Polizist mit Demonstrant (Quelle: rbb)

- Ein Herz und eine Seele – wenn sich Neonazis auf die Polizei verlassen...

Als Freund und Helfer war die Polizei in Magdeburg unterwegs – als es um einen Neonazi-Aufmarsch ging. Die Fahnenträger wurden geschützt und die Berichterstatter ins Abseits gedrängt. Handgreiflichkeiten inklusive. Und als der Anführer stolz verkündete, die Staatsmacht sei auf seiner Seite, da lächelten die Beamten. Dokumentiert von Alexander Kobylinski und Caroline Walter.

Das Bundesland Sachsen-Anhalt hat etwas für sein Image getan und jetzt auch seinen eigenen - sogar preisgekrönten – Slogan bekommen: ‚Wir stehen früher auf“. Der nützt nur nix, wenn man dann zu spät kommt. In unserem Beispiel war das die Polizei, die in Magdeburg dringend gebraucht wurde, wie unsere Reporter Alexander Kobylinski und Caroline Walter hautnah erfahren mussten.

Sachsen-Anhalt, am Magdeburger Westfriedhof. Ankunft von mehreren Hundert Neonazis in Bussen. Die Rechtsextremen nehmen den Friedhof in Besitz, sie wollen eine Demonstration abhalten: Zum Gedenken an die Bombardierung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg.

Mancher Friedhofsbesucher kann den Neonazi-Aufmarsch nicht ertragen.

Friedhofsbesucher
„Die sollen ihren Führer ehren, der sich doch das Leben genommen hat! Millionen Menschen hat der umgebracht, und die stehen hier!“

Die Rechtsextremen missbrauchen den Gedenktag für ihren Mythos vom „Kampf ums Reich“ – samt Heldenverehrung.

Neonazi
„In unseren Reihen werden wahrscheinlich alle wissen, wie man sich auf einem Friedhof und auch an einem Denkmal für gefallene Helden zu verhalten hat!“

Abmarsch zum Gedenkort. Dort wollen sie Reden für die gefallenen Helden halten. Die Kundgebung ist durchorganisiert – von Neonazis aus ganz Sachsen–Anhalt. Das Ganze ist eine öffentliche Veranstaltung – aber die Neonazis bestimmen, was darüber berichtet werden darf.

Neonazi
„Pass auf, Sie gehen jetzt, und dann is’ jut! Da wird gar nicht lange gefackelt! Is das klar jetzt?“
KONTRASTE
„Das ist eine öffentliche Veranstaltung!“
Neonazi
„Das ist abgesprochen so mit den Behörden, und so wird’s umgesetzt. Jetzt fackel nicht rum hier!“

Die Rechtsextremen setzen eine Bannmeile durch - 100 Meter Abstand, damit kein Außenstehender die Reden ihres „Anführers“ mitbekommt.

Die Situation eskaliert. Die Polizei sieht einfach zu.

Ganze drei Beamte stehen ca. 450 Neonazis gegenüber. Die Polizei lässt sich die Bedingungen diktieren.

Neonazi
„Wenn Sie die jetzt hier nicht zurückhalten, dann machen wir das! Und dann diskutier ich mit Ihnen auch nicht weiter drüber!“

Die Neonazis haben sich durchgesetzt. Wir können es nicht glauben, die Polizei kapituliert. Doch weil die Kamera läuft, entschließt sich der Einsatzleiter doch noch etwas zu tun.

Polizist
„Ich werd Einsatzkräfte jetzt hier ranziehen, so dass Sie ihre Arbeit durchführen können. Ich muss aber – Sie sehen, hier sind keine Polizeibeamten vor Ort – Polizeibeamte heranziehen. Hallo? Wolf? Komm bitte mit einem Zug hier sofort zum Gedenkort!“
KONTRASTE
„Wieso macht man das nicht vorher, und hat hier ausreichend Beamte da?“
Polizist
„Weil wir von dieser Situation so nicht ausgegangen sind, dass Sie so massiv behindert werden, bzw. dass die Demonstrationsteilnehmer der Rechten das nicht zulassen.“

Die Veranstaltung der Neonazis mit Bannmeile verläuft weiter nach Plan. Die angeforderte Polizeieinheit rückt irgendwann an, aber auch gleich wieder ab.

Ein Sieg für die Neonazis – in Sachsen-Anhalt können sie anscheinend bestimmen, wo’s langgeht. Der Anführer der Rechtsextremen weiß, wie man mit der Polizei umgeht.

KONTRASTE
„Und wie finden Sie hat sich die Polizei verhalten?“
Neonazi
“Die Polizei war heute sehr kooperativ. Wie sich das in Sachsen-Anhalt so gehört.“

Und weil sie so gut klar kommen mit der Polizei, kommen sie auch gerne wieder.

In gut drei Wochen wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Wie hieß noch mal der hübsche Slogan? ‚Wir stehen früher auf’. Na dann wünschen wir dem Land, künftig nicht mehr in entscheidenden Situationen zu spät zu kommen.