Mit Hackkreuz beschmierte Hausfassade (Quelle: RBB)

- NPD auf dem Vormarsch - wie Rechtsextreme in Kommunen Wahlerfolge erzielen

Die NPD feiert Wahlerfolge: bei den Kommunalwahlen in Sachsen erzielte sie in einzelnen Regionen bis zu 25 Prozent der Stimmen. Gewählt wurden Kandidaten, die scheinbar aus der Mitte der Gesellschaft kommen: Fahrlehrer, Klempner, Ärzte. Die Zustimmung zur NPD zeigt sich im Alltag: bei der Ablehnung von Menschen, die "fremd" erscheinen, durch rassistische Hetzparolen im Stadtbild und durch die Angst derjenigen, die sich mit dem Vormarsch der NPD nicht abfinden wollen.

Und jetzt Notizen aus der Heimat.

Wer Urlaub in Deutschland machen will, der kann, mancherorts, sein braunes Wunder erleben! Zum Beispiel in Sachsen: dort hat bei den letzten Kommunalwahlen die NPD in vielen Orten viele Wählerstimmen bekommen. In zahlreichen Rathäusern regieren die Herrschaften mit der strammen Gesinnung mit. Es war keine Wut, es war keine Protestwahl. Die Rechtsextremen gehören inzwischen dazu.

Sie sind die Nachbarn von nebenan und sie sind akzeptiert. Alexander Kobylinski und Caroline Walter waren auf Sommerreise. Ein Tagebuch über ihre schlimmsten Ferienerlebnisse.


Wir sind unterwegs im Urlauberparadies - der Sächsischen Schweiz an der Elbe. Touristen aus der ganzen Welt kommen hierher. Die Region lebt von den Fremden. Gerade waren hier Kommunalwahlen. Der malerische Ort Reinhardtsdorf-Schöna - hier haben 25 Prozent die rechtsextreme NPD gewählt. Sie darf jetzt mitregieren. Die Jungen seien das gewesen mit der NPD, sagen viele im Ort. Darüber reden will kaum einer, schon gar nicht die Jungen.

KONTRASTE:
"Was sagt Ihr denn zu den NPD-Erfolgen hier in der Gegend?"
Jugendliche:
(Schweigen)
KONTRASTE:
"Wie nichts? Findet Ihr das gut, dass so viele Leute NPD gewählt haben?"
Jugendliche:
(Schweigen, laufen weg)

Schweigen und wegschauen. Dabei gibt es schon lange Probleme mit Rechtsextremen im Ort.

Bürger:
"Man sieht und hört nichts im Dorf, dass irgendwelche Treffen oder was weiß ich. Es ist nichts."

Manche haben Angst. Es gab Drohungen am Telefon, das Haus würde angezündet, wenn man sich gegen die Rechten stellt.

Wir suchen den hier gewählten NPD-Kandidaten: Michael Jacobi. Er ist Klempnermeister, beliebt und immer hilfsbereit.Wir finden Jacobi in seiner Firma und wollen mit ihm über den NPD-Erfolg sprechen.

KONTRASTE:
"Guten Tag."
Michael Jacobi (NPD), Gemeinderat Reinhardtsdorf-Schöna:
"Verlassen Sie sofort das Grundstück! Ab!"
KONTRASTE:
"Wir möchten gerne mit Ihnen sprechen."
Michael Jacobi (NPD), Gemeinderat Reinhardtsdorf-Schöna:
"Verschwinden Sie, dort vorne ist die Grundstücksgrenze, dort gehen Sie hin!"
KONTRASTE:
"Sie sind gewählter Volksvertreter, warum reden Sie nicht mit uns? Sie könnten doch in drei Sätzen sagen..."
Michael Jacobi (NPD), Gemeinderat Reinhardtsdorf-Schöna:
"Dort ist die Grenze. Ab!"

In Jacobis Garage fand die Polizei vor ein paar Jahren Waffen und Sprengstoff, hochgefährliches TNT. Es gehörte seinen Söhnen. Sie sind bekennende Rechtsextreme.

Wir fahren weiter ins schöne Königstein. Das Symbol: die Festung. Festgesetzt hat sich seit den Wahlen die NPD - mit 21 Prozent. Mit Parolen wie "Gute Heimreise" - gemeint ist: Ausländer raus - hat sie Stimmung gemacht. Das hat gezogen. Obwohl es in dieser Region kaum Ausländer gibt.

KONTRASTE:
"Was finden Sie denn an der NPD gut?"
Bürgerin:
"Ja gut, gut. Was soll ich denn sagen, gut. Ich meine, ich finde das eben gut, wenn sie sich würden dafür einsetzen, dass es eben mit die Ausländer ein bissel zurückgeht bei uns. Weil wir selber genug Arbeitslose und alles haben."
KONTRASTE:
"Aber hier gibt's ja kaum Ausländer in der Gegend?"
Bürgerin:
"Nee, hier ist es nicht, aber wieso es hier so ist, das weiß ich nicht."

Uwe Leichsenring ist der neue NPD-Stadtrat. Er will sich mit uns nur auf einem Parkplatz treffen. Leichsenring besitzt eine Fahrschule, hat einen Namen in der Gegend. Jeder kennt den freundlichen "Uwe". Zum zweiten Mal wurde er gewählt, mit noch mehr Stimmen.

Uwe Leichsenring (NPD), Stadtrat Königstein:
"Wir haben uns um viele kleine Probleme kümmern können, nur auf kommunaler Ebene. Da ging's um Fußwegverbreiterung, um die Sicherheit des Schulweges und darum zum Beispiel, dass in den Schulbussen die Gurte eingeführt wurden."
KONTRASTE:
"Das heißt, Sie sind so richtig bürgernah?"
Uwe Leichsenring (NPD), Stadtrat Königstein:
"Ja, natürlich, ich bin ja auch ein Bürger von hier."

Harmlos gibt sich Fahrlehrer Leichsenring. Dabei hat er seit Jahren Verbindungen zu einer gefährlichen Gruppe: Skinheads Sächsische Schweiz, kurz SSS. Wir bekommen Fotos auf der Reise: Die vermummten Mitglieder der SSS. In diesem Aufzug haben sie Jagd auf "Linke" und Ausländer gemacht, sie brutal zusammengeschlagen. Bei den Skinheads Sächsische Schweiz fand die Polizei scharfe Waffen.

Die Dienste der SSS nahm auch Uwe Leichsenring schon in Anspruch.

Uwe Leichsenring (NPD), Stadtrat Königstein:
"Na, man kannte sich. Wir wohnen in einer Gegend. Und sie haben, wie gesagt, ich konnte anrufen und sagen, wenn wir eine Saalveranstaltung haben, und da hat man uns geholfen, die Saalveranstaltung zu schützen."

Die SSS ist inzwischen verboten. Von den Behörden erfahren wir aber - die gewaltbereite Truppe arbeitet weiter - nur unauffälliger. Sie half der NPD gerade beim Wahlkampf.

Wir besuchen die Mittelschule in Königstein. Der Direktor erzählt uns, auch einige seiner Schüler hätten für die NPD Wahlplakate aufgehängt.

Eine 9. Klasse: Schon bei den Jugendlichen hat sich festgesetzt, dass Problem seien die Ausländer.

KONTRASTE:
"Weißt Du denn für was die NPD steht, was die überhaupt wollen?"
Schüler:
"Die sind für mehr Arbeitsplätze, und dass die Ausländer etwas zurückgestockt werden dadurch. Sonst werden nicht so viel Arbeitsplätze frei."

KONTRASTE:
"Glaubst Du denn die NPD könnte es besser machen, als die anderen Parteien?"
Schülerin:
"Na, ich würd' mal denken, viel schlechter kann es nicht werden, weil es ja schon ziemlich viel Schlechtes. Und deswegen haben bestimmt auch so viele die NPD gewählt, in der Hoffnung, dass es mal besser wird."

Wir reden mit ihnen über Menschen mit anderer Hautfarbe, ob die hier eine Chance hätten.

Schülerin:
"Na ja, ich denk halt so, na ja, was wollen die hier. Ich mein, die können nett sein, aber ich will die halt auch nicht kennen lernen oder so."
KONTRASTE:
"Du würdest Sie nicht kennen lernen wollen?"
Schülerin:
"Na, ni unbedingt.

Wir fahren weiter nach Pirna, der größten Stadt in der Sächsischen Schweiz. Zum ersten Mal hat es hier die NPD in den Stadtrat geschafft. Gleich nach dem Wahlerfolg wurden überall Hakenkreuze an die Häuser geschmiert. SS-Runen und "Juden Raus". Schon drei Wochen sind die Schmierereien da, keinen interessiert das.

KONTRASTE:
"Warum macht das keiner weg? Die Leute, die hier wohnen?"
Anwohner Pirna:
"Ja, dazu, ich bin eigentlich auch nicht zuständig."

KONTRASTE:
"Warum engagiert sich hier keiner?"
Anwohner Pirna:
"Kann ich nicht sagen, weiß ich nicht."
KONTRASTE:
"Warum machen Sie nichts dagegen?"
Anwohner Pirna:
"Gute Frage, nächste Frage."

KONTRASTE:
"Es gibt ja Ausländer, die hier wohnen, die das schlimm finden?"
Anwohner Pirna:
"Dann sollten die zur Stadt gehen, finde ich, oder?"
KONTRASTE:
"Sie meinen, die Ausländer hier sollten zur Stadt gehen?"
Anwohner Pirna:
"Mhm, mhm, dann könnten die doch eigentlich zur Stadt gehen und können sagen, wir finden das nicht in Ordnung und könnten sich da engagieren, oder?"

Lieber weggucken, es betrifft einen ja nicht.

Wir suchen in Pirna den neu gewählten NPD-Stadtrat auf. Egon Weihs ist Handwerker. Seine Pläne für die Stadt:

KONTRASTE:
"Was wollen Sie genau machen mit Ihrem Mandat?
Egon Weihs (NPD), Stadtrat Pirna:
"Wir tun erst mal gucken, was erst mal das Aufgaben, das Schwerpunkte jetz ist in diesem Aufgabenbereich."

Auch Egon Weihs hat zu den Skinheads Sächsische Schweiz Verbindungen. Er steht im Gruppenfoto. Einer der Vermummten ist sein Sohn. Ganz zufällig sei Weihs auf dem Foto. Er erklärt uns das NPD-Programm, und was er vom Dritten Reich denkt. Mit den Juden, das sieht er anders.

KONTRASTE:
"Sie glauben nicht, dass 6 Millionen Juden ermordet wurden im Dritten Reich?"
Egon Weihs (NPD), Stadtrat Pirna:
"Ich war nicht dabei, wissen Sie, Sie können mir das jetzt erzählen, mir kann das irgendeiner erzählen jetzt, warum soll ich denn das glauben?"

Egon Weihs - die neue Hoffnung von Pirna.

Nur wenige Kilometer weiter, vorbei an schmucken Fassaden. Wir treffen zwei Familien, denen die hohen NPD-Wahlergebnisse Angst machen. Here Salimo kam vor 23 Jahren aus Mosambique nach Sachsen. Er heiratete eine Deutsche. Ihre dunkelhäutigen Kinder werden beschimpft - das ist schon lange Alltag.

Mutter:
"Es ist uns schon in der Vergangenheit passiert, dass also Leute uns auf der Straße gesagt haben: 'Die sollte man vergasen.'. Unseren Kindern wurde gesagt 'He, Heydrich, hol Deine Kohlen rein'. Also Heydrich, der KZ-Mensch. Also, unsere dunkelhäutigen Kinder sind die Kohlen, die verheizt werden."

Wir verabreden uns mit den Kindern in der Fußgängerzone von Pirna. Rechtsextreme laufen an ihnen vorbei. Die Kinder fühlen sich nur in Begleitung sicher. Sie meiden bestimmte Plätze.

Antonietta:
"Wir können ja auch nichts dafür, dass wir so braun sind und dass die halt uns deswegen jetzt so beschimpfen und so. Das ärgert mich eigentlich am meisten. Halt, dass sie uns nicht akzeptieren."

Clara:
"Ich bin aber jetzt in der Stadt lieber mit meiner Mutter unterwegs als mit meinem Vater, weil irgendwie fühle ich mich sicherer, wenn noch jemand dabei ist, der halt weiß ist und so."

Victoria:
"Ich denke mal, hoffen hilft nicht. Weil hoffen alleine - man muß einfach was machen. Und alle, auch die ganzen Politiker sagen immer, ja wir müssen was machen. Aber die machen nichts. Ich weiß nicht."

An diesem Nachmittag kommt auch Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt nach Pirna. Er gibt sich volksnah. Aber von den Ängsten der dunkelhäutigen Kinder und ihrer Eltern bekommt er nichts mit.

Mutter:
"Ich denke, dass von unseren Kindern niemand hier bleiben wird. Also, das es wird bestimmt keiner antun."
KONTRASTE:
"Wie lebt man damit?"
Mutter:
"Na, es ist einmal eine Stinkwut, manchmal."

Eine Reise durch die Sächsische Schweiz. Sieg Heil - und niemanden scheint es zu stören.

Die Parole wurde beseitigt - nach unseren Dreharbeiten - immerhin. Drei Wochen lang hatte sie keinen Bürger gestört. Wie schnell und wie schamlos unser gemeinsames Gedächtnis immer wieder Aussetzer hat!