Eine Frau entfernt Rechte schmierereien

- Entschlossen und unerschrocken: Allein gegen rechte Schmierereien

Die Lehrerin Irmela Schramm beseitigt in ihrer Freizeit rechtsradikale Schmierereien und Aufkleber.

Das Hakenkreuz, die SS-Rune, das "Judensau", das "Deutschland den Deutschen" - all’ das gehört zu unserem Alltag. Die Abzeichen und Parolen, aufgeschmiert allerorten, wir nehmen sie kaum noch war, wir gehen daran vorbei, das war’s. Dagmar Hovestädt porträtiert nun eine Frau, die sich daran nicht gewöhnen will, weil sie empfindsam ist.


Irmela Schramm bei ihrer Freizeitbeschäftigung.

Irmela Schramm
"Das hat angefangen vor fast 11 Jahren. Damals war das eigentlich die eigene Erkenntnis, daß ich untätig geblieben bin. Ich habe mich geärgert, über diese Schmierereien. Aber dann habe ich mir gesagt, wenn du selber nichts tust, dann verschwinden die ja nicht. Von allein gehen die nicht weg. Und dann habe ich angefangen."

Angefangen mit dem Wegputzen.
Irmela Schramm, 51, Beruf: Lehrerin. Ihre freie Zeit verbringt sie auf der Straße. Sie entfernt, was sie stört: Rechte Schmierereien und Aufkleber. Was immer ihr dabei nützlich sein kann, hat sie dabei: Spachtel, Farbe, Lösungsmittel. Im Laufe der Jahre hat sie ihre Methoden entwickelt, die Sprüche verschwinden zu lassen. Dazu gehört, daß sie sie vorher fotografiert. Alles auf eigene Kosten.
Ihre Arbeitsschritte: Entdecken, dokumentieren, entfernen.

Irmela Schramm
"Ein Polizeibeamter meinte, ja, sie wissen ja nicht, was sie schmieren. Und da habe ich es auch gesehen: Da war ein Hakenkreuz verkehrtrum gemalt. Und da ist jemand hingegangen und hat ein Hakenkreuz richtig rum darübergezeichnet. Und nun frage ich Sie: Weiß wirklich niemand, was er schmiert?"

Irmela Schramm sammelt, was geschmiert wird. Notiert ihre Begegnungen, Daten und Orte.
Zu Hause stapeln sich die Fotos. Fast 4.000 sind es.
Eine einzigartige Dokumentation, für die sich an diesem Nachmittag sogar ein Forscher interessiert. Tausende Fotos - eine zufällige Sammlung von der Straße. Wer will, kann sie als Ausstellung ausleihen. Es sind Zeugnisse rechten Denkens. Vorstufe zu gewalttätigem Handeln.
Irmela Schramm läßt die Jagd nach rechten Parolen nicht mehr los. Längst hat sie sich auch außerhalb Berlins umgetan, war in allen fünf neuen und in vielen Städten der alten Bundesländer unterwegs. Fündig wird sie überall.
Nicht jeder ist erfreut, wenn sie Hakenkreuze übermalt. Wachschutzleute, Bahnhofswärter, Polizisten drohen ihr nicht selten mit einer Anzeige wegen Sachbeschädigung. Irmela Schramm hat eine Urkunde als Geheimwaffe.

Irmela Schramm
"Dann hole ich die raus, hier, das ist die Kopie. Hier, von Herzog unterschrieben."

Eine Kopie der Verleihungsurkunde ihrer Bundesverdienstmedaille.

Irmela Schramm
"Und das bringt die in Verlegenheit dann, ne... Ist doch lächerlich, auf der einen Seite kriegt man ne Auszeichnung dafür. Und auf der anderen Seite Žne Anzeige. Also wie Zuckerbrot und Peitsche kommt mir das vor."

Auf ihren Streifzügen durch Dörfer, Vororte und Plattenbausiedlungen ist sie allein. Da hat sie ihren eigenen Rhythmus, sagt sie.
Unbeobachtet ist sie nicht. Passantenreaktionen sind Teil ihrer Unternehmung. Und nicht ungefährlich. Auf ihrer Tasche steht "Aktiv gegen Nazis".

Irmela Schramm
"In Neubrandenburg - auf dem Bahnhof - ist mir wegen dieser Tasche ein junger Skinhead immer hinterhergeschlichen. Ich nehme an, der wollte mich anmachen. Und dann habe ich ganz abrupt angehalten, und ihm die Tasche hoch vor die Nase gehalten. So. Und als ich wieder runtermachte, die Tasche, war der weg. Der hat sich verkrümelt. Und ich denke, das ist ganz wichtig, daß man offensiv mit dieser Sache umgehen muß."

Wenn die Verwunderung gewichen ist und die Leute begreifen, was sie da macht, gibt es auch Zuspruch. Das sind die schönen Momente, sagt sie, wenn sie Nachahmer findet. Oft bleibt es aber beim Kopfschütteln, beim Verspotten, beim Wegsehen.

Diskussion mit Jugendlichen auf einem Spielplatz
"Ist doch überall hier, das ist eine Stelle von 1000en. Für mich ist das ein Grund, weiter dranzuschmieren.
Es geht mir nicht darum, die Schmierereien hier dranne. Ich mache ja nicht die anderen Sachen weg. Es geht mir gar nicht darum."

Sondern:

Irmela Schramm
"Ich denke, daß ist auch nicht nur das Schmieren als solches, was in den Köpfen vor sich geht. Das Schmieren, das Kleben und das Verbreiten dieser ganzen Materialien ist ja ein Teil von einem rassistischen und faschistischen Verhalten und Denken, zweifelsohne.
Mein Wunschziel? Also das erste ist ja, daß es aufhört mit dem Schmieren. Ich würde auch mal gern aufhören wegzuputzen, so ist das nicht. Also ich befriedige durchaus keine Putzsucht. Ich würde mich eher bezeichnen als Politputze. Ja."

Es gibt einige Ecken, dahin zieht es Irmela Schramm immer wieder. In einen Berliner Vorort zum Beispiel.
Hier gibt es Stellen, da sind schon drei Lagen Farbe von ihr über immer wieder neu gezeichneten rechten Sprüchen und Symbolen zu finden. Fast eine Form von Kommunikation mit den Rechten.

Irmela Schramm
"Als ich mal hier übermalte, da hat ein Busfahrer gehalten und gefragt, ob das hier nicht ein hoffnungsloses Unterfangen ist, was ich da mache. Dann habe ich ihm einfach nur geantwortet: Ich habe den längeren Atem."

Ende eines langen Tages. Irmela Schramms Liste an Städten, die sie noch besuchen will, ist ohne Schlußstrich.

Gewiß: Mit dem Wegwischen ist der dumpfe Haß nicht verschwunden. Die Selbstbestätigung aber, der Triumph der Schmierer durch scheinbare Hinnahme ihrer Schmierereien, ihre Werbung für ihr verrücktes Weltbild, sie werden zumindest blockiert. Man muß sich ja nicht gleich auf einen Feldzug durch ganz Deutschland begeben, es reichte ja schon, würde jeder in seinem Umfeld aufmerken und zum Lösungsmittel greifen.