Pegida demonstriert, Quelle: rbb

Pegida - Biedermeier und Brandstifter

Über Pegida-Demonstranten wird viel spekuliert und diskutiert. Kontraste begleitet Pegida-Anhänger und versucht, den Motiven der Unzufriedenen auf den Grund zu gehen. Was eint sie, wo liegen die Widersprüche? Aber vor allem: Wie verändern sie das Klima für Flüchtlinge, von denen sich schon jetzt viele nicht mehr auf die Straße trauen?

Meinen Kollegen Caroline Walter und Christoph Rosenthal ist es gelungen, einen Blick auf die Menschen hinter den Pegida-Parolen zu werfen. 

Wir sind in Perba, einem sächsischen Dorf mit 180 Einwohnern. Es gibt hier nur eine Bushaltestelle - keinen Laden, nichts. Mitten im Dorf hängt ein Aufruf: Alle sollen zur Pegida-Demo fahren. Joachim Möhler will am Abend unbedingt zur Demonstration. Er zeigt uns warum. In diesen Wohnblock sollen bald bis zu 50 Asylbewerber einziehen, so war jedenfalls der Plan des Landkreises. Doch Herr Möhler und das Dorf fühlen sich überfordert.

Joachim Möhler
"Jetzt passiert überfallartig eine Ansiedlung von - egal wie man es nennen will - 50 fremden Menschen, wenn es geht noch von Einzelpersonen, ganz einfach, das sind diffuse Ängste oftmals, die kann man nicht fassen."

Es gab zwar eine Informationsveranstaltung für die Bürger, doch die Stimmung wurde schnell aggressiv. Es kamen Vorurteile wie: "man könne die Kinder dann nicht mehr allein vor die Tür lassen". Der Landkreis wiederum konnte den Bürgern noch nicht genau sagen, aus welchen Ländern die Flüchtlinge kommen.

Joachim Möhler
"Was sind denn das für Informationen? Wenn sie gesagt kriegen, das ist ein Gesetz, ihr Leute, ihr habt gefälligst Nächstenliebe zu üben und damit Basta. Mehr Information ist ja nicht gekommen."

So jedenfalls kam es an. Mit Petitionen und Beschwerden bis zum Innenminister versuchte das Dorf den Landkreis unter Druck zu setzen. Und dann gab's auf einmal Pegida.

Joachim Möhler
"Pegida ist für uns ein Werkzeug. Und da sag ich nicht, das ist ein falscher Hammer oder der richtige Hammer oder die falsche Zange oder die richtige Zange. Das ist die Zange, die ich im Moment brauche."

Dabei ist der Landkreis schon im Dezember dem Dorf entgegen gekommen, es sollen weniger Flüchtlinge untergebracht werden. Aber das will hier offenbar keiner glauben. Zulauf für Pegida – weil die Politik vor Ort selbst oft überfordert ist.

Das Landratsamt Meißen braucht Asylunterkünfte und stößt egal wo auf Proteste. Man räumt ein, dass da Kommunikationsfehler passieren.

Ulrich Zimmermann
Landratsamt Meißen

"Wir waren selber aufgrund der Zuweisungspraxis des Landes und des Bundes höchst verunsichert, wer überhaupt auf uns zukommt und von daher waren die Informationen sicherlich nicht ideal, sage ich mal, wie es gelaufen ist."

Herr Möhler ist auf der Pegida-Demo eingetroffen. Er will auf der großen Bühne über das Problem in Perba sprechen - das hat man ihm zugesagt. Doch dann reden nur die Organisatoren, Herr Möhler kommt nicht zu Wort. Zwar ist er etwas enttäuscht, aber das Gefühl - hier mit dabei zu sein - entschädigt.

Joachim Möhler
"Das ist erstmal ein ganz erhebendes Gefühl, wenn man auf so eine Menge gleichgesinnte Leute trifft, die man nicht kennt, da kommt man sofort mit allen ins Gespräch, man ist per du."

Als der Pegida-Zug auf Gegendemonstranten trifft, sucht Herr Möhler das Gespräch – und plötzlich bekommt das Thema Asyl eine neue Wendung.

Joachim Möhler
"Und zwar ist es so, dass im Islamismus die Frau hinter der Ziege kommt. Erst kommt das Kamel, dann kommt die Ziege und dann kommt die Frau."
Gegendemonstrant

"Das ist dann schon wieder die Propaganda. Eine Frau ist weniger wert, steht nirgendswo im Koran drinne."
Joachim Möhler

"Aber behandelt werden die Frauen so."
Gegendemonstrant

"Das hat aber nichts mit dem Islam zu tun."
Joachim Möhler

"Ne, aber mit dem Islamismus. Der Islam ist ne Religion, und der Islamismus ist kollektiver Wahnsinn."

Herr Möhler fühlt sich bestätigt, bei Pegida auf der richtigen Seite zu stehen, aber auch das täuscht.

Pegida-Demonstrant
"Die Lüge vom Gewinn Deutschlands durch diese Neger oder sonstige Leute, die doch niemals lesen und schreiben können. Komm hören sie auf, die Leute haben in Südtirol niemals ne Aufenthaltsgenehmigung bekommen, die können niemals in Werkstätten arbeiten, weil sie gar nicht wissen wie ne Schraube rumgedreht wird. Und das wollen sie alles reinholen und wir sollen davon dann noch Sozialprodukt gewinnen."

Solche Äußerungen gehen Herrn Möhler dann doch zu weit.

Joachim Möhler
"Na sicher stört's mich, das ist mir nicht angenehm. Aber ne Demokratie muss einfach so stark sein, dass man auch mit den Leuten zurechtkommt."

Die Stimmung an diesem Abend ist äußerst aggressiv. "Lügenpresse, Lügenpresse."

Kurz danach: wir sind in Dresden-Klotzsche - hier wohnt so mancher Pegida-Anhänger. Auf diesem Grundstück soll ein Asylbewerberheim gebaut werden. Aber die Flüchtlinge will man lieber im Industriegebiet sehen.

Junger Mann
"Irgendwo in der Pampa. Weit weg von der Stadt. Da können sie erstmal runterkommen und wenn dann da der Krisenherd behoben ist, gehen sie wieder zurück und so ist das gut."
KONTRASTE
"Jetzt sind ja jeden Montag in Dresden mehr Leute, die bei Pegida auf die Straße gehen. Waren Sie da auch schon?"
Junger Mann
"Noch nicht aber ich werde mich auch anschließen."

Die Asylbewerber sollen erst in zwei Jahren kommen, aber Gerüchte haben jetzt schon Hochkonjunktur.

KONTRASTE
"Wovor hat man denn konkret Angst?"
Junge Frau
"Dass die Überfälle weitergehen. Dass Kinder gestohlen werden. Wie auch immer. Was alles zusammen kommt. Was man so hört..."
KONTRASTE
"Aber es ist ja noch nicht ein Fall bekannt, wo Kinder von Asylbewerbern gestohlen wurden."
Junge Frau
"Hier sind schon so viele Kinder weggekommen."
KONTRASTE
"Und das waren alles Asylbewerber?"
Junge Frau
"Ja."
KONTRASTE
"Was halten Sie denn von Pegida?"
Junge Frau
"Super."

Hier erfahren wir, was bei Pegida-Demos nicht offen ausgesprochen wird.

Mann
"Ich hoffe, es gehen noch mehr am Montag dorthin."
KONTRASTE
"Warum gehen Sie denn zu Pegida, konkret?"
Mann
"Weil ich was gegen Asylbewerber hab. Ich hab was gegen Asylbewerber."
KONTRASTE
"Im Allgemeinen?"
Mann
"Im Allgemeinen."
KONTRASTE
"Aber wo soll man denn hin mit den ganzen Flüchtlingen?"
Mann
"In ihr Heimatland zurück."

Während unserer Dreharbeiten, kommt die Nachricht, dass in Dresden ein Asylbewerber aus Eritrea erstochen wurde.

Dieser Rentner spricht uns an, um uns seine Meinung zu sagen.

Rentner
"Welche Flüchtlinge kommen denn her? Der gestern angeblich in Dresden erstochen wurde, ist einer aus Eritrea. Das ist weder Kriegsgebiet noch sonst was."
KONTRASTE
"Sie wissen schon, welche Verhältnisse da herrschen?"
Rentner
"Dort wurde zumindest, laut Zeitung geschrieben, dort herrscht nur ne Diktatur und Verfolgung. Und nicht mehr."
KONTRASTE
"Da herrscht nur eine Diktatur?"
Rentner
"Naja, was ist denn hier teilweise, wenn mir die Merkel vorschreibt, wo ich hinzugehen hab. Ist das keine Diktatur."

Wir sind zu Gast bei somalischen Asylbewerbern in ihrer Wohngruppe. Sie erzählen uns, die Stimmung in der Stadt habe sich in den letzten Monaten völlig verändert, seit den Pegida-Demonstrationen. Früher seien viele Dresdner freundlich gewesen. Jetzt erleben die Flüchtlinge immer öfter Anfeindungen. Passanten schreien sie grundlos an, beschimpfen sie als "Neger". Aber nicht nur das, berichtet Faisal.

Faisal
"Letzte Nacht rief mich ein syrischer Freund an und sagte, er sei von Leuten angegriffen worden und die Polizei wurde gerufen, um ihn und seine Familie zu beschützen."

Nicht der einzige Vorfall. Sie haben mittlerweile Angst, abends aus dem Haus zu gehen. Zum Beispiel zum Fußballtraining, wo sie bisher mit Deutschen zusammen gespielt haben.

Abdulkadir
"Wenn ich das sehe, dass 25.000 Dresdner Bürger gegen dich sind, dann ist es nicht einfach, sich noch auf die Straße zu trauen. Dann bleibst du zuhause. Von den 25.000 ist die Mehrheit sicher friedlich, aber da sind bestimmt auch gefährliche Leute mit dabei."

Die Somali hier wissen, dass Pegida gegen Islamisierung protestiert. Aber sie verstehen nicht, was das mit ihnen als Asylbewerber zu tun hat. Denn sie sind selbst vor Islamisten aus Somalia geflüchtet.

Abdulkadir
"Deshalb bin ich aus meinem Land geflohen, weil dort die Extremisten unschuldige Menschen töten, sie töten islamische Geistliche, Ärzte und Studenten. Wenn die Demonstranten in Dresden gegen diese Extremisten sind, gegen die bin ich doch auch."

"Wir sind das Volk!"

Die Pegida-Anhänger interessiert nicht, was ihre Parolen auslösen, welches Klima gegenüber Fremden dadurch herrscht. Aber vielleicht wäre das mal einen Gedanken wert.

Angst und Unsicherheit verbreiten - ein Effekt von Pegida, der von vielen einfach in Kauf genommen wird - sagt der Konfliktforscher Prof. Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin. Mein Kollege Axel Svehla hat mit ihm gesprochen. Das ausführliche Interview können Sie sich gerne auf unserer Homepage ansehen.

Beitrag von Caroline Walter und Christoph Rosenthal