- Neonazis im Parlament – wie braun ist die CDU in Dresden?

Seit die NPD im sächsischen Landtag sitzt, suchen die etablierten Parteien nach einem wirksamen Mittel, die Rechten zu bekämpfen. Ausgrenzen und ignorieren waren die probaten Maßnahmen der 80er und 90er Jahre. Gegen eine professionalisierte Rechte hilft das nicht. Es bleibt nur der beschwerliche Weg, sich gegen die NPD-Abgeordneten mit überzeugenden Argumenten zu werten. Das kann nicht funktionieren, solange CDU-Politiker im Landtag mit den Rechten sympathisieren. René Althammer, Andrea Böll und Anton Mägerle untersuchen für Kontraste: Wie braun ist die CDU in Dresden?

Man hat sich schon fast daran gewöhnt: In Sachsen sitzt die NPD im Parlament – mit 12 Abgeordneten. Die Sozialdemokraten haben 13 Sitze. Der sog „rechte Rand“ ist mehr als eine Randerscheinung. Und er ist recht erfolgreich: Bei geheimen Abstimmung kriegen die Rechtsradikalen immer wieder Stimmen von anderen Fraktionen. Erst gestern wieder. René Althammer, Andrea Böll und Anton Maegerle wollten es wissen: wer sind in Dresden wohl die guten Freunde der Rechtsradikalen?

Die Stimmung ist trübe in Dresden – seit vor 83 Tagen die rechtsextreme NPD in den sächsischen Landtag eingezogen ist. Erstmals seit über 30 Jahren ist die NPD wieder in einem deutschen Parlament vertreten – mit 12 Abgeordneten. Und seitdem geschehen merkwürdige Dinge: Immer wieder bekommt die NPD mehr Stimmen als sie Mandate hat. Zuerst bei der Wahl des Ministerpräsidenten, da erhält NPD-Kandidat Uwe Leichsenring plötzlich 14 Stimmen. Zwei Stimmen mehr also als die NPD Abgeordnete hat. Diese Stimmen kommen von den Abgeordneten der anderen Parteien. Dasselbe geschieht bei der Wahl des Ausländerbeauftragten. Die NPD stellt einen eigenen Kandidaten auf – und auch der bekommt zwei Stimmen aus anderen Fraktionen. Der parlamentarische Geschäftsführer der NPD Uwe Leichsenring sonnt sich im Erfolg.

Uwe Leichsenring, NPD
"Ich freue mich natürlich, wenn unsere Politikansätze auch in anderen Fraktionen offenbar teilweise auf Zustimmung stoßen. Das nehme ich sehr gerne zur Kenntnis."

Aber keiner willŽs gewesen sein. Im sächsischen Landtag herrscht deshalb Unruhe. Alle suchen nach den heimlichen NPD-Sympathisanten, den sogenannten U-Booten.
So manch einer glaubt, sie sitzen in der CDU. Und das hat einen Grund: seit Jahren propagieren CDU-Abgeordnete rechte Parolen. Vorreiter über drei Legislaturperioden – bis 2004 im Landtag: Volker Schimpff. Zu kriminellen Ausländern hatte der seine eigene Meinung: abschieben und in der Heimat in den Knast stecken, dort klappt es wenigstens mit der Resozialisierung.

Volker Schimpff, CDU (16.03.2000)
„Und zugegebener Maßen hielte sich mein Mitleid in Grenzen, wenn der im heimatlichen Kulturkreis einsitzende Verbrecher bei der Arbeit Ketten an den Füßen hätte oder für Disziplinverstöße statt einstweiligen Entziehens des Lesestoffes, wie im deutschen Strafvollzugsgesetz, die in Afrika und Asien vorgesehenen Peitschenhiebe kriegte. Es diente schließlich dem progressiven, liberalen Hauptzweck der Freiheitsstrafe: seiner Resozialisierung.“

Aufgefallen ist der Mann schon 1992. Für das Eingeständnis deutscher Schuld, verankert in der sächsischen Verfassung, hat er nur Hohn übrig, weil das „Bekenntnis ewiger Schuld" nur denen nütze, "die dem Volk den ewigen In-Sack-und-Asche-Gang oktroyieren wollen.“

Rechter geht’s kaum – oder doch? CDU-Mann Schimpff war auch einmal in der Wehrmachtsausstellung.

Volker Schimpff, CDU (23.01.1998)
„Laut Katalog handelt die Ausstellung über– ich zitiere – das neben Auschwitz barbarischste Kapitel der deutschen und österreichischen Geschichte, den Vernichtungskrieg der Wehrmacht von 1941- 1944 “

Erstmals wurden hier deutsche Kriegsverbrechen im II. Weltkrieg umfassend dokumentiert. Für die NPD war das ein Grund, auf die Straße zu gehen und gegen die Wehrmachts-Ausstellung zu protestieren. Ihre Parole: Mein Großvater war kein Verbrecher. Und CDU-Mann Schimpff – der sieht das ganz genauso.

Volker Schimpf, CDU (23.01.1998)
"So sollen 18 Millionen zumeist wehrpflichtige deutsche Soldaten – die gesamte Generation unserer Väter und Großväter – zu den Tätern im nationalsozialistischen Vernichtungskrieg, zu Mördern gestempelt werden."

Volker Schimpff gehört dem neuen Landtag nicht mehr an, dennoch ist für den Rechtsextremismusforscher Wolfgang Gessenharter klar, dass Leute wie er der NPD mit den Boden bereitet haben.

Prof. Wolfgang Gessenharter, Rechtsextremismusforscher
„Also es handelt sich hier schon um ganz starke und massive Übernahmen eines neurechten Gedankengutes. Es handelt sich darum, dass hier Dinge zusammen gemischt werden, die wir eigentlich so in Zeitschriften wie „Junge Freiheit“, wie „Nation und Europa“ kennen aber eigentlich nicht in demokratischen Parteien gedacht werden sollten."

Gedacht werden sie aber trotzdem und auch laut ausgesprochen. Auch von Abgeordneten, die immer noch dem Landtag angehören. Wie Steffen Heitmann – ehemals Bundespräsidenkandidat der CDU. Sein Thema: die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone und das Schicksal der damals enteigneten Bauern.

Steffen Heitmann, CDU (20.03.1998)
„Wenn allerdings hier schöngeredet werden soll, was mit den Alteigentümern geschehen ist, dann muss man dem auch ganz deutlich entgegen halten. Die sind eben deportiert worden wie vorher die Juden. Freilich sind sie nicht in Gaskammern getrieben worden.“

Steffen Heitmann vergleicht das Schicksal der Alteigentümer mit dem der Juden.

Prof. Wolfgang Gessenharter, Rechtsextremismusforscher
"Ich denke, da muss man nicht sehr viel dazu sagen. Sondern da kann man sagen; ein solcher Satz der richtet sich selbst. Er ist für meine Begriffe völlig unmöglich, weil er eben wirklich mit dem Phänomen der Vergasung umgeht, als ob das soŽn ganz kleines zusätzliches Element noch gewesen wäre."

Im sächsischen Landtag wird übrigens oft vom Schicksal der Juden gesprochen. Da wird der Mord an Millionen Juden gern mal in einem Atemzug mit der Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa genannt. Das Gleichsetzen von Unrecht – eine typisch rechtsradikale Methode. Und deshalb findet der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Grapatin, das die Nachkriegsordnung in Osteuropa aus vergleichbarem Unrecht entstanden sei:

Andreas Grapatin, CDU (13.12.2001)
"Das waren doch die Entrechtung, Deportation und Vergasung der Juden im Herrschaftsbereich der nationalen Sozialisten, die Entrechtung und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, aus Mitteleuropa und Russland"

Das heißt: die Ansprüche jüdischer Opfer werden den Ansprüchen anderer Opfer gleichgesetzt.

Schon 1996 fiel CDU-Mann Andreas Grapatin am rechten Rand auf. Damals gab er in diesem Haus eine große Geburtstagsparty – zusammen mit einem Freund. Der war in der extrem rechten Szene gut bekannt – sein Name: Hans-Holger Malcomeß: einst Gastredner bei der inzwischen verbotenen neonationalsozialistischen Wikingjugend.

Wen wundert es da, dass die CDU die Gefahr von Rechts im Landtag oft als linke Propaganda abgetan hat. Es spricht der alte und neue Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle.

Fritz Hähle, CDU (16.11.2001)
„Wenn man diese armen Irren unbeachtet stehen ließe oder ihre paar Meter laufen ließe und kein Mensch schaute hin, es würde zu gar keinem Thema in Deutschland.“

Nur der CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle war zu einem Interview bereit. Ein Versagen sieht er nicht – seine Partei habe sich nichts vorzuwerfen.

Fritz Hähle, CDU-Fraktionsvorsitzender
"Also unsere Abgrenzung war immer klar, unsere Haltung gegen alle Extremen war sichtbar, es gab bisher keinen Grund zu einer Auseinandersetzung, weil wir meinten, die sind ohnehin schwach, zersplittert und dergleichen mehr."

Eine krasse Fehleinschätzung – die NPD sitzt nun mit 12 Abgeordneten im sächsischen Landtag.

Uwe Leichsenring, NPD
"Der Wähler wird sich immer für das Original entscheiden und uns ist es in diesem Wahlkampf erstmalig gelungen, unsere Politikansätze dem Bürger nahe zu bringen und warum soll er sich für’s Plagiat entscheiden, wenn das Original zu haben ist."

Das rechtsextreme „Original“ hat Anhänger gefunden. Im sächsischen Landtag, unter den Abgeordneten der „demokratischen“ Parteien. Die Stimmung bleibt trübe in Dresden.

Und die Aussichten auch! Es sind ja nicht nur die zwei oder fünf feige, weil im Geheimen abgegebenen Stimmen. Es ist auch nicht nur der eine oder andere Abgeordnete, der bis heute die deutsche Geschichte nicht begriffen hat. Erbärmlich und beunruhigend aber ist, wenn eine demokratische Partei wie die CDU nicht die Kraft und womöglich auch keine Lust hat, ganz klare Grenzen zu ziehen: zwischen sich und den Herrschaften vom ganz rechten Rand.