Rosenblüten auf dem Fussboden (Quelle: rbb)

- "Davon geht die Welt nicht unter" - die Stars der Nazi-Zeit sind immer noch populär

Die Nostalgiewelle spült sie wieder ganz nach oben. Stars wie Johannes Heesters, Zarah Leander und Heinz Rühmann sind heute wie gestern Lieblinge des Publikums. Über ihre Vergangenheit in der Propaganda-Maschinerie der Nazis haben sie nie gern geredet. Dabei ging ihre Karriere im Dritten Reich erst richtig los. Wie verstrickt waren die UFA-Stars der 30er und 40er Jahre? Und wie hat sich die "Jahrhundertlegende" Johannes Heesters verhalten?

Die Nostalgiewelle spült sie wieder ganz nach oben: Stars wie Johannes Heesters, Zarah Leander oder Heinz Rühmann sind neue, alte Lieblinge des Publikums.

Berühmt wurden sie in den 40er Jahren mit schmalzigen Filmen: eineinhalb Kinostunden lang durfte sich das Publikum im Glauben wiegen, es würde irgendwann zwischen Bombennächten und Terror ein Wunder geschehen. Die Künstler haben selber nichts Böses getan. Nur getanzt, gesungen oder gespielt.

Und nach dem Krieg? Waren sie alle wieder da. Und haben alle von nichts wirklich gewusst. Wir wollen nicht richten über Johannes Heesters oder Marika Röcks Leben und Lebensentscheidungen zu richten. Aber wir wollen fragen: wie verstrickt waren die Ufa-Stars der 30er und 40er Jahre? Und: warum sind sie gerade heute wieder so populär?

Holger Kulick und Susanne Opalka erinnern.



Europa vor 60 Jahren.

Der von Hitler entfesselte Weltkrieg schlägt auf Deutschland zurück. Doch wer dort Filme sah, erlebte heile Welt. Stars wie Hans Albers oder Heinrich Rühmann erleben Sternstunden.

Ebenso populär - Zarah Leander oder Marika Rökk.

Besonders umschwärmt: der Niederländer Johannes Heesters. An rund 20 Filmen wirkt der singende Charmeur im Dritten Reich mit.

Die Filme aus der Traumfabrik der UFA in Potsdam und Berlin wirkten unpolitisch, erfüllten aber im Sinne Adolf Hitlers einen politischen Zweck. Dienstbare Helfer waren dabei opportunistische Karriere-Künstler, sagt der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung Berlin.

Brot und Spiele mit leichter Kost. Der Berliner Holocaust-Forscher Götz Aly stieß in NS-Akten auf Belege, wie stolz Reichspropagandaminister Joseph Göbbels auf solches Kulturgut war.

Prof. Wolfgang Benz, Zentrum für Antisemtismusforschung:
"Künstler, die Opportunisten sind, stabilisieren ja das Regime. Sie sind ja Bestandteil des Konzepts, etwa von Goebbels - "Brot und Spiele", also Unterhaltung, das erfolgt bei guter Laune, und so wird abgewechselt zwischen der martialischen Parteitagsrede von Adolf Hitler und Marika Rökk und Johannes Heesters, die dann für Unterhaltung und für Wohlbefinden sorgen."

Brot und Spiele mit leichter Kost. Der Berliner Holocaustforscher Götz Aly stieß in NS-Akten auf Belege, wie stolz Propagandaminister Goebbels auf solches Kulturgut war."

Götz Aly, Historiker:
"Goebbels hat ja verschieden Heesters-Aufführungen besucht und einmal notierte er in seinem Tagebuch, ich glaube über "Die lustige Witwe" im Admiralspalast: "Glänzende Aufführung. Das Soldatenpublikum rast." Das war der Zweck der Übung, nicht mehr und nicht weniger. Ja, das steht in Goebbels Tagebuch."

Für den Reichspropagandaminister blieben solche Ablenkungsfilme bewusst politikfern.

Götz Aly, Historiker:
"Ein ganz anderer Ausspruch, der aber dazu passt, von Goebbels, den er immer mal wiederholt hat, da sagt er: "Gute Laune ist einer der wichtigsten Kriegsartikel. Unter Umständen ist er kriegsentscheidend." Gute Laune, gute Laune sollte produziert werden, nicht Ideologie."

Auf diese Weise in das politische System Hitlers integriert gewesen zu sein, weisen heute viele von sich.

Johannes Heesters beispielsweise erinnert sich nur daran, für Politik gar keine Zeit gehabt zu haben.

Johannes Heesters:
"Ja ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich war immer besetzt. Ich kam nicht mehr zur Politik. Ich habe immer viel Zeit bei der Arbeit verloren, von früh 7 Uhr bis abends 8 Uhr im Atelier gestanden und abends auf der Bühne auch noch gespielt. Politik hat mich, muss ich ehrlich sagen, ...das kann ich nicht machen."

In der jüngsten Ausgabe der Bild am Sonntag betont Heesters auch, den Parteigruß der Nazis, "Heil Hitler!" nie gerufen zu haben.

Aber geschrieben hat er ihn. Heesters lebte damals im vornehmen Berliner Bezirk Grunewald. Von hier schickte er 1942 einen Bittbrief an Reichspropagandaminister Goebbels und bittet um ein persönliches Gespräch. Sein Anliegen: Die Loslösung aus festen Theaterverträgen um mehr Zeit für noch mehr Filme zu haben.

Die Unterschrift:
"Heil Hitler - Ihr sehr ergebener Johannes Heesters!"

Auch beinahe vergessen, bis vor einigen Jahren Fotos davon auftauchten: der Besuch Heesters 1941 mit Schauspielern aus dem Münchener Gärtnerplatztheater im KZ Dachau. Umstritten ist, ob nur als Zaungast oder auch Stargast, um vor dem Wachpersonal aufzutreten. Heesters beschreibt in seinen Memoiren:

"Wir bekamen ein normales Häftlingslager gezeigt, oder was man sich darunter vorstellte."
Was aber hieß für Heesters "normal"?

Prof. Wolfgang Benz, Zentrum für Antisemtismusforschung:
"Wer im Mai 1941 Seite an Seite mit dem KZ-Kommandanten das Konzentrationslager Dachau besucht muss unglaublich naiv sein, muss absichtlich naiv sein, nichts sehen und nichts erkennen wollen, wenn er dann zwischen den Barracken umherschreitet, die Häftlingskapelle spielt, und das für etwas Normales zu halten, dazu braucht es sehr viel Phantasie oder sehr viel Blindheit."

In Holland hat Heesters durch sein Verhalten wenige Freunde gewonnen. Der gebürtige Niederländer wird im damals besetzten Holland nicht so gefeiert wie bei uns.

Harry Mulisch, Schriftsteller:
"Er war doch eigentlich schon ein Deutscher. Wenn wirklich ein Holländer das machen würde, das wäre ja Landesverrat gewesen."

Der Amsterdamer Schriftsteller Harry Mulisch nahm schon vor 20 Jahren Heesters als Vorlage für einen Roman. Das Thema: ein alternder Schauspieler, der zum Gefangenen seiner unaufgearbeiteten Vergangenheit geworden ist.

Harry Mulisch, Schriftsteller:
"Meine Geschichte ist dann auch ein Mann, der nicht ein Nazi war, der aber so weiter gemacht hat und auch mitgeholfen hat, die Moral im Krieg hoch zu halten."

Mulisch betont aber, dass es tausende solcher Mitläufer gab, die sich häufig aus Karrieregründen als Fluchthelfer aus der Wirklichkeit betätigten. Bis hin zum Dirigenten Herbert von Karajan, der sogar ein ausdrücklicher Parteigänger der Nazis war.

Harry Mulisch, Schriftsteller:
"Nehmen wir von Karajan, der konnte doch auch einfach weiter dirigieren, ja weil er ein großer Musiker war. Aber ich denke mal, Karajan ist in sich schuldiger, weil er intelligenter ist als Heesters."

Ein Phänomen bleibt für Beobachter, wie leicht es Künstlern wie Karajan oder Heesters fiel, sich von der Mitverantwortung für die Vergangenheit zu befreien - aber auch, wie leicht ihnen das ihr Publikum gemacht hat.

Prof. Wolfgang Benz, Zentrum für Antisemtismusforschung:
"Ich erhebe keinerlei Vorwurf gegen ihn, nur die leise Wehmut: warum hat er nicht die Größe, zu sagen: "Das tut mir leid, das ich mich so auch habe instrumentalisieren lassen.""

Morgen hätte auch Arnold Sommerfeld Geburtstag. Er war einer der größten deutschen Physiker. Sie kennen ihn nicht? 1935 wurde der Professor in München aus seinem Amt gejagt. Seine Physikerkarriere ging im Ausland weiter. Wir wollten auch diesen Geburtstag nicht unerwähnt lassen.