt.
Ulrich Strempel, CDU, Kreistagsabgeordneter Oberhavel
"Seit neuestem gibt es aber eine, ich nenne sie mal nationalistisch-sozialistische Kaderpartei, die auch in Brandenburg, leider, sehr gute Chancen hat, wenn man den Umfragen glauben darf. Das BSW. Wie halten Sie es mit den BSW?"
Jan Redmann, CDU, Spitzenkandidat Brandenburg
"Man wird unsere sicherheits- und außenpolitischen Positionen nicht über Koalitionsverhandlungen im Land Brandenburg verändern können. Wenn man sich über Brandenburg unterhalten will, wenn wir uns über Bildungspolitik, wenn wir uns über Migrationspolitik, über Sicherheitspolitik unterhalten wollen, können wir das gerne tun. Aber bei den anderen Themen müssen sie auf dieser Ebene, auf der Ebene besprochen werden, auf die sie gehören."
Das aber bleibt ein frommer Wunsch. Denn auch in Brandenburg zieht die Wagenknecht-Partei mit der Frage nach Krieg und Frieden in den Landtagswahlkampf. Ohne das BSW aber dürfte eine Regierungsbildung schwierig werden. Sie sind die große Unbekannte.
Hausbesuch bei Robert Crumbach – Spitzenkandidat des BSW in Brandenburg. Von seinem Zuhause aus managt er die Partei. Crumbach ist von Beruf Arbeitsrichter. Nach 40 Jahren in der SPD wechselte er zum Wagenknecht-Bündnis.
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Jetzt sind Sie in unserem Wahlkampflager für Potsdam. Wir haben kleine Postkarten für unsere Veranstaltung am 18. September. Auch immer mit mir drauf. Sie fragten ja eben schon nach Plakaten. Gibt tatsächlich auch welche von mir. Natürlich sehr viel weniger."
Kontraste
"Warum gibt’s denn viel weniger Plakate mit Ihnen als mit Frau Wagenknecht? Sie sind ja der Spitzenkandidat in Brandenburg?"
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Natürlich bin ich der Spitzenkandidat, aber Frau Wagenknecht ist der Name und das Gesicht unserer Partei, viel bekannter als ich und auch viel hübscher. Also gibt’s mehr Plakate von ihr."
Nur wenige Kilometer weiter. In einem Potsdamer Plattenbauviertel wirbt Crumbach um Stimmen.
Passant
"Das ist das erste Mal, dass ich ein Gesicht sehe, außer die Frau Wagenknecht."
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ja."
Passant
"Ja."
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Schön. Schauen Sie. Darf ich es Ihnen mitgeben?"
Passant
"Dankeschön."
Passantin
"Sahra Wagenknecht. Ja, die hätte ich gerne."
Diese Frau hat früher SPD gewählt.
Passantin
"Ich bin sehr enttäuscht auch von dem Herrn Woidke, war ich damals ganz begeistert, dachte ich ein gestandener Mann, aber viel Hilfe haben wir nicht dadurch. Uns vergisst man. Uns Landsleute vergisst man."
Ähnlich wie die AfD will auch die Wagenknecht-Partei die Flüchtlingspolitik verschärfen. Crumbach selbst aber scheint in der Frage einen etwas anderen Kurs zu fahren.
Kontraste
"Sind Ihrer Meinung nach zu viele Menschen nach Deutschland gekommen in den letzten Jahren?"
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Ich bin kein Erbsenzähler, das ist nicht für mich die Frage: Ist das einer zu viel oder ist das einer zu wenig."
Wir begleiten Crumbach zu einem Wahlforum für Unternehmer in der Region Cottbus. Eine Hochburg der AfD. Es geht um Strukturwandel und Fachkräftemangel.
Hier schlägt Crumbach plötzlich auch harte Töne an. Offenkundig zur Zufriedenheit des AfD-Kandidaten direkt neben ihm.
Robert Crumbach, BSW, Spitzenkandidat Brandenburg
"Manche meinen, der Schlüssel für den Fachkräftemangel liege in der Migration. Dass wir die uns einfach von irgendwo hierherholen, und da müssen wir nur ganz schnell, ganz toll die ausländischen Abschlüsse anerkennen oder die Leute selber ausbilden. Wir wissen alle, dass wir mit Migration ein gewisses Problem haben. Und die, die das nicht laut sagen, die lügen sich in die Tasche. Das funktioniert nicht."
Das stille Verständnis zwischen AfD und BSW - für den örtlichen Kandidaten der Linken bezeichnend.
Christopher Neumann, Die Linke, Landtagskandidat Brandenburg
"Da wurde sich ja auch gegenseitig Recht gegeben und der Ball bisschen hin- und her gespielt und so. Und ich befürchte, das wird halt im nächsten Landtag auch so laufen."
Seine Partei droht durch die Abspaltung des BSW aus dem Landtag zu fliegen. Dass bei der Linken in den vergangenen Jahren vieles schief lief, gesteht Neumann zu.
Christopher Neumann, Die Linke, Landtagskandidat Brandenburg
"Wir haben uns die ganze Zeit immer öffentlich miteinander beschäftigt und gestritten, da gibt es nichts drumherum zu reden. Und natürlich wird man dann nicht mehr ernst genommen und die Menschen schreiben einem keine Lösungskompetenzen mehr zu. Dieser Streit ist jetzt beendet. Nicht zuletzt auch durch diese Abspaltung und jetzt ist es unsere Aufgabe unseren Arsch hochzukriegen."
Gelingen soll das mit einem Robin-Hood-Image. Der Linken-Spitzenkandidat Sebastian Walter setzt auf das Thema soziale Gerechtigkeit:
Sebastian Walter, Die Linke, Spitzenkandidat Brandenburg
"Einfach mal auch ne politische Kraft, die auch über die sozialen Probleme redet, und nicht so tut, als ob hier irgendwie die Ausländer alle Schuld sind oder die Bürgergeldempfänger, sondern dass wir eigentlich ganz andere Probleme haben in diesem Land."
Vieles aber spricht dafür: Die Linke steht vor dem parlamentarischen Aus. Und auch die Grünen müssen um den Einzug in den Landtag bangen.
Wir sind in Fürstenwalde - im Osten des Landes. An die abgerissenen Plakate hat sich Spitzenkandidat Benjamin Raschke schon gewöhnt. An die Beleidigungen nicht.
Passant
"Ihr Volksverräter, ey"
Kontraste
"Wenn jetzt so junge Leute Volksverräter rufen, was macht das mit Ihnen?"
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Das fühlt sich für mich persönlich manchmal so an wie in den Neunzigern, wo wir auch schon mal so eine starke rechte Jugendbewegung hatten, von der wir gedacht haben, wir haben es erfolgreich geschafft."
Feindbild Grüne. Darauf, so scheint es, können sich derzeit fast alle Parteien einigen. Raschke sieht aber auch eigene Fehler.
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Allein wie die Debatte um das Heizungsgesetz geführt wurde, hat für uns hier in Brandenburg 15 Jahre Aufbauarbeit im ländlichen Raum auf einen Schlag zunichte gemacht. Also es fühlt sich wirklich an wie vor 15 Jahren. Wir müssen wieder, wir müssen wieder überhaupt die Schwelle überschreiten zu sagen: Also das ist ein Grüner, so, und überhaupt durch das Feindbild durchdringen."
Wie schwer das ist, zeigt sich auch heute.
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Guten Abend, wir machen Haustürwahlkampf. Darf ich Ihnen was zu lesen dalassen?"
Bewonherin
"Ne"
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Dankeschön. Es geht nur darum, ob Sie was zu lesen haben möchten zur Landtagswahl."
Bewohner
"Ne."
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Dankeschön. Sicher?"
Bewohner
"Ja."
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Danke"
Bewohner
"Was sind Sie für welche? Die Grünen? Die sind für mich auch gestorben."
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Sagen Sie mir, warum?"
Bewohner
"Die ehemalige Grüne Partei sind die größten Kriegshetzer..."
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Ukraine."
Bewohnerin
"Ist halt so, aber die Grünen sind dit für mich auch nicht."
Bewohner
"Aber Sie können beruhigt sein, die AfD wähl ich auch nicht.
Benjamin Raschke, Bündnis 90/Die Grünen, Spitzendkandidat Brandenburg
"Das freut mich sehr."
Die AfD hat den Wahlkreis vor fünf Jahren gewonnen. Damit das nicht wieder passiert, setzt die grüne Direktkandidatin auf einen ungewöhnlichen Wahlkampf.
Erdmute Schäufele, Bündnis 90/die Grünen, Landtagskandidatin
"Ich bin Erdmute Schäufele, Ihre Kandidatin hier, aber wählen Sie mich nicht. Ich bin nämlich nur für Ihre Zweitstimme tatsächlich hier mit dabei."
Denn die Zweitstimme entscheidet wie viele Sitze eine Partei im Landtag bekommt. Die Erststimme dagegen geht an den Direktkandidaten eines Wahlkreises. Wer hier gewinnt, zieht ein, alle anderen Stimmen verfallen.
Erdmute Schäufele, Bündnis 90/die Grünen, Landtagskandidatin
"Zwischen SPD und AfD ist es gerade ziemlich knapp hier. Und um das zu verhindern, dass vielleicht die, weiß ich nicht, 5, 6, 8 Prozent oder wie viel Prozent es sein mögen, dann fehlen für den SPD-Kandidaten, sage ich das halt direkt so, es ist ja schon auch eine strategische Entscheidung sozusagen. Und es geht mir um die Demokratie und nicht um mich."
Trotzdem läuft hier gerade Vieles für die AfD. Dieser Anwohnerin bereitet das Sorgen:
Kontraste
"Was ist die Befürchtung konkret?"
Anwohnerin
"Dass die ziemlich mit ihren Prozentzahlen nach oben schießen werden hier, weil es halt sehr viele gibt, die sehr unzufrieden sind und auch mit den Leistungen der Parteien der letzten Jahre. Egal wie die Koalitionen waren. Egal, ob Frau Merkel war oder die, die wir jetzt haben, sage ich mal, mit Herrn Scholz."
Noch ist nicht absehbar, wer künftig in Brandenburg regiert. Und am Ende könnte alles sogar an einem einzigen Kandidaten hängen.
Auftritt Péter Vida, Landesvorsitzender der BVB/Freie Wähler. Zum Gauklerfest in der Bernauer Innenstadt hat sich Vida eine Art mobilen Ausschank umgeschnallt. Es gibt Orangensaft und Likör. Wahlkampf mit Schuss.
Péter Vida, BVB/Freie Wähler, Spitzenkandidat
"Na ja, man will gute Stimmung, man will auch natürlich auffallen, ins Gespräch kommen und nicht so das dröge übliche Podiumsdiskussion, wo die Bürger zuschauen können. Weil Interaktion, direktes Gespräch und, ja, Herz und Ohr direkt an der Basis."
Vida hält hier im Wahlkreis das Direktmandat. Verteidigt er es, ziehen die Freien Wähler entsprechend ihres Zweitstimmenanteils erneut in den Landtag ein, selbst wenn sie unter fünf Prozent bleiben.
Péter Vida, BVB/Freie Wähler, Spitzenkandidat
"So, hier, ran hier."
"Und noch was zum Lesen dazu."
"So wie siehts hier aus. Orangensaft – mit Schuss oder ohne?"
Um ins Gespräch zu kommen, hat Vida auch ein Video produziert: gegen hohe Dönerpreise.
Péter Vida
"Holt euch den Döner zum halben Preis auf meinen Nacken mit Péters Dönerpreisbremse!"
Schülerin
"Also ich finde Döner ist viel zu teuer."
Schüler
"Es ist echt krass. Früher konnte ich zwei-, dreimal die Woche Döner holen, heute nur noch einmal, weil ich einfach nicht das Geld dazu habe."
Péter Vida, BVB/Freie Wähler, Spitzenkandidat
"Gerade Schüler nervt es. Zurecht."
"Populismus der Mitte" – so nennt Vida sein Politik-Konzept.
Péter Vida, BVB/Freie Wähler, Spitzenkandidat
"Wir haben den Rechtspopulismus, der keine Lösungen bietet, wir haben den Linkspopulismus, der noch nichts geschaffen hat, aber mit lauter Stimme durchs Land zieht, und da immer in der Mitte bleibt es immer leerer."
Wir begleiten Vida beim Haustürwahlkampf. Auch in seinem Wahlkreis ist die AfD die größte Konkurrenz.
Anwohner
"Ja, ich wähle AfD. Und in die Schiene, in die Schiene, dass AfD die Probleme löst, in die möchte ich mich nicht begeben, weil das weiß ja keiner, was passiert. Es ist nur die Unzufriedenheit mit der Regierung."
Eine Haltung, gegen die schwer anzukommen ist. Selbst hier, im vergleichsweise wohlhabenden Berliner Speckgürtel, hat sich eine diffuse Unzufriedenheit breit gemacht. Die Haltung dieser Frau, laut Umfragen exemplarisch für viele Menschen in der Region.
Anwohner
"Mir persönlich gehts ganz gut. Ich hab’n Job. Wir wohnen hier ganz gut. Wir haben ja keine Probleme. Aber. Also wir hier für uns jetzt. Aber wenn man natürlich jetzt ganz Deutschland betrachtet, gibts wohl schon große Probleme, ne."
Die Wahl in Brandenburg – ein Stimmungstest für die ganze Republik.