Bundeswehrstiefel (Quelle: rbb)

- Angst vor Gewalt - Warum immer wieder Randale am 1.Mai?

Als politische Demonstration gestartet und als sinnlose Gewaltorgie geendet. Der "Revolutionäre 1.Mai" hat seine politischen Wurzeln gekappt. Friedhelm Brebeck macht sich im umkämpften Kreuzberg auf die Suche nach einer politischen Idee.

Willkommen zu den jährlichen Randalefestspielen in Kreuzberg! Die lange Nacht der Kriegsspiele: Wohlstandskinder gegen Polizei!

Willkommen bei Kontraste, wie immer live aus Berlin. Seit 15 Jahren leben sie sich aus. Pünktlich am 1. Mai, die geplante Revolution.

Jugendliche, alternde Junggebliebene; sie nennen sich "Autonome" und wollen die gerechtere Gesellschaft. Dafür zünden sie Autos an und schmeißen Steine auf Polizisten, Reporter und Mitdemonstranten.

Für Kontraste ging gestern Nacht ein Reporter in die Berliner Nahkampfgebiete, der sich auskennt mit Krieg, Hass, und völlig sinnloser Gewalt. Friedhelm Brebeck.

Sie liebe Zuschauer kennen ihn noch aus den Bürgerkriegen im ehemaligen Jugoslawien. Er hat versucht zu verstehen, was hier in Berlin kein Mensch mehr versteht.

Friedhelm Brebeck und das Kontraste-Team in einer langen Kreuzberger Nacht.


Berlin Kreuzberg - gestern nachmittag, und gleich geht es los mit dem Jubiläums-Marsch von ganz links: Die 15. Revolutionäre Demonstration zum 1. Mai. Traditionsgewährter Ausklang: die große Randale.

Am Ende sind es 4- oder 5000 radikale Mitgeher und ein wirrer Haufen von Ideologien.

Aber ja doch und ziemlich ernsthaft: Sie alle wollen verändern und eine gerechte Welt und immer Frieden und dazu die Macht! Leninisten und Marxisten. Trotzkisten und Autonome und ökologische Befreiungskämpfer oder sowas Ähnliches. Drei Stunden trotten die farblosen Parolen durch Kreuzberg. Um 18.15 und als Schluß der Versuch, gemeinsam die Internationale zu singen. Eine Stunde später fliegen die ersten Steine.

Und jetzt schaun Sie mal hin! Das da sind 14- oder 16jährige. Kinder, die nicht mitmarschiert sind und auch ideologisch nicht organisiert. Jungs, die hier zu den Männern wollen, die ihnen betrunken zuprosten und applaudieren.

Später machen auch junge Männer mit und Türken prügeln sich mit Arabern und Kreuzberg hat seine Randalenspektakel. nein. Das da ist kein Krieg wie Zucht- und Ordnungs-Kommentare wissen wollen. Das da ist soziale Angst, Frustration, Lust auf Aggression und die alljährliche Gelegenheit, das alles mal auszutoben, ohne gleich im Jugend-Knast zu landen.

Blindwütige Gewalt allemal, aber wer am 1. Mai hier sein Auto parkt, ist blöde oder arrogant. Vorne an der brennenden Ecke wird dem Apotheker das Schaufenster zerschlagen. Er resigniert: Ich nehme das nicht persönlich.

Ein paar Tausend Liter Wasser und auch Gummiknüppel gegen eine jugendgesellschaftliche Gemengelage, die jeder kennt und die sich doch nicht berechnen lässt. Neben mir wirft ein hübsch-modisches Mädchen mit Steinen wie um ihr Leben: "Ich bin ja noch jung", ruft sie, "ich habe noch Ideale", und rennt los. "Die Bullen kommen!"

Deeskalation hat der Berliner Polizeipräsident vorgegeben. Und auch: "Wir strecken die Hand aus, ohne eine Faust zu machen." Heute früh findet er alles gut: "Es war das richtige Rezept."

Das Ende von Etwas: Zwischen Helmen und Visieren engeschlossen. Musik aus dem Fenster. Und Tanzen. Revolutionsfernes Tanzen. Dann wird auch hier abgeräumt. Die Statistik von Kreuzberg: 158 Fenstnahmen. 101 verletzte Polizisten. 84 davon konnten weiterarbeiten.

Und - alle Einsatztruppen haben 2 Mahlzeiten gekriegt.