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- Wahlkampf mit wirkungslosem Gesetz – Manager mit beschränkter Haftung

Im TV-Duell Merkel gegen Steinmeier waren sie ein großes Thema: die Manager und ihr Versagen in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Politik will Härte zeigen. So beschloss der Bundestag, dass Manager für von ihnen angerichtete Schäden mit einem Selbstbehalt haften sollen. Doch findige Versicherungen bieten inzwischen dagegen Schutz.

Die Wut war spürbar bei den Demonstranten, die in dieser Woche in Frankfurt und Berlin gegen die Lehman-Pleite protestierten. „Ein Jahr Lehman-Kater, Geld zurück, ihr Falschberater“, las man auf einigen Plakaten. Tatsächlich sind die verantwortlichen Manager auch bei uns in Dtl. bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Zwar hat die Regierung gerade ein Gesetz verabschiedet, das die Manager wenigstens in Zukunft in Haftung nehmen soll für wirtschaftliche Fehler. Doch wer sich die Mühe macht, genauer hinzusehen, - und das haben wir getan - muss feststellen: Vor diesem Gesetz brauchen sich die Manager nicht zu fürchten! Andrea Everwien und Iris Marx decken auf.

„Geld für Bildung - nicht für Banken“, fordert die Linke, „Klug aus der Krise“ will die Kanzlerin und– für eine „Wirtschaft mit Maß und klaren Regeln“ kämpft der Kandidat:

Thema Nr. 1 im Wahlkampf: Gerechtigkeit. Die Verursacher der Wirtschaftskrise sollen endlich für ihre Fehler zahlen.

Bürger
„Also ich glaube nicht, dass sie wirklich dafür zur Rechenschaft gezogen werden und dass das Ganze eigentlich wird unter den Teppich gekehrt.“
„Ich hab nicht das Gefühl, dass die dafür zahlen, sondern wie immer der Steuerzahler, der kleine Mann.“

Vergangenen Sonntag: Kanzlerin und Kandidat beschwören im Duett: Wir zeigen den Managern die rote Karte - Wir sorgen für Gerechtigkeit!

Frank-Walter Steinmeier (SPD), Kanzlerkandidat
„Wir müssen den Menschen bei uns zu Hause auch zeigen, dass wir die Verursacher der Krise an der Bewältigung der Kosten der Krise beteiligen.“

Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
„Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, natürlich müssen wir auch manches auch national regeln, dazu gehören zum Beispiel die Managergehälter, da haben wir ja einiges zusammen auf den Weg gebracht ...“

Was Angela Merkel meint: Ende Juni wurde im Bundestag – von der großen Koalition
das „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung“ beschlossen.

Danach sollen Unternehmensvorstände bei falschen Entscheidungen selbst haften - Zwar nicht für den gesamten Schaden, aber immerhin mit einem, Zitat:
„Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung“.

Das heißt, bei einem Schaden von etwa 2,5 Millionen Euro, soll der Vorstand künftig mindestens 250.000 Euro selbst tragen. Das hört sich gut an.

Und dafür spendeten sich CDU und SPD im Bundestag ordentlich Applaus.

Brigitte Zypries (SPD), Bundesjustizministerin
„Das Gesetz schreibt ausdrücklich einen Selbstbehalt vor und stellt damit auch sicher, dass Eigenverantwortung zu übernehmen ist.“

Doch Deutschlands Manager brauchen sich nicht wirklich zu fürchten: Denn kaum ist das Gesetz gedruckt, bietet die „Dual Deutschland“ ihre Dienste an – eine Versicherung für Manager.

Heiner Eickhoff, Dual Deutschland
„Deswegen haben wir die Versicherung des Selbstbehaltes kreiert. Sie steht ab dem Tage der Gesetzeskraft bei uns im Internet. Jeder Vorstand kann bei uns seine Selbstbeteiligung versichern für einen relativ moderaten Preis.“

In der Tat: für kleines Geld können Manager hier großes Risiko absichern: wer etwa einen Schaden von 2,5 Millionen Euro verursacht und davon 10% - also 250.000 Euro - Selbstbehalt tragen müsste, zahlt läppische 629 Euro Versicherungsbeitrag im Jahr und ist alle Sorgen los.

Maximal 2.000 Euro Prämie im Jahr - bei dann immerhin 30 Millionen Schadenshöhe: das sind für Vorstandsmitglieder von deutschen Aktiengesellschaften Peanuts. Die Regierungskoalition schuf ein Gesetz, das ihnen nicht wehtut: Symbolisches Handeln statt wirklicher Politik.

Das Gesetz ist eine Steilvorlage für die Opposition: Linke und Grüne werfen der Regierung deshalb auch vor, dem Wahlvolk populistisch Sand ins Auge gestreut zu haben.

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Fraktionsvorsitzender
„Die deutsche Manager- und Bankenlobby hat gegrinst, hat gesagt: Okay, das Justizministerium, die Bundesregierung darf mal so tun, als würde sie was gegen die Finanzkrise machen und wir versichern uns dann dagegen.“

Die Forderung der Opposition: die Versicherung des Selbstbehalts verbieten – per Gesetz!

Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Fraktionsvorsitzender
„Wir haben bewusst gesagt, wir wollen, dass gehaftet wird und das hätte geheißen, dass man die Aussicht auf die Versicherung untersagt.“

Hätte der Bundestag die Versicherung des Selbstbehalts wirklich einfach verbieten können? Wir fragen Hans-Peter Schwintowski, Wirtschaftsrechtler an der Berliner Humboldt-Universität, Der Jurist sagt: Nein. Das verbiete die Verfassung: sie schützt die Privatautonomie, die Freiheit der Verträge.

Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin
„Das Anbieten solcher Versicherungen ist völlig legal und völlig in Ordnung. Ist auch nichts Sittenwidriges dran, ist auch sonst absolut üblich, Versicherungen dieser Art schließen Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und viele selbständige Berufsgruppen ab, da hätte man nichts verbieten können.“

Auch die Grünen betreiben also Symbolpolitik – genauso wie die Regierungskoalition.

SPD und CDU wussten übrigens ganz genau, dass ihr Gesetz den Managern nicht wehtut: mit einer Versicherung für Manager hatten sie gerechnet.

Brigitte Zypries (SPD), Bundesjustizministerin
„Natürlich muss es jedem frei stehen, sich für persönliche Risiken, die er trägt auch selber zu versichern. Ich kann Ihnen auch nicht verbieten eine private Haftpflichtversicherung abzuschließen. Also da müssen wir auch die Kirche im Dorf lassen ... Natürlich muss man sich versichern können.“

Warum dann aber überhaupt das Gesetz? Es gibt wohl nur eine Antwort.

Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin
„Das Gesetz ist jedenfalls über weite Strecken dem Wahlkampf geschuldet, der Finanzkrise geschuldet und weitgehend inhaltsleer.“

Beitrag von Iris Marx und Andrea Everwien