- Bekämpfen statt Verleugnen: Wie eine Stadt mit der rechtsextremen Gefahr umgeht

Nicht nur im Osten gibt es Rechtsextremismus, auch in den Städten Westdeutschlands kennt man das Problem. Im niedersächsischen Verden an der Aller haben die Rechtsextremen jahrelang versucht Fuß zu fassen. Schließlich hat es den Bürgern gereicht: Alle bekämpfen phantasievoll die Rechtsextremen, berichten Gabi Probst und Axel Svehla.

Die Zahl der Rechtsextremen wächst. Ihre Straftaten, ihre Gewalttaten nehmen zu. In KONTRASTE berichten wir regelmäßig über deutsche Neonazis. Wir sind der Meinung: So gefährlich wie die Anti-Demokraten ist die Gleichgültigkeit der Demokraten. Heute zeigen wir Ihnen, was passiert, wenn Bürger nicht weggucken. Dass man Neonazis nicht wie eine Naturplage ertragen muss, das zeigt ein kleiner Ort in Niedersachsen. Den hatten sich NPD und Freunde ausgeguckt: für Versammlungen, Aufmärsche und Konzerte mit Kampfmusik. Bis es den Bürgern zu braun wurde. Axel Svehla mit einem Beispiel, sehr zur Nachahmung empfohlen.

Verden – eine Kleinstadt in Niedersachsen. Eigentlich ein friedlicher, beschaulicher Ort. Doch seit Jahren versuchen Neonazis aus dem Umland, hier unter den 30.000 Einwohnern Fuß zu fassen. Den Aufmärschen der NPD standen die Bürger und Behörden lange Zeit hilflos gegenüber.

Der Bürgermeister von Verden ist in seiner Stadt groß geworden. Als Kommunalpolitiker hat er die scheinbar ausweglose Konfrontation mitverfolgt.

Lutz Brockmann, Bürgermeister Verden/Aller
„Ich hab mal erlebt hier vor dem Rathaus bei einer NPD Veranstaltung, wo eigentlich das übliche Schema ablief, zwei schwarze Blöcke und eine hilflose Bürgerschaft. Es ging friedlich zu, die Polizei hat das auch alles geregelt gehabt. Und für mich war es die Suche nach einer anderen Form. Welche Form ermöglicht es sozusagen einer breiten Bevölkerung, gesellschaftlichen Gruppen, sich zu beteiligen.“

Und alle machen mit. ‚Verden ist bunt’, heißt die Aktion, mit der die Bürger ihre Stadt zurückerobern. Den Einfluss der Neonazis zu stoppen – das war auch für die Bläsergruppe der Kreisjägerschaft eine Herausforderung:

Gerhard Cordes, Bläsergruppe der Kreisjägerschaft
„Ein Grund wohl, weshalb wir wohl angesprochen wurden ist, dass wir ja nun auch ein bisschen Krach machen können, etwas wohl tönenden Krach wie wir meinen und dass wir also dem Gegröle, was da auf der Straße unter Polizeibegleitung kam…“
KONTRASTE
„Also von der NPD?“
Gerhard Cordes, Bläsergruppe der Kreisjägerschaft
„…ja, so ein bisschen was dagegen setzen konnten.“

Auch die Stadtwerke waren beim Protest gegen die Neonazis dabei.

Joachim Weiland, Stadtwerke Verden
„Wir selbst haben eine Musikbühne gesponsert, die Stadt hat wenig Geld, so konnten wir ihr unter die Arme greifen und tragen unseren Teil dazu bei, dass entsprechende Initiativen gegen Rechts dann auch weiterhin Früchte tragen werden.“

Das Engagement des Bürgermeisters und der Verbände hat Erfolg – die Zivilgesellschaft hat ihre Stimme wieder gefunden.

Bürger
„Ich finde es in Ordnung, dass da mal was gemacht wird und ich hoffe, dass die Stadt Verden sich da weiter engagiert für.“
„Wenn alle zusammenhalten, dann können wir die Neonazis auch wegkriegen.“


Das Touristenbüro der Stadt. Wir wollen nun wissen, ob der Ärger mit den Neonazis dem Fremdenverkehr schadet. Wichtig für die Kleinstadt, die jährlich eine Millionen Gäste zählt.

KONTRASTE
„Wie ist so die Reaktion unter den Gästen? Die haben davon und ja gelesen und sagen die: ‚Moment mal, Verden, die Ecke da in Niedersachsen: Bisschen braun, da fahr ich lieber nicht hin!’?“
Angelika Revermann, Touristenbüro Verden
„Es wird natürlich diskutiert und es laufen auch Anfragen hier. Was ist bei Euch los? Wie geht ihr damit um und so weiter? Wir haben eigentlich bisher gute Reaktionen darauf bekommen, auch viel Unterstützung, wenn wir berichten, was hier in der Stadt getan wird, dass die Rechten eben keinen Fuß fassen können, das die Gäste einfach sagen: ‚Das finden wir begrüßenswert, dass ihr da so mit umgeht.’“

Jüngster Beweis Verdener Bürgersinns: Neonazis wollten die Stadthalle kaufen, als diese pleite ging. Eine neuerliche Provokation. Das wollten sich die Bürger nicht bieten lassen – sie kamen den Rechtsextremen zuvor.

Axel Schulte, Trägerverein Stadthalle
„Wir haben einen Trägerverein gegründet und haben gesagt, wir wollen massiv verhindern, dass Neo-Nazis sich in Verden breit machen, Fuß fassen. Wir haben dann eine Spendenkampagne gemacht. Wir haben 230.000 Euro eingesammelt. Das war ein ganz toller Erfolg.“

Jetzt bestimmen die Bürger wieder, was in ihrer Stadt passiert – die Neonazis sollen keine Chance haben – weder heute noch morgen.

Carmen Thalmann, Parforcehornbläser Verden
„Wir würden in unsere Hörner blasen und das wäre so laut, dass die nicht mehr zu verstehen sind.“

Es geht also doch: Neonazis den Marsch blasen. Mit ein bisschen Phantasie wird so ein Ort doch gleich lebens- und liebenswerter.