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- Wie raus aus dem Umfragetief? Die SPD auf der Suche nach dem Wähler

Auch die beiden Landtagswahlen im Saarland und in Thüringen sind die Generalprobe für die Bundestagswahl. Für die SPD sieht es in Umfragen düster aus. Warum erreicht die Sozialdemokratie die Wähler nicht mehr? Flüchtet sich die SPD in Saabrücken und Erfurt in Bündnisse mit der Linken?

Die Wahrheit ist bitter für die SPD: Wenn nicht Entscheidendes passiert, könnte die SPD nicht nur die Bundestagswahl mit Karacho verlieren, sondern noch mehr: Ihren Status als Volkspartei. Mit etwas mehr als 20 Prozent der Wählergunst ist kein Staat mehr zu machen. Da besinnen sich manche auf das, was die SPD-Legende Willy Brandt mal als "die strukturelle Mehrheit links von der Mitte" bezeichnet hat. Denn bei den Landtagswahlen in zehn Tagen könnte sich etwas auftun für die Genossen: In Thüringen und im Saarland denken viele Sozialdemokraten nämlich über ein Zusammengehen mit der Linken nach - eine Machtoption für die SPD. Wie ist die Stimmung dort in den Ländern? Kay Walter und Manka Heise mit Notizen aus der Provinz.

Eisenach, Thüringen. Hier wurde vor 140 Jahren der Grundstein der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gelegt.

Eine Tradition, die für die heutige SPD kaum noch Bedeutung hat. In Umfragen ist sie hier nur dritte Kraft – hinter der CDU und hinter der Linken.

Die Landtagsabgeordnete Sabine Doht erwartet ihren Parteivorsitzenden.

Müntefering und seine SPD brauchen dringend einen Erfolg bei den Landtagswahlen in zehn Tagen; die Generalprobe für die Bundestagswahl vier Wochen später.

Die Stimmung ist nicht wirklich gut. Es gilt das Prinzip Hoffnung:

Sabine Doht (SPD), Landtagskandidatin
„Dass wir uns nicht von den Umfragewerten nervös machen lassen, sondern, dass wir einen guten Wahlkampf hinlegen und dann werden die Ergebnisse sehr viel besser sein, als die Umfragewerte.“

So setzt die SPD in Thüringen auf die Unterstützung ihres profiliertesten Wahlkämpfers.

Doch viele gehen hier gar nicht mehr zur Wahl oder wählen Die Linke. Von den sozialdemokratischen Politikern sind sie enttäuscht.

Bürger
„Da fehlt das Charisma, da fehlen einfach die klaren Ziele, die klaren Positionen zum Arbeiter. Das ist weg, einfach nicht mehr da, das ist einfach Wischiwaschi geworden.“
KONTRASTE
„Und das hat auch Ihre Stimme gekostet?“
Bürger
„Ich weiß nicht, ob ich das früher schon gewählt habe, aber ich würde sie heute auf keinen Fall mehr wählen.“
„Also rot wird es nicht.“
KONTRASTE
„Warum nicht?“
Bürger
„Na, ich sag mal einfach, da sind einfach zu viele Sachen passiert, in letzter Zeit.“

Diffuse Kritik an der Partei. Franz Müntefering versucht mit Charme dagegen anzukämpfen. Seine Devise: Mit den Menschen sprechen, zur Not eben auch über Fußball …

Neue Arbeitsplätze will die SPD schaffen. Steinmeiers Wahlprogramm soll die unentschlossenen Wähler ansprechen.

Franz Müntefering (SPD), Parteivorsitzender
„Die Konzentration auf die Arbeit, die Steinmeier macht, die ist richtig, die bringt uns nach vorne und das wird hoffentlich die Menschen auch erreichen.“

Generalprobe für die Bundestagswahl auch im Saarland. Landtagswahlen im ehemals sozialdemokratischen Stammland. Der Ort Göttelborn, 12 Kilometer von Saarbrücken entfernt. Die Grube bestimmt noch immer das Bild der Gemeinde, aber die über 5.ooo Arbeitsplätze, die gibt es nicht mehr. Die Grube ist dicht.

Die Reizfigur des Wahlkampfs an der Saar ist Ex-Ministerpräsident Lafontaine, der ehemalige Sozialdemokrat und jetzige Bundesvorsitzende der Linken. Seiner Partei werden knapp unter 20 % vorhergesagt.

Immerhin, die Umfragen sehen SPD- Spitzenkandidat Heiko Maas deutlich vor der Linken.

Peter Saar ist Elektromeister und er ist Ortsvorsteher von Göttelborn. Der SPD-Mann wurde auch mit den Stimmen der Linken gewählt. Für ihn völlig normal.

Peter Saar (SPD), Ortsvorsteher Göttelborn
„Ich denke, das ist auch ein Signal für die ganze Bundesrepublik. Das wäre dann die erste rot-rote Landesregierung.“

Erstmals Rot-Rot im tiefen Westen: Ein SPD-Ministerpräsident in einer Koalition mit der Linken, dafür ist Peter Saar unterwegs, klebt Plakate. Göttelborn ist kein Einzelfall. In vielen Gemeinden des Saarlands gibt es rot-rote Koalitionen. Für Peter Saar ist die Zusammenarbeit auch auf Landesebene ein Ziel.

Wochenende, Dorffest in Göttelborn. Pflichttermin für Peter Saar und für seinen Stellvertreter Stefan Schmidt von der Linken.

Man sieht die beiden eigentlich nur im Doppelpack. Offenbar verstehen sie sich gut. Und, gemeinsam haben sie die Mehrheit, die Politik im Ort zu gestalten.

Sie sprechen und diskutieren über die gleichen Themen, ob es ein nun neues Jugendzentrum ist, die Dorfpolitik oder das große Ganze. Ihr Schreckgespenst wäre hier eine Koalition der SPD mit der CDU.

Peter Saar (SPD), Ortsvorsteher Göttelborn
„Rot-Schwarz würde die Partei zerreißen. Das sage ich ganz ehrlich. Das würde mich 30% der Mitglieder kosten. Rot-Schwarz im Land.“
KONTRASTE
„So: Rot Grün geht nicht, reicht nicht.“
Peter Saar (SPD), Ortsvorsteher Göttelborn
„Rot Grün reicht nicht. Rot-Rot-Grün reicht immer, Rot-Rot wäre am besten. So isses.“

Stefan Schmidt, (Die Linke)
„Wir brauchen in Deutschland eine starke Linke.“
KONTRASTE
„Und das sind sie beide zusammen?“
Stefan Schmidt, (Die Linke)
„Das sind wir beide zusammen, ja, Die sind ganz links und wir sind halb links.“

Wieder in Eisenach. Die Landtagsabgeordnete Sabine Doht mit Kuchen auf Stimmenfang. In der heißen Wahlkampfphase ist ihr Terminkalender voll – jeder noch so kleine Termin zählt, jede Stimme für die SPD ist wichtig.

Besuch im Seniorenheim. Es sollte ein netter Kaffeeklatsch werden, doch die Heimbewohner schlafen fast alle. Nur eine alte Dame, wird schließlich mit Sabine Doht sprechen, über Die Linke. Die ist in Thüringen stärker als die SPD. In einer Koalition wäre die SPD – anders als im Saarland - nur Juniorpartner.

Schon deshalb will Sabine Doht rot-rot vermeiden. Doch die überzeugte Sozialdemokratin Ursula Schönow, 85, hätte nichts dagegen einzuwenden.

Ursula Schönow
„Na ja, was die bringen, wenn sie es durchführen, da ist doch das sehr sozial, also für mich jedenfalls. Ich würde es begrüßen.“
KONTRASTE
„Was sagen Sie dazu?“
Sabine Doht (SPD), Landtagskandidatin
„Es gibt viele Stimmen, die es begrüßen, es gibt viele Stimmen, die es nicht begrüßen. Aber man muss am Ende auch die Wahlprogramme nebeneinander legen und gucken, mit wem kann ich das meiste mit meinem Politikansatz umsetzen. Wer kommt von denen ins Parlament. Sitzt eben da wieder ein IM mit im Parlament.“

Stasi und SED-Vergangenheit prägen noch immer das Verhältnis zwischen SPD und der Linken. Eine Koalition ist daher für viele Sozialdemokraten schwer vorstellbar, höchstens unter SPD-Führung.

Doch dafür müsste die SPD deutlich zulegen, mehr Stimmen als die Linke bekommen.

Sabine Dohts nächster Termin: Die Einweihung eines Jugendzentrums. Doht will den Eltern deutlich machen, dass sich die SPD von der Linken abgrenzen will.

Sabine Doht (SPD), Landtagskandidatin
„Wir sagen den Leuten, dass wir das realistischere Wahlprogramm haben, dass wir nicht nur mit überzogenen Forderungen kommen.“

Franz Müntefering will regieren, ob in Thüringen, an der Saar oder auch im Bund. Seine Partei ist in jedem Fall auf Bündnispartner angewiesen. Doch seinen Optimismus hat Müntefering nicht verloren.

KONTRASTE
„Herr Müntefering, Ihre Prognose für die Wahl?“
Franz Müntefering (SPD), Parteivorsitzender
„SPD entscheidende Kraft. Steinmeier Bundeskanzler.“

Ob das tatsächlich so kommt, wissen wir in zehn Tagen, wenn gewählt wird. Wir haben zu dem Thema auch einen Blog eingerichtet: Wie ist Ihre Meinung: Soll die SPD jetzt mit der Linkspartei Bündnisse eingehen oder nicht? Schreiben Sie uns unter www.kontraste.de.

Beitrag von Manka Heise und Kay Walter