- Abgeblitzt - Bürger wehren sich gegen Nazis

Integrationsdebatte, islamistischer Terror, Demokratiemüdigkeit - angesichts solcher Schlagworte könnte man meinen, Rechtsradikale hätten in Deutschland leichtes Spiel. Doch wie der Widerstand gegen eine Neonazidemo in der westdeutschen Provinz zeigt, blitzen die Rechtsextremen schlicht ab.

Die aufgeheizte Debatte über Integration, der islamistische Terror, Politik-verdrossenheit - angesichts solcher Schlagworte könnte man meinen, Neonazis hätten in Deutschland zurzeit leichtes Spiel. Doch erstaunlicherweise trifft das nicht so ohne weiteres zu: Unsere Autorin Caroline Walter erlebte verblüfft, wie die Bürger einer westdeutschen Kleinstadt Rechtsradikale bei einer Demonstration kurzerhand abblitzen ließen.

An diesem Samstag ist alles anders in Velbert-Neviges, Nordrhein-Westfalen. Der Ort wirkt wie eine Geisterstadt. Alle Geschäfte sind geschlossen, manche sogar verbarrikadiert.

Ausgerechnet dieses Städtchen haben sich Rechtsextreme für eine Demonstration ausgesucht. Man will sich unters deutsche Volk mischen und für rechte Stimmung gegen Ausländer sorgen. Doch die Polizei lässt sie erst einmal hinter Gittern warten.

Er ist ihr Anführer – Axel Reitz, manche nennen ihn auch „Hitler von Köln“. Er saß schon wegen Volksverhetzung im Gefängnis. In der Szene sei er eine Größe - wird behauptet. Aber auf der Demo scheint die Polizei präsenter als seine eigene Anhängerschaft. Dabei ist Demonstrieren die Hauptbeschäftigung von Reitz.

KONTRASTE
„Sind Sie eigentlich arbeitslos?“
Axel Reitz
„Ich bin arbeitslos, ja, arbeits-, aber nicht beschäftigungslos, wie ich so schön sage. Ich bin hauptberuflich politisch tätig, und werde dafür natürlich nicht entlohnt.“
KONTRASTE
„Wer bezahlt Sie, also von was leben Sie?“
Axel Reitz
„Das macht der Staat dankenswerterweise.“
KONTRASTE
„Das heißt, Sie leben von Hartz IV, von dem Staat, den Sie eigentlich bekämpfen?“
Axel Reitz
„Natürlich, dumm von diesem Staat mich zu bezahlen, würde ich sagen, oder?“

Wenn es um seine politischen Ansichten geht, ist er weniger gesprächig.

KONTRASTE
„Was war und ist denn der Nationalsozialismus für Sie?“
Axel Reitz
„Da kann ich mich aus strafrechtlichen Bedenken leider nicht dazu äußern. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin Nationaler Sozialist.“

Das Gitter geht auf und die Neonazis machen sich auf zum Kampf um die Köpfe der Einwohner.

Demoparole
„Deutschland den Deutschen, Ausländer raus. Deutschland den Deutschen.“

Doch von gegenüber weht ihnen ein rauer Wind entgegen – die Gegner der Neonazis sind weit in der Überzahl und äußern ihren Unmut über den braunen Haufen. Selbst ihre Vierbeiner – wahrscheinlich nicht reinrassig – sind entsetzt.

Passantin
„Was wollen die? Wollen wir den Nationalsozialismus wieder haben, da haben wir wohl die Schnauze von voll, wenn man ein bisschen in Geschichte weiß.“
Passant
„Mich ärgert das, vor allen Dingen unsere Steuergelder, die hier verplempert werden, weil so Idioten, die nur in der Gruppe stark sind, und mit Sonnenbrillen hier gehen, sollen sich zeigen, Gesicht zeigen.“

Ein herbeigeeilter Mönch ist fassungslos, die Neonazis bescheren ihm ganz andere Probleme. Er wartet auf Gäste aus Ghana, Afrika.

Franziskanermönch
„Gerade musste eine Pilgergruppe von ghanaischer Gemeinde, 70 Personen, die extra hier zur Wallfahrt gekommen sind, umkehren, weil sie ausgewiesen wurden, die Straßen sind gesperrt. Und wenn das Gericht einer solcher Gruppe einen Vorrang gibt, aber anderen Gruppen keinen Vorrang, ist da etwas in unserer Welt nicht in Ordnung. Wenn die einen demonstrieren dürfen, dürfen die anderen wenigstens noch beten.“

Demoparole
„Ali, Mehmet, Mustafa, geht zurück nach Ankara.“

Sie wettern gegen Überfremdung und Ausländer – doch hier sind die Rechtsextremen der eigentliche Fremdkörper.

Passantin
„Ich zahl meine Steuern, meine Kinder sind hier geboren, meine Tochter hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Ich fühle mich hier in Deutschland wohl. Und deswegen, das macht mir auch keine Angst, muss ich sagen.“

Vielleicht sind die Plakate zu langweilig – der Einheimische hat jedenfalls andere Interessen.

KONTRASTE
„Stört Sie das?“
Passant
„Ja schon, ich will nach Hause, Fußball gucken, also von daher, das ganze Palaver da. Aber ist ja gleich vorbei der Spuk, oder?“

Von wegen. Die Neonazis kämpfen verzweifelt um die Gunst des unwilligen Volkes.

Demoparole
„Bürger lasst das glotzen sein, auf die Straße, reiht Euch ein.“

Die Aufforderung zum Mitmachen kommt hier gar nicht gut an.

Passant
„Nazis verpisst euch, Nazis raus, Nazis raus. Keiner vermisst Euch.“

Bei der Abschlusskundgebung sind die Neonazis dann ganz allein. Berufsdemonstrant“ Axel Reitz verfällt in Katzenjammer.

Axel Reitz
„Viele von uns haben dunkle Stunden, in denen wir verzweifeln, dass wir von unseren eigenen Volksgenossen dafür ausgelacht, ausgebuht oder sogar tätlich angegriffen werden, weil wir nichts anderes wollen als ein freies Deutschland.“

Danach bleibt den Demonstranten auf Durchreise nur der geordnete Rückzug. Velbert-Neviges hat das kurze rechte Intermezzo überstanden – ohne bleibende Schäden. Der nächste Gast ist harmloser.


Autorin: Caroline Walter