Polizisten vor einem Lokal (Quelle: rbb)

- Null Toleranz – wie ein kreativer Polizeidirektor Rechtsextremisten den Spaß verdirbt

Phantasievoll, pingelig, kreativ. Berlins Polizeidirektor Michael Knape nutzt alle Möglichkeiten, um den Neonazis die Grenzen aufzuzeigen. Keine Nazi-Feier, keine Nazi-Demo in Berlin, bei der nicht ein Großaufgebot der Polizei die Einhaltung von Recht und Gesetz unerbittlich durchsetzt. Jo Goll und Norbert Siegmund porträtieren den Mann, der den Rechten jeden Spaß verdirbt.

Da ist es beruhigend zu wissen, dass die demokratischen Reflexe doch noch funktionieren. Beispiel Berlin. Der Verfassungsschutz warnt: Die gewaltbereite Neonazi-Szene wächst. Aber hier gibt es einen Polizeibeamten, der „Null Toleranz“ nicht für einen Werbeslogan hält – sondern beherzt durchgreift.
Dazu gehört Mut. Viel Mut. Unsere Reporter Jo Goll und Norbert Siegmund haben ihn auf einen gefährlichen Einsatz begleitet. Den Polizisten, der sich nicht abschrecken lässt.


Großeinsatz der Polizei im Berliner Norden. Es geht zu einer Party. Nur diese Gäste kommen ungebeten - aber zahlreich.

Bis zuletzt hatten die Gastgeber versucht, ihr Treffen geheim zu halten. Vergebens.
Er ist der Partyschreck der Rechtsextremen. Michael Knape, 52, Leitender Polizeidirektor – im Nebenberuf Professor für polizeiliche Einsatzlehre.

Rund 250 Beamte schickt er an diesem Abend, voran ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando.

Die Botschaft: Widerstand zwecklos. Sie richtet sich an jene, die sich als Elite der Rechtsextremen begreifen.

Neonazi
„Na, Du Jude! Verpiss dir!“

Der Jahrestag sogenannter Hammerskins – ein internationales Gipfeltreffen von Neonazis.

KONTRASTE
„Herr Knape, was ist denn Ihr erster Eindruck hier?“
Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Hier ist wirklich das gute Publikum, in Anführungsstrichelchen, also die harten Mitglieder der Skinheadbewegung, Hammerskins, Vandalen, eindeutig, also: Ich muss sagen: Das ist heute wieder ein Volltreffer. Wir haben heute genau die Klientel, die wir auch befürchteten, hier angetroffen.“

Knapes Devise, die er seit nunmehr fünf Jahren durchzieht: Keine rechtsextreme Party ohne Polizeibesuch. Ein Polizist als Störenfried, ausgerechnet in der Stadt, die für Neonazis höchsten symbolischen Wert hat.

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Hier steht zunächst einmal auch im Vordergrund, dass die Polizei deutlich sagt, wer Herr im Hause ist, und nicht dass etwa die Rechte Szene meint, in der so von ihr bezeichneten Reichshauptstadt sich ohne polizeiliche Kontrolle sammeln zu können, wie es leider in anderen Bundesländern des öfteren passiert. „Und ich kann damit leben, wenn die rechte Szene meint, ich bin ein Nazijäger, dann sag ich mal: ‚Viel Feind, viel Ehr’.“

Und Knape macht sich Feinde. Denn für Rechtsextremisten ist Berlin inzwischen ungemütlicher als jede andere Stadt. Keines ihrer Gipfeltreffen bleibt hier unbehelligt.
Dabei nutzt die Polizei jeden Spielraum des Polizeirechts. Sie kommt regelmäßig -und stört einfach – selbst führende NPD-Kader unter den Gästen.

Die Szene lernt, weiß worauf es ankommt. Polizisten suchen nach verfassungsfeindlichen Symbolen. Sein tätowiertes Hakenkreuz – mit Pflaster verdeckt. Die Polizei – pingelig, kleinlich. Wieder einmal ist eine Party gelaufen.

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Mit Rechtsextremisten ist nicht zu spaßen. Es sind Gewalttäter. Es sind Gewalttäter, die vor nichts zurückschrecken, wenn sie auch nur die Chance haben. Sie müssen sich einmal die Musik anhören. Und wer solche Lieder singt und so etwas verbreitet, der wird auch vor dem letzten Schritt nicht zurückschrecken, und Menschen niederschlagen und zusammenknüppeln. Und da muss ich Ihnen sagen: Da bin ich gerne kleinlich. Wenn das kleinlich ist, bin ich sehr gerne kleinlich.“

Kleinlichkeit ist in Berlin Programm – schon seit Jahren. Knape lässt bei Neonazi-Aufmärschen Alkohol verbieten. Und Springerstiefel. Der selbsternannte nationale Widerstand – auf Strümpfen durch die ehemalige Reichshauptstadt. Null Toleranz – bis zur Manndeckung. Auch bei Propagandadelikten konsequente Strafverfolgung .

Der Polizeidirektor macht Druck. Und das hat jetzt Folgen:

Michael Knape auf einem Steckbrief. Aufgetaucht im Berliner Norden, unmittelbar dort, wo der Polizeidirektor wohnt. Mutmaßlich Rechtsextremisten hängten Dutzende Steckbriefe an Bäume. Die Botschaft: „Wir wissen, wo Du wohnst.“ Nachts verunsichert Telefonterror die Familie.

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Also ich muss sagen, ich war schon etwas überrascht. Also das nimmt dann auch eine Qualität an und eine Form an, wo man sagt, hoppla, hoppla, jetzt fangen sie also an, in deinem Wohnumfeld auf dich Druck auszuüben. Das ist eine kurze Situation, mit der man konfrontiert wird. Dann muss man sich ein bisschen sammeln, und dann geht es aber auch wieder weiter. Ich sag mal, einen kleinen Schreck hat man schon gehabt ...“

Die Szene erhöht den Druck. Eine rechte Hass-CD, die Stimmung macht gegen den sogenannten Nazi-Jäger Nummer 1, wie die Berlin Allstars grölen.

Auch hier – deutliche Warnungen an Michael Knape: „Man sieht sich!“

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Es ist doch nur ein Zeichen, dass die rechte Szene offensichtlich den Druck, den sie meinen, den ich ausübe mit meinen Einsatzkräften, offensichtlich ihr zu stark ist und sie nun ein Mittel sucht, ein verzweifeltes Mittel sucht, um gegen den von ihnen so gehassten Polizeiführer Michael Knape vorzugehen.“

Doch Michael Knape bleibt unbeirrt – so jüngst beim Aufmarsch rechter Kameradschaften in Berlin-Köpenick. Zunächst sichert er die Demonstrationsfreiheit der Rechtsextremisten. Der verhasste Polizeiprofessor lässt den Neonazis die Straße frei räumen von Gegendemonstranten.

Doch kein Grund zum Aufatmen für die sogenannten Kameraden und ihren Anführer, den ehemaligen NPD-Kader Rene Bethage. In jeder Sekunde bleibt Polizist Knape pingelig.

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Herr Bethage hat sich ja mehrmals erkundigt, was er sagen darf und was er nicht sagen darf. ... Wir haben ja auch ein entsprechendes Verfahren, dass sie ihre Reden uns erst mal einreichen, dass wir die auch entsprechend kontrollieren. Aber Sie sehen. Es gibt doch immer wieder Leute, die dann meinen, die Polizei übertölpeln zu können.“

Ein volksverhetzender Satz aus einer Göbbels-Rede reicht. Knape lässt zugreifen. Strafverfahren – die Folge, und Hasstiraden. Verfassungsfeinde drohen mit dem Gang zum Verfassungsgericht.

Lautsprecherdurchsage

Nur Tage später: Polizeischutz für den Polizeichef, auch vor dessen Privathaus. Denn noch einmal erhöhen die Neonazis den Druck – auf Knape und seine Familie. Rechtsextremisten wollen vor Knapes Haustür protestieren. Als die Demo verboten wird, klagen sie durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht – letztendlich vergebens.

Druck auf allen Ebenen. Dennoch: Michael Knape will bei seiner harten Linie bleiben.

Michael Knape, Leitender Polizeidirektor
„Wir wollen auch den entsprechend einschlägig vorbestraften Personen deutlich machen: Die Polizei ist Euch im Nacken. Und hier in dieser Bundeshauptstadt wird es keine zweite Reichshauptstadt geben.“

Ohne ihn sähe es in Berlin anders aus. Es geht also doch.