Frau im Sessel (Quelle: rbb)

- Für immer jung? Ersatzhormone erhöhen Brustkrebsrisiko

Sie helfen gegen Wechseljahrserscheinungen - Hormonersatzpräparate. Tausenden Frauen verschrieben, auch gegen Herzinfarkt und Osteoporose. Jetzt zeigen Studien: Hormonersatztherapien erhöhen das Brustkrebsrisiko.

Frau ist 50 und drüber, nur ihr Körper soll denken, er sei mal grade 32. Ersatzhormone für Frauen in den Wechseljahren: Einst vor allem Hilfe gegen Hitzewallungen - heute Lifestyle Pillen, die ewige Jugend versprechen.
Immer mehr Frauen in der zweiten Lebenshälfte nehmen Hormone wie Vitamin C in der Grippesaison: die Schutzimpfung vor dem Altwerden. Mit dem versprochenen Wohlbefinden aber wächst ein gern verschwiegenes Risiko: Ersatzhormone können Brustkrebs auslösen oder beschleunigen. Den Verdacht gibt es seit langem, aber neue Studien haben ihn erhärtet. Doch Frauenärzte und - ärztinnen werden vor allem von den Referenten der Pharmaindistrie beraten. So erfahren dann auch die Patientinnen meist mehr über die Aussicht auf schöne Haut und gute Laune als über das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.
Ein Bericht vonUrsel Sieber.


Erika Fernsebner, 63 Jahre alt. Als sie vor drei Jahren in Rente ging, hoffte sie ihren Lebensabend mit ihrem Mann genießen zu können. Doch dann, vor ein paar Monaten der Schock. Die Ärzte diagnostizierten plötzlich einen Knoten in der Brust. Der Tumor war bösartig. Die Brust wurde amputiert. Erika Fernsebner hatte einen Verdacht:

Erika Fernsebner:
"Ja, ich hab dann gleich gedacht, wenn ich nur dieses Mittel nicht genommen hätte. Dann hätte ich vielleicht eine größere Chance, dass ich es nicht bekommen hab".

Frage:
"Den Brustkrebs?"

Erika Fernsebner:
"Ja, den Brustkrebs. Nicht bekommen hätte".

Diese Mittel, das sind Hormone gegen akute Wechseljahrsbeschwerden, gegen Hitzewallungen zum Beispiel oder gegen Depressionen. Laut Experten sind diese Präparate mitverantwortlich für den ungebremsten Anstieg der Brustkrebserkrankungen. Dass die Wechseljahrs-Hormone zu einem Mode-Medikament geworden sind, das hat Erika Fernsebner gemerkt, als sie in der Klinik war.

Erika Fernsebner:
"Das schweißt ja irgendwie zusammen, wenn alle das gleiche haben. Die meisten, also sehr viele hatten das genommen."

Frage:
"Wie wurde darüber geredet?"

Erika Fernsebner:
"Ja, die waren alle auch davon überzeugt, dass das bestimmt mit ein Grund war, warum sie Brustkrebs bekommen haben."

Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko zeigten alle Studien, die in den vergangenen Jahren weltweit veröffentlicht wurden. Doch das Brustkrebsrisiko wurde bislang noch weit unterschätzt. Das belegt eine neue große Studie aus den USA, entstanden hier in Wasinghton, am renommierten nationalen Krebsforschungszentrum. Catherine Schairer und ihre Forscherkollegen fanden heraus: Je länger die Hormone eingenommen werden, desto größer die Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken.

Catherine Schairer, Nationales Krebsforschungszentrum USA
Wir fanden heraus, dass die Hormonersatztherapie mit einem signifikant erhöhten Brustkrebsrisiko verbunden ist. Neu war für uns, dass die Präparate mit zwei Hormonen, also mit Östrogen und Gestagen, die Brustkrebsgefahr enorm steigern. Das bedeutet: Wenn eine Frau diese Hormone nur fünf Jahre lang nimmt, steigt das Brustkrebsrisiko schon um 40% gegenüber einer Frau, die nie Wechseljahrs-Homone bekam.

Keine Rede davon in der Pharmawerbung. Hier werden die Mittel als moderne Lifestyle-Medikamente gepriesen. Die massive Werbung der Industrie bei Frauenärzten war erfolgreich: Die Ärzte verschreiben heute diese Mittel zehnmal häufiger als noch vor 10 Jahren. Jede 3. Frau zwischen 55 und 60 nimmt in Deutschland Hormone. Das Versprechen bei langfristiger Anwendung: Jugendlichkeit und Schutz, vor Osteoporose oder Herzinfarkt.

Langfristige Anwendung heißt: 10 bis 20 Jahre werden Östrogene und Gestagene verordnet. Erika Fernsebner bekam die Mittel ab ihrem 50. Lebensjahr 12 Jahre lang verschrieben - bis der Brustkrebs entdeckt wurde. Grotesk, denn starke Wechseljahrsbeschwerden hatte sie nie.

Erika Fernsebner:
"Mir wurde das hauptsächlich empfohlen, weil ich so groß und so schlank bin, und weil es hieß, dass dieses Mittel gut gegen Osteoporose ist und nebenbei auch gleichzeitig gegen Herzinfarkt. Damals allerdings noch nicht, aber in neuerer Zeit heisst es, dass es gegen Herzinfarkt ist".

Genau diese Vorteile propagieren auch die Fachverbände der Gynäkologen. Zum Beispiel die von der Pharma-Industrie gesponserte Deutsche Menopausegesellschaft, allen voran ihr Präsident, Prof. von Holst.

Prof. Thomas von Holst, Deutsche Menopausegesellschaft
"Eine langfristige Hormontherapie reduziert das Risiko für Knochenbrüche deutlich und ganz besonders für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Da steht der Herzinfarkt im Vordergrund. Und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch die häufigste Todesursache auch bei Frauen".

Wir fragen nach bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, einem unabhängigen Gremium. Ihr Vorsitzender widerspricht diesen Empfehlungen: Dass Östrogene im Alter vor Knochenbrüchen schützen ist nicht nachgewiesen, und außerdem:

Prof. Bruno Müller-Oerlinghausen, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft:
"Ein genereller Nutzen im Hinblick auf Herzinfarkt ist für Östrogene nicht belegt. Zum Beispiel ist gerade eben eine große Studie publiziert worden, die gezeigt hat, dass wenn Patientinnen schon eine Herzkrankheit haben, die Gabe von Östrogenen den Verlauf nicht günstig beeinflusst".

Also keine Belege für den Schutz vor Herzinfarkt - doch ein Massenphänomen sind diese Lifestylemittel längst.

Maria Beckermann ist als Frauenärztin in Köln niedergelassen. Wie fast alle Frauenärzte folgte sie dem allgemeinen Trend und verordnete immer großzügiger diese Mittel. Als 70% ihrer Wechseljahrs-Patientinnen Hormone bekamen, wurde sie stutzig.

Maria Beckermann, Gynäkologin:
"Dann habe ich mir selber die Originalstudien besorgt und habe die genau analysiert und habe festgestellt, dass ein Teil der Nebenwirkungen und Nachteile einfach unter den Teppich gekehrt wird. Und was ich noch viel schlimmer finde, dass die ganzen Vorteile, die versprochen werden, überhaupt durch nichts belegt sind."

Die massenhafte Anwendung der Östrogene war auch für Prof. Greiser vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin Anlaß zur Sorge. Er hat alle Daten genau geprüft.

Prof. Eberhard Greiser, Universität Bremen
"Wir müssen davon ausgehen, dass im Jahr 1998 etwa 4,5 Millionen Frauen in Deutschland Östrogene bekommen haben und das kann man nur als ein gigantisches Massenexperiment bezeichnen."

Prof. Greiser hat erstmals die Folgen für Deutschland hochgerechnet: Demnach wurden im Jahr 1998 von 42 000 Brustkrebsneuerkrankungen 5000 durch Wechseljahrs-Hormone verursacht.

Prof. Eberhard Greiser, Universität Bremen
"Das heißt, hier haben die Ärzte statt zu nutzen geschadet. Das lässt sich natürlich kein Arzt gerne sagen, dass er durch eine Therapie, die er möglicherweise gut gemeint hat, bei gesunden Frauen einen Krebs verursacht hat."

Die Fachverbände der Gynäkologen reagieren empört. Das höhere Brustkrebsrisiko müssen sie allerdings zugeben.

Prof. Thomas von Holst, Deutsche Menopausegesellschaft:
"Hormone haben einen Einfluß auf das Brustkrebswachstum. Allerdings halte ich die Zahlen, die Herr Greiser genannt hat, für zu hoch gegriffen. Wenn man die Daten der großen Analyse der weltweit verfügbaren Daten zugrunde legt, dann werden nach einer fünfjährigen Hormontherapie allenfalls 2000 Fälle neu diagnostiziert."

Diagnose Brustkrebs: Für jede 3. erkrankte Frau endet Brustkrebs tödlich. Doch die Hormonersatztherapie wird in den Fachverbänden unkritisch hoch gejubelt:

Maria Beckermann, Gynäkologin:
"Es gibt keine konstruktive Kritik, keine Auseinandersetzung über Hormontherapie: wann und wann nicht, es gibt nur Befürwortung."

Frage:
"Wie kommt das?"

Maria Beckermann, Gynäkologin:
"Meines Erachtens ist ein Hauptgrund die enge Verzahnung zwischen Pharmaindustrie und Forschung und Lehre und Weiterbildung. Zum Beispiel, wenn wir eine Fortbildung haben für niedergelassene Ärzte, dann ist diese immer von der Pharmaindustrie gesponsert. Zum Beispiel, wenn Professoren, die ja Vorsitzende von Fachverbände sind, ihre Forschungsprojekte durchziehen wollen, dann sind die immer auf Gelder von der Pharmaindustrie angewiesen."

Kein Wunder, dass Erika Fernsebner von verschiedenen Frauenärzten immer nur positives gehört hat. Sie war eine gesunde Frau, als ihr die Hormonpräparate verordnet wurden - viel zu leichtfertig findet sie heute.

Frage:
"Ärgern Sie sich heute über ihre Frauenärzte?"

Erika Fernsebner:
"Ja. Ich finde, dass das viel zu locker verschrieben wird."

Eine kritische Debatte über das neue Lifestylemittel für Frauen ab 50 ist überfällig. Für Erika Fernsebner kommt sie zu spät.


Kontakt:


Für weitere Informationen könnten Sie folgende Informationsschrift anfordern:
"Hormone oder keine.....entscheiden Frauen selbst"
Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS)
Prof. Greiser
Linzer Str. 8-10
28359 Bremen
Tel: 0421/59596 - 0
Fax: 0421/59596 - 65
Email: greiser@bips.uni-bremen.de
Die Informationsschrift ist gegen Einsendung eines mit DM 1,50 frankierten DIN A5-Briefumschlags zu beziehen. Die Informationsschrift kann auch von der BIPS-Homepage heruntergeladen werden: www.bips.uni-bremen.de



Die AOK hat ein Faltblatt herausgegeben: Ratgeber: Wechseljahre natürlich erleben Zu beziehen über: AOK-Bundesverband Kortrijker Str. 1 53177 Bonn Oder über die AOK-Geschäftsstellen vor Ort.


Frau Dr. Maria Beckermann, Gynäkologin
Email: MJBeckerm@aol.com


Natürlich kriegen nicht alle Frauen Brustkrebs, die über längere Zeit Ersatzhormone einnehmen!
Wir sind aber der Meinung, dass jede Frau in der Lage sein muß, selbst abzuwägen. Das heißt: das Recht zu haben, von ihrem Arzt, ihrer Ärztin die ganze Geschichte erklärt zu bekommen: die vom Risiko ebenso, wie die vom Jungbleiben!