Norbert Hofer vor österreichischer Flagge, Quelle: rbb

WIR gegen DIE - Österreich als Erfolgsmodell für Europas Rechtspopulisten

Für die rechtspopulistische AfD sind die Präsidentschaftswahlen in Österreich und der erzielte Erfolg ein Lehrstück. Nach dem Motto "WIR gegen DIE" wetterte die FPÖ mit dem Gestus des Saubermanns gegen Ausländer, die EU und das politische Establishment. Das fanden Wähler aller Milieus äußerst attraktiv. "Wir sind die Partei der Mitte!" ist seither das Credo des FPÖ-Chefs und Kanzlerkandidaten Heinz-Christian Strache, der sich selbst zwischen Franz-Josef Strauß und Viktor Orbán verortet.

Anmoderation: Die rechtsgerichtete FPÖ in Österreich sorgt wieder für Schlagzeilen. Sie haben es gehört: Die Partei hat das Ergebnis der Präsidentenwahl, die ganz knapp zugunsten des unabhängigen Kandidaten Van der Bellen ausging, angefochten. Offenbar wittern die Rechtspopulisten eine zweite Chance. Im Wahlkampf haben wir ja vor allem ihn, den FPÖ-Kandiaten Norbert Hofer, wahrgenommen. Doch wer oder was steckt wirklich hinter dem Erfolg der FPÖ - die übrigens, anders als die deutsche AFD, kein neues Phänomen ist? Die FPÖ existiert bereits seit 1955, gegründet wurde sie von zum Teil schwer belasteten ehemaligen Nazis. Wie sich die Partei heute inszeniert, zeigen Chris Humbs und Markus Pohl.

"Immer wieder Österreich, immer wieder Österreich…"

Ein halbes Land im nationalen Taumel.

"... für immer und ewig!"

Seit die österreichische FPÖ bei der Bundespräsidentenwahl fast 50 Prozent der Stimmen gewonnen hat, ist die kleine Alpenrepublik Sehnsuchtsort für Europas Rechtspopulisten. Auch die AfD feiert mit.

O-Ton Andreas Schumacher, Bundesvorstand Junge Alternative
"Es bricht ein neues Zeitalter in Europa an, ein neues Zeitalter des Patriotismus, der Freiheit und der sozialen Partei!"

Frauke Petry gratuliert persönlich: Von der FPÖ lernen, heißt siegen lernen, das ist die Hoffnung.

Er ist der Vater des Erfolgs: FPÖ-Chef Heinz-Christian, genannt HC, Strache, umjubelte und umschwärmte Führungsfigur der Rechtspopulisten. Laut Umfragen hat er beste Chancen, Österreichs nächster Kanzler zu werden. Schon jetzt gibt er sich staatstragend.

O-Ton Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann FPÖ
"Wir sind die neue Mitte! Das muss man auch den Medienleuten mitteilen. Die neue Mitte sind wir in dieser Gesellschaft. Wir haben nichts mit Extremen zu tun, wir haben nichts mit Radikalisierung zu tun, ganz im Gegenteil."

Daran darf man zweifeln. Strache ist wie sein Parteikollege Norbert Hofer Mitglied einer schlagenden, deutschnationalen Burschenschaft. Als ein Foto auftauchte, das ihn mit dem Kühnengruß - einem Erkennungszeichen von Rechtsextremen - zeigt, kommentierte Strache: Er habe doch nur drei Bier bestellt.

In seiner Jugend hatte Strache Kontakt zu Neonazis. Es gibt eine umstrittene Fotoserie von ihm, die Szenen erinnern an Wehrsportübungen. Strache sagt, man habe damals lediglich Paintball gespielt.

Gegenüber Kontraste erklärt der FPÖ-Chef seine damaligen Verbindungen in die Neonazi-Szene so:

O-Ton Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann FPÖ
"Wir haben ja alle in unserer Jugendzeit Entwicklungen gehabt, ich war ja in meiner Jugendzeit auch ein Suchender wie viele. Ich hab auch teilweise mir alle möglichen unterschiedlichen Parteien auch angesehen. Es war eine Entwicklung als Suchender, wo ich so meine drei, vier Veranstaltungen erlebt habe, wo ich teilgenommen habe und danach eigentlich gewusst habe, das ist es nicht"

Bernhard Heinzlmaier, Soziologe

Es ist eine latent rechtsradikale Partei. Da führt kein Weg dran vorbei. Und das sieht man auch immer wieder, das bricht immer wieder durch.

Bis heute aber setzt die FPÖ unter Strache auf Ressentiments gegen Migranten: Das "Wiener Blut" soll rein bleiben und vor Fremden bewahrt werden, Marokkaner werden pauschal als Diebe verunglimpft. Systematisch schürt Strache in seinen Reden die Angst vor Muslimen.

O-Ton Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann FPÖ
"So wie in Wien, 150 islamische Kindergärten für Parallel- und Gegengesellschaften, die noch mit unserem Steuergeld subventioniert werden, damit man - jetzt sag ich ganz brutal - die radikalen islamistischen Kopfabschneider auch für die Zukunft bei uns gezüchtet haben, na."

Wiener Kindergärten als Brutstätten des Terrors. Solche Demagogie ist für den Soziologen und Politikberater Bernhard Heinzlmaier charakteristisch für die FPÖ.

O-Ton Bernhard Heinzlmaier, Soziologe
"Es ist eine latent rechtsradikale Partei. Also da führt kein Weg dran vorbei. Und das sieht man auch immer wieder, das bricht immer wieder durch."

Und gerade die Österreicher seien besonders empfänglich für solches Gedankengut, meint Heinzlmaier.

O-Ton Bernhard Heinzlmaier, Soziologe
"Die österreichische Gesellschaft war immer eine ressentimentbeladene Gesellschaft. In Österreich sind immer Proteste, sind immer nach rechts gegangen. Die Gesellschaft hat immer einen Modernisierungsrückstand gehabt, was das politische Denken betrifft, also ein tief sitzendes Ressentiment gegen alles Fremde, gegen alles Andere."

Altes Denken, modern verpackt. Im Internet ist die FPÖ omnipräsent. Ihr Frontmann inszeniert sich hier sogar als Politrapper:

"Machen wir Österreich doch gerecht, sind wir nicht länger Brüssels Knecht. Für unsere Familien gibt's mehr Geld, statt Zuwanderung aus aller Welt. Steht auf, wenn ihr für HC seid…"

Auf Facebook hat Strache so viele Likes wie ein Popstar. Hier streut er Geschichten und Gerüchte über Flüchtlinge - selbst wenn die nachweislich falsch sind.

Den Hass, der so geschürt wird, bekommen Andersdenkende zu spüren. Die Autorin Stefanie Sargnagel etwa hat sich öffentlich über die FPÖ lustig gemacht. Die Folge: ein Shitstorm samt Morddrohungen.

Zitate:
"Boah du hässliche Kampflesbe, lieber tot als rot. Du hast ja nicht mal ne Kugel verdient, höchstens einen Stein oder einen schönen Löffel!"

"Ach, ein armer Flüchtling rasselt schon drüber über dich, aber mit seinen sechs Brüdern."

"Sowas Dummes wie du gehört zurückgefickt und abgetrieben, du Dreckmaul!"

"Bitte, bring dich um!"

O-Ton Stefanie Sargnagel, Autorin
"Das hier erleb ich auch zum ersten Mal. Dass man als linke Künstlerin soo stark attackiert wird, das ist mir halt auch noch nie passiert. Also die Leute trauen sich einfach mehr, ich glaub das ist generell bei so einem Wahlergebnis halt, dass die Hemmschwelle sinkt, sein Gesicht zu zeigen, mit so rassistischen Ansichten, die man vielleicht vorher eher nur am Stammtisch unter Gleichgesinnten gesagt hat."

Vor allem die Flüchtlingspolitik bringt der FPÖ Zulauf. Zug um Zug hat sich die Große Koalition in Österreich Forderungen der FPÖ gebeugt: Zäune und Obergrenzen für Flüchtlinge, Bau von Barrikaden am Brenner. All das mit dem Effekt, dass die FPÖ noch stärker wurde.

Auf dem Land kam die Partei bei der Stichwahl mancherorts auf mehr als 80 Prozent. Dort, wo es kaum Flüchtlinge gibt, die Angst vor ihnen aber besonders groß ist.  

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit gewinnt die FPÖ aber auch in Milieus, die ihr bislang verschlossen blieben. Beispiel: Wien-Simmering, ein traditioneller Arbeiterbezirk, mit vielen sozial Abgehängten. Jahrzehntelang fest in der Hand der Sozialdemokratie.

Bis dieser FPÖ-Mann kam: Paul Stadler, genannt "Der Bulle von Simmering". Ein Mann nah am Volk, ohne Berührungsängste.

"Immer wieder Österreich, für immer und ewig..."

Eine "soziale Heimatpartei" will die ehemals neoliberale FPÖ jetzt sein und fordert 1.600 Euro Mindestlohn. Paul Stadler sieht sich als Kümmerer, der die Sorgen der einfachen Leute Ernst nimmt. Aber auch in Simmering steht das Feindbild: die Ausländer.

O-Ton Paul Stadler, FPÖ, Bezirksvorsteher Wien-Simmering
"Das Problem, was derzeit die Bevölkerung im Bezirk hat, das ist, sie hat die Angst, dass sie ausgetauscht wird. Es kommen immer mehr Migranten, und sie müssen überall rückstehen. Wann sie die Simmeringer Hauptstraße vorgehen, wir haben da einen kurzen Bereich, nennt sich Little Istanbul. Das sind 30 oder 40 türkische Geschäfte auf kleinem Eck. Jetzt habe ich aber ein großes Problem: Ihr bei den Deutschen wisst es, Bier ist ein Grundnahversorgungsmittel. Jetzt führen die aber keine Alkoholika. Schwarzbrot ist bei uns gang und gäbe, führen die nicht, die führen nur Fladenbrot. Und da haben wir aber die Probleme mit der Bevölkerung, weil die kommen und sagen: Ich krieg weder mein Bier noch krieg ich mein Schwarzbrot, Schweinefleisch brauchen wir ja gar nicht reden, das hat er auch nicht. Was soll ich mit dem machen, mit dem fang ich nichts an."

Fremdenfeindliche Ressentiments und Sozialneid auf Flüchtlinge - für Bernhard Heinzlmaier das Erfolgsrezept der FPÖ.

O-Ton Bernhard Heinzlmaier, Soziologe
"Die Trumpfkarte der Rechten ist, dass sie die Situation nicht verbessern, aber immer einen Schuldigen präsentieren können, der den Menschen die Möglichkeit gibt, die ganze Wut auf sich zu ziehen, und wo man sich entladen kann. Das ist das ganze Geheimnis rechtspopulistischer Politik."

Ein Durchmarsch der FPÖ ist aber nicht unvermeidlich. Das sozialdemokratische Urgestein Michael Häupl gewann erst kürzlich die Bürgermeisterwahl in Wien - mit einem klaren Bekenntnis zu einer humanen Flüchtlingspolitik. Und mit Alexander van der Bellen wird voraussichtlich ein Kandidat Bundespräsident, der sich wesentlich deutlicher als die Große Koalition von der FPÖ abgrenzt.

O-Ton Bernhard Heinzlmaier, Soziologe
"Die Wähler-Rückholungsaktion läuft meiner Meinung dann, ist dann produktiv, wenn man den Leuten sagt, ihr seid auf dem falschen Weg. Und wenn man sich nicht bei denen einschleimt und sagt, ja dort und dort habt ihr ja recht, aber ihr müsst euch nicht unbedingt so radikal äußern. Das ist Unsinn, weil die Leute werden dann dort bleiben, wo sie sich mit ihrer radikalen Position besser aufgehoben fühlen, sie bleiben beim Schmied und gehen nicht zurück zum Schmiedl, wie man in Österreich so schön sagt."

Eine Lehre, die man auch beim Umgang mit deutschen Rechtspopulisten beherzigen könnte.

Abmoderation: Von den Erfolgen der FPÖ möchte die AFD nur zu gerne profitieren: Morgen wollen AFD-Chefin Petry und FPÖ-Chef Strache über ihre Zusammenarbeit reden, inszeniert haben sie das Gespräch zu einem "Gipfeltreffen" auf der Zugspitze.

Beitrag von Chris Humbs & Markus Pohl