Hähnchenschlachtanlage (Quelle: rbb)

- Die Spur des Fleisches – wie kommt der Abfall in die Hühnersuppe?

Die Nachricht hat alle geschockt: Tonnenweise hat eine Firma in Bayern Fleischabfälle als unbedenkliche Lebensmittel weiterverkauft. Was eigentlich zu Hundefutter verarbeitet werden sollte, steht jetzt bei Herrchen und Frauchen auf dem Tisch. Welche Produkte betroffen sind und wie das Fleischkarussell funktioniert, haben Michael Beyer, Alexander Kobylinski, Susanne Opalka und Axel Svehla recherchiert.

Der Fleischskandal in Bayern. Hunderte Tonnen Schlachtabfälle sind in deutschen Lebensmitteln gelandet - und das obwohl es doch immer heißt: bei uns wird so streng wie sonst nirgendwo kontrolliert! Michael Beyer, Alexander Kobylinski, Susanne Opalka und Axel Svehla auf den Spuren des ganz großen Geschäfts mit dem ganz schlechten Beigeschmack.

Weder einmal sorgt ein Fleischskandal für Unruhe. Schlachtabfälle, die nicht für die menschliche Ernährung zugelassen sind, sollen an Lebensmittelhersteller verhökert worden sein, und das in großen Mengen, die Rede ist bisher von 2.600 Tonnen. Schlachtabfälle von Hühnern, mitunter Schweineschwarten, Material, das sich nur noch für Tierfutter eignet.

Seit vergangenem Montag sitzt dieser Mann in Untersuchungshaft: Rolf K. Er steht im Zentrum des Skandals.

Thüringen: Auch an diesen Betrieb hat Rolf K. geliefert. Der Geschäftsführer des Unternehmens weiß, das Risiko ist hoch, einem Betrüger aufzusitzen. Günther Huber ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Wenn er Ware für den Lebensmittelbereich erhält, hat er nur wenige Angaben, die ihm über die Qualität Auskunft geben und auf die er sich verlassen muss.

Günther Huber, Geflügelverarbeiter
„“Die Angaben, die hier auf dem Palettendokument drauf waren, ich kann das jetzt nicht sehen, was da drauf steht, auf jeden Fall, das Produktionsdatum ist wichtig und die EU-Nummer ist wichtig.“
KONTRASTE
„Aber so ein Zettelchen könnte man doch auch am Computer erstellen?“
Günther Huber, Geflügelverarbeiter
„Sie können auch Tausend-Euro-Scheine am Computer erstellen.“
KONTRASTE
„Und wenn man jetzt sagt, das ist ein sicherer Weg?“
Günther Huber, Geflügelverarbeiter
„Das kann man nicht sagen. Das kann man nicht sagen.“

Der jetzt inhaftierte Rolf K. war wachsamen Zöllnern aufgefallen. Über den Grenzübergang Weil am Rhein soll er auffallend große Mengen Schlachtabfälle über die Schweizer Grenze nach Deutschland transportiert haben.

Die Spur führt nach Niederbayern. Zur Deggendorfer Frost, wo Rolf K. Geschäftsführer ist.

Dieser Betrieb ist ein so genannter Kategorie 3-Betrieb, kurz K3. Hier darf aus Schlachtabfällen nur Tierfutter hergestellt werden.

Der Markt für Schlachtabfälle unterliegt aber kaum solchen Kontrollen, wie sie bei der Herstellung von Lebensmitteln üblich sind. Und das wusste offenbar der Deggendorfer Fleischhändler zu nutzen. Der Verdacht: Rolf K. hatte ein Geschäftsmodell entdeckt, simpel und lange erfolgreich.

Und so soll es abgelaufen sein: Die Firma Hubers Landhendl in Österreich. Ein Geflügelgroßschlachter. Was hier nach dem Schlachten noch verwertbar war, kaufte Rolf K. in großen Mengen und ließ es nach Deutschland transportieren.

Die Ware war ordentlich als K3- also nur für Tierfutter geeignet – deklariert.

In Deutschland soll K. die Ware dann umdeklariert haben: jetzt waren die Schlachtabfälle lebensmitteltauglich, plötzlich geeignet für Suppe und Pizza.

Ortswechsel: Die Firma Kollmer in Illertissen, die Mutter der Deggendorfer Frost. Hier sollen aus K3–Abfällen auch Lebensmittel geworden sein, vermutet die zuständige Staatsanwaltschaft. Doch der Geschäftsführer bestreitet das:

Ernst Kollmer, Kollmer Fleisch GmbH
„Was ich zu denen Vorwürfen sage, kann ich ganz klar sagen, ist eine Frechheit. Zuerst soll man mal die wirklichen Tatsachen an die Luft setzen und nicht Sachen, wo gar net stimme.“
KONTRASTE
„Sind denn bei Ihnen Schlachtabfälle umdeklariert worden?“
Ernst Kollmer, Kollmer Fleisch GmbH
„Gar nicht.“

In über fünfzig Fällen soll die Deggendorfer Frost die K3–Ware als lebensmitteltauglich abgesetzt haben. Nur einen der Empfänger gab der bayerische Verbraucherminister Schnappaufpreis.

Werner Schnappauf (CSU), Verbraucherschutzminister Bayern
„Hier für das in Bayern belieferte Unternehmen können wir Ihnen den Namen nennen, es ist die Firma Rottaler Geflügelprodukte GmbH.“

Vorsichtshalber ließ der Minister das "Hühnerklein" und den "Hühnersuppentopf" aus den Gefriertruhen der Supermärkte nehmen. Die Firma weist die Vorwürfe zurück und lässt erklären:
Zitat:
"Sowohl die Abteilung Qualitätssicherung als auch der zuständige Veterinär hatten Geflügelstücke geprüft und deren einwandfreie Qualität festgestellt."

Die Empfänger der umgestempelten Schlachtabfälle sehen sich als Opfer einer arglistigen Täuschung. Doch Kriminelle haben es leicht auf einem Markt, der nur äußerst lax reguliert ist. Gekennzeichnet wird K3–Ware bisher mit simplen Klebezetteln. Fälschung leicht gemacht, räumt auch Bayerns Verbraucherschutzminister ein:

Werner Schnappauf (CSU), Verbraucherschutzminister Bayern
„Wir haben keine scharfen Anforderungen im Binnenmarkt an die begleitenden Papiere, an die Kennzeichnung der Transportbehälter, keine scharfen Anforderungen an die Kennzeichnung des Materials. Insofern ist hier ein Potential für kriminelle Energie par excellence.“

In der Europäischen Union fallen jährlich 14 Millionen Tonnen K3-Schlachtabfälle an. Die Entsorgung durch Tierbeseitigungsanlagen ist teuer. Also freut es die Schlachthöfe, wenn Abnehmer für die Abfälle Geld bezahlen. Das bestätigt der zuständige Veterinär aus Deggendorf:

Bernhard Bullermann, Amtstierarzt
„Also jeder Schlachthof ist ja bestrebt kostengünstig und wirtschaftlich zu arbeiten und der versucht natürlich auf legalem Wege die Entsorgungskosten möglichst gering zu halten.“
KONTRASTE
„Indem er das K3–Material verkauft?“
Bernhard Bullermann, Amtstierarzt
„Indem er das K3–Material nicht an die Tierkörperbeseitigungsanstalt abliefert, sondern über einen Betrieb, der also diese Genehmigung hat, K 3 – Material abzunehmen und weiter zu verarbeiten, zu entsorgen.“

Geflügelverarbeiter Huber wüsste, wie man Betrügern das Handwerk legen kann, Schlachtabfälle fälschungssicher macht:

KONTRASTE
„Warum gibt man dem nicht einfach Lebensmittelfarbe und sagt, wenn so eine Ware nur noch für den Tierfuttergebrauch sein soll, einmal mit Lebensmittelfarbe besprüht, und es hat sich erledigt?“
Günther Huber, Geflügelverarbeiter
„Ich kenn das auch, dass so was gemacht wird. Warum das nicht gemacht wurde, weiß ich nicht.“
KONTRASTE
“Wäre das eine Sicherheit für Sie“
Günther Huber, Geflügelverarbeiter
„Das wäre auf jeden Fall eine Sicherheit. Wenn die Ware besprüht wird, mit blau oder rot, dann weiß man, holla, hier ist was. Aber so kann das keiner erkennen, ob das für Tiernahrung bestimmt ist, oder für Lebensmittel.“

Wär’ doch so einfach!