- Späte Zustimmung - Die DDR ist lebendiger denn je, zumindest in den Köpfen

Weit über 50 Prozent der in den neuen Bundesländern Lebenden sind der Meinung, dass das Leben in der DDR besser als heute war. Vergessen scheinen das Spitzelsystem und der Unterdrückungsapparat. Ein Erklärungsversuch.

Das waren Tage! Sie erinnern sich? Der Mauerfall 1989. Bilder von wildfremden Menschen, die sich überglücklich in den Armen lagen. Überwunden waren Unrecht und Unfreiheit, unermesslich gross die Hoffnungen und Erwartungen bei den Ostdeutschen. Heute 20 Jahre später, feiern wir diese Zeit des Aufbruchs – doch ausgerechnet jetzt im Jubiläumsjahr stellen Forscher besorgt fest: Die Sehnsucht nach der alten DDR ist bei vielen im Osten grösser denn je, in der Erinnerung wird die DDR immer mehr verklärt. Benedict Maria Mülder und Jan Jansen sind diesem Phänomen einmal nachgegangen.

Die Mauer, wie sie in Berlin vor 20 Jahren stand.

Die Grenze ist nachts taghell beleuchtet. Im Westen wird dieser Bereich Todesstreifen genannt. Hier schießen die DDR-Wachtposten als äußerstes Mittel auf Flüchtende. Allein an der Berliner Mauer gibt es mindestens 136 Tote.

Jahrzehnte ein Ort des Schreckens, rekonstruiert mit Hilfe eines Computers. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Heute ist die Erinnerung daran bei vielen längst verblasst, wird das Leben im Schatten der Mauer zunehmend verklärt.

Bürger
„Mir hat’s in der DDR besser gefallen. Da hat keiner gehungert, keiner gefroren, keiner unter Brücken geschlafen, jeder hatte Arbeit. Besser geht es gar nicht.“
„Ich fand’s schön. Es war gemütlich.“
„Der sichere Arbeitsplatz und die sichere Wohnung.“
„War keene Ellenbogengesellschaft.“


Der Historiker Klaus Schroeder untersucht seit langem das Verhältnis der Bevölkerung zur DDR-Geschichte und ist vor allem im Osten Deutschlands auf Verdrängung und Beschönigung gestoßen.

Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin
„Es spricht der manchmal verzweifelte Versuch, die eigene Geschichte zu retten. Das eigene Leben nicht zu beschmutzen durch die Diktatur der DDR, zu sagen, selbstverständlich haben wir dort ganz normal gelebt und haben anständig gelebt, haben das Beste gewollt für unsere Kinder. Die Befragten schützen mit ihrer Lebenswelt, mit ihrer Lebenserfahrung die Diktatur, setzen dies beides in eins und daher kommt es, dass die DDR viel positiver erscheint als sie jemals war.“

Einen Trend zur Schönfärberei bestätigt jetzt auch eine Umfrage im Auftrag der Bundesregierung.

49 Prozent der im Osten Lebenden sehen in der DDR „mehr gute als schlechte Seiten“ und 8 Prozent sogar „ganz überwiegend gute Seiten“.

Also 57 Prozent, die zwar „ein paar Probleme“ einräumen, aber vor allem glauben, dass man in der DDR „glücklich und besser als heute“ lebte.

Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin
„Sie haben den Westen überschätzt, sie haben den schnellen Wohlstand, den sie zwar erreicht haben, aber der ihnen nicht genug war, jetzt unterschätzt, das heißt, der goldene Westen, wie sie ihn sich erträumten, der wurde nicht Realität für die meisten, sondern es war viel mühsamer, sich in dem neuen System zurecht zu finden. Deshalb kritisiert man das neue System, das wiedervereinigte Deutschland, obwohl es fast allen besser geht materiell, und aus dieser Perspektive wird plötzlich die DDR zur positiven Vergleichsfolie.“


Klaus Schröder legt jetzt eine Auswahl aus über viertausend Zuschriften vor. Vernichtende Kritik der Bundesrepublik, prächtige Lobpreisungen der DDR.

Beispiele:
„Aus heutiger Sicht, glaube ich, wurden wir mit dem Mauerfall aus dem Paradies vertrieben.“

„DDR hatte Stasi, BRD Schäuble.“

„Die Wiedervereinigung war ein Fehler und hat die Menschen in lebende Hartz IV-Leichen verwandelt.“


Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin
„Das positive DDR-Bild setzt sich bei der jüngeren Generation fast ungebrochen fort. Es wird über Generationen hinweg vermittelt. Das liegt daran, dass die jungen Menschen auf Seiten der Eltern und Großeltern stehen, sie haben Mitleid mit ihnen und möchten sie schützen vor der Kritik aus dem Westen.“

Gegen die Romantisierung der DDR, 20 Jahre nach ihrem Ende, hilft, so Schröder, nur immer wieder Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse. Noch nie hatte die DDR soviel Zu-stimmung wie heute.

Klaus Schroeder, Forschungsverbund SED-Staat, FU Berlin
„Das ist, wenn Sie so wollen ein später Sieg der SED. Ein hohler Sieg, weil es ja nicht um die reale DDR geht, sondern um eine im Nachhinein konstruierte.“

Träume von der guten DDR sind nicht verboten, aber sie gehören ins Reich der Phantasie.

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Beitrag von Benedict Maria Mülder und Jan Jansen

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