Demonstration gegen den Irakkrieg

- Neonazis als Friedensengel - Die neue Antikriegs-Allianz

Da wundert sich das Friedensbündnis. Plötzlich marschiert die NPD auf den Antikriegs-Demos mit. "Kein Blut für die USA" steht auf den Handzetteln. Die Transparente sind mit "Boykott den Kriegstreibern!" bedruckt. Friedensaktivisten sind empört, sich auf einmal Seite an Seite mit Rechtsradikalen wieder zu finden. Darf das sein? Ist das gelebte Demokratie? Michael Beyer und Roland Jahn über deutsche Demokraten im Härtetest.

Unser nächstes Thema: Die deutsche Friedensbewegung hat viele junge Menschen dazu gebracht, sich nun für Politik, und überhaupt für die Verhältnisse in der Welt zu interessieren.

Manchmal war die Wut auf Amerika stärker noch als die Liebe zum Frieden. Diese Wut brachte Menschen zusammen, die sonst keine gemeinsamen Themen haben: Linke, Pazifisten und: Neonazis.

Das neue Thema Nr. 1 im Land hat die NPD schlau ausgenutzt. Auf mancher Demo marschierten Rechts und Links sogar zu den gleichen Parolen. Was aber macht ein Mensch, der den Frieden liebt und die strammen Rechten verachtet?

Michael Beyer und Roland Jahn über deutsche Demokraten im Härtetest.


Sprechchor:
"Verachtung den Mördern. Amis raus aus Nahost."

Leipzig diesen Montag. Dreißigtausend Menschen demonstrieren gegen den Krieg im Irak. Ein breites Bündnis aus Parteien und Friedensgruppen hat dazu aufgerufen.

Erfurt vor 5 Tagen. Auch hier - Protest gegen den Irakkrieg.

Sprechchor:
"USA - Internationale Völkermordzentrale. USA - Internationale Völkermordzentrale."

Hier ist es die NPD, die zu Protest-Aktionen gegen die US-Regierung aufgerufen hat. Dreihundert Anhänger marschieren durch die Innenstadt. Ganz offiziell und genehmigt. Das Verbot der Partei wegen Verfassungsfeindlichkeit war Mitte März gescheitert.

Hanau in Hessen vor zehn Tagen. Die NPD demonstriert vor einem Stützpunkt der US-Luftwaffe. Protest gegen amerikanische Bomben im Irak.

Holger Apfel, NPD:
"Die NPD ist nicht erst seit heute und nicht erst seit gestern, sondern seit Bestehen, seit 1964 die real existierende Friedensbewegung, die real existierende Friedenskraft in Deutschland."

Frieden, das heisst für die NPD auch Ruhm und Ehre dem deutschen Landser. Flagge hissen für die Wehrmacht. Die Verbrechen der deutschen Armee leugnen die Nationalisten. Doch im Zweifelsfall geben sie sich wandlungsfähig. Ausländerfeinde werden zu Ausländerfreunden. Die NPD auf der Suche nach Bündnispartnern.

Holger Apfel, NPD:
"Und wenn es denn gegen einen gemeinsamen Feind geht oder wenn es darum geht, für die gleichen Ziele auf die Strasse zu gehen, dann hätte ich persönlich kein Problem auch mit PDS-Aktivisten oder mit Antifaschisten, wenn sie es denn ernst meinen, im Kampf für Frieden und Freiheit dann auch auf die Strasse zu gehen."

Demonstranten:
"Amis raus, aus dem Irak."

In Hanau marschierten die zweihundert Anhänger der NPD allein. Jetzt will die Partei andere Wege gehen. Besonders in den neuen Bundersländern.

Fürstenwalde - eine Kleinstadt in Brandenburg. Auch hier wird gegen den Krieg demonstriert. Jeden Freitag ist Kundgebung auf dem Marktplatz. Organisiert von einem Bündnis verschiedener Friedensgruppen.

Günter Lahayn, SPD, Vorsitzender Stadtverordnetenversammlung:
"Wir wollen zum Ausdruck bringen, Fürstenwalde, die Bürger und Bürgerinnen aus Fürstenwalde sind gegen diesen Krieg. Das wollen wir tun. Nicht mehr und nicht weniger."

Bühne und Mikrofon sollen jedem Redner offen stehen, der gegen den Krieg ist. Freie Rede für jeden, der sich zu Wort meldet.

Gerald Sachse, PDS, Stadtverordneter:
"Es rufen ja auch nicht Parteien dazu auf oder Kirchen, sondern es rufen im Prinzip Personen dazu auf aus den unterschiedlichsten politischen Lagern und insofern, glaube ich, gibt es auch für niemanden irgendwelche Berührungsängste."

Keine Berührungsängste - auch die NPD folgt der Einladung zur Anti-Kriegsdemo.

Die Organisatoren merken: an Ihrer Demo wollen auch die Rechten teilnehmen.

Gerald Sachse, PDS, Stadtverordneter:
"Wir können doch nicht mit irgendwelchen Rassisten, die die Menschenrechte im Prinzip von ihrer Programmatik her mit Füssen treten, gemeinsame Sache machen. Das geht nun beim besten Willen nicht."

Der Veranstalter informiert die Polizei. Doch die reagiert gelassen und schickt einen Streifenwagen vorbei. Beobachten statt eingreifen - es sind keine Straftaten in Sicht. Der Aufmarsch der NPD auf dem Marktplatz von Fürstenwalde erfolgt ungehindert. 30 Nationalisten reihen sich ein in die Friedenskette gegen den Irakkrieg.

Gerald Sachse, PDS, Stadtverordneter:
"Die können meinetwegen demonstrieren wo sie wollen, aber nicht hier. Das ist unsere Kundgebung."
Frage: "Aber sie haben doch alle Bürger aus Fürstenwalde aufgerufen, hier zu demonstrieren. Dann müssen sie doch auch die NPD tolerieren?"
"Nein, auf diese Diskussion lasse ich mich nicht ein. Das tut mir leid. Sie wollen jetzt gerne irgendwas von mir hören. Aber das machen wir nicht."

Der Vorsitzende der NPD erscheint. In Fürstenwalde hat er für den Bundestag kandidiert. Udo Voigt will den Veranstalter beim Wort nehmen und sprechen.

NPD-Sprecher:
"Du kannst eventuell auch sprechen. Wir sind gerade am Verhandeln."

Hilflosigkeit bei den Organisatoren. Unklar ist die Frage, ob man die Rechten ausschließen kann. Schließlich sitzt die NPD auch im Stadtparlament.

Demonstrantin:
"Das Bundesverfassungsgericht hat sie nicht verboten, mit welchem Recht soll man sie jetzt hier abdrängen. Wenn das die große Politik nicht schafft, was sollen wir dann hier machen?"

Die Veranstaltung beginnt schließlich, wie geplant. Man will sich die Friedensdemo nicht sprengen lassen.

Günter Lahayn, SPD:
"Heute spricht zu Ihnen unser Bundestagsabgeordneter Jörg Vogelsänger von der SPD-Fraktion. Anschließend ist das Mikrofon wieder für jedermann freigegeben."

Die Anwesenheit der Nationalisten wird toleriert.

Schweigend verfolgen die Anhänger der NPD das Programm. Friedenslieder vom Kirchenchor.

Günter Lahayn, SPD:
"Vielen Dank für den Beitrag. Jetzt hat das Wort: der Vertreter der NPD, Herr Voigt."

Freie Rede auch für den NPD-Chef - die Ersten Zuhörer wenden sich ab.

Udo Voigt, NPD:
"Ich bedanke mich ausdrücklich, dass die NPD, die ja auch hier im Stadtrat vertreten ist, sich heute äußern kann."

Udo Voigt wird nicht müde, die Anti-Kriegshaltung der NPD herauszustellen. Erneut ruft er zum gemeinsamen Kampf für den Frieden auf.

Udo Voigt, NPD:
"Und ich kann sie nur dazu aufrufen, diese Zeit zu nutzen, ihren Protest auch weiterhin zum Ausdruck zu bringen."

Die NPD will die Einheitsfront für den Frieden - doch daraus wird nichts. Das Friedensbündnis hat sich in die andere Ecke des Marktplatzes zurückgezogen. So gibt es nun zwei friedliche Kundgebungen in Fürstenwalde.

Erst als sich der NPD-Vorsitzende wieder ins Glied seiner Truppe einreiht, kehren auch die anderen Demonstranten zur Bühne zurück. Das Programm geht weiter. In den Chor der Friedenslieder stimmt die NPD immer noch nicht ein.

Die Kundgebung geht friedlich zu Ende - der Veranstalter zieht Bilanz.

Günter Lahayn, SPD:
"So, meine Damen und Herren, überall gibt es Lernprozesse. Ich möchte abschließend eigentlich das im Raum einfach stehen lassen. Demokratie ist schwer. Vor allem Demokratie zu praktizieren ist sehr schwer. Aber wir sollten immer üben, üben."

Beifall und Ablehnung liegen eng beieinander. Noch immer steht der Vorwurf im Raum, der Veranstalter hätte den Auftritt der Rechten verhindern müssen. Die NPD beruft sich auf das Recht zur Demonstrationsfreiheit. Und das will ihr der Veranstalter nicht verweigern, solange die Partei nicht verboten ist.

Günter Lahayn, SPD:
"Ich kann das eigentlich nur immer wiederholen. Das, was wir zur Wendezeit mal skandiert haben auf den Strassen, dass wir gesagt haben, Meinungsfreiheit ist auch das Recht des Andersdenkenden. Na, dann müssen wir es auch praktizieren. Das gilt auch für solche Situationen. Auch wenn es uns unbequem ist."

Die NPD will wiederkommen. Im Stadtparlament von Fürstenwalde sitzt sie sowieso.

Nun, Demokratie ist schwer - nicht nur im Irak. Und morgen trifft man sich in Fürstenwalde wieder zur Friedensdemo und wir wünschen den Fürstenwaldern viel Glück: nicht nur für den Frieden, sondern auch, ihre Bewegung vor den falschen Freunden zu verteidigen.