09/11 - 15 Jahre danach hat Deutschland noch immer nicht alle Sanktionen gegen Terrorverdächtige umgesetzt

Sein Name: Aqeel A. Seine Nationalität: Saudi. Der Vorwurf: Er war Direktor einer islamischen Stiftung, die Al Kaida mit Millionenbeträgen finanziert haben soll. Seit 2004 steht sein Name deshalb auf den Sanktionslisten von UN und EU. All sein Vermögen, Gelder, Aktien und Immobilien sollten eingefroren werden. Doch in Deutschland passierte nichts. Aqeel A. hat die mit seinem Grundstück erzielten Einnahmen offenbar der Berliner Al Nur Moschee zur Verfügung gestellt, die seit Jahren verdächtigt wird, Propaganda für Terrororganisationen zu betreiben.

Anmoderation: 9/11 - 15 Jahre ist es her. Am Sonntag fanden in den USA Gedenkfeiern für die beinahe 3000 Todesopfer statt. Rings um den Globus geht der Terror weiter: Militärisch ist dem nur schwer beizukommen, das zeigen die vergangenen Jahre. Um so wichtiger ist es, Terrororganisationen den Geldhahn zuzudrehen. Doch Deutsche Behörden warten seit Jahren ratlos auf eine "Dienstanweisung", wie sie die Geschäfte von Terrorverdächtigen stoppen sollen. Eine Recherche von Sascha Adamek und Jo Goll.

Ein Fanal gegen die westliche Welt: 9/11.  Tausende Tote auf amerikanischem Boden. Die Katastrophe von New York und Washington. Dann folgen Madrid und London. Über Monate geplante, hochkomplexe Anschläge - verübt vom Terrornetzwerk Al Kaida.

Der saudische Terrorchef Osama bin Laden investierte Millionen Dollar in den Tausendfachen Mord an unschuldigen Menschen.

Der Terror und seine Geldströme  – damit beschäftigt sich Andreas Frank seit Jahren. Der renommierte Finanzexperte berät Sicherheitsbehörden und den Europarat:

Andreas Frank, Finanzexperte

"Wir haben ja auch UN-Resolutionen, die verhindern sollen, dass solche Gelder geschleust werden, dass bestimmte Namen nicht mehr die Möglichkeit haben den Terror weltweit zu finanzieren über Charities, über Immobilienkäufe oder -verkäufe. Da hat man Gesetzgrundlagen geschaffen, das Problem ist, dass in diesem Bereich oft Gesetze nicht umgesetzt werden."

Zum Beispiel mitten in der deutschen Hauptstadt. Ausgerechnet ein Mann, der in den Augen internationaler Sicherheitsbehörden mitverantwortlich für den Al Kaida Terror sein soll, verfügt über Immobilien in Neukölln, obwohl UN- und EU-Verordnungen das untersagen:  der saudische Staatsbürger Scheich Aqeel  A. war Direktor der "Islamischen Al Haramain-Stiftung" in Riad. In diesen über Jahre streng geheim gehaltenen Papieren aus dem 09/11-Untesuchungsbericht heißt es über diese Stiftung:

Die CIA, das Finanzministerium und FBI-Offizielle sind besorgt über die Beziehungen der Al-Haramain-Stiftung zur saudischen Regierung sowie ihre Verwicklung in terroristische Aktivitäten.

Aqeel A.  bestreitet jemals Terror unterstützt zu haben. Auf der Terror- und Sanktionsliste der EU landete sein Name 2004 aber genau wegen dieses Vorwurfs:

Andreas Frank, Finanzexperte

"Wenn man die EU-Verordnung liest, ist es ganz klar, dass die Leute, die auf der Liste sind, das denen gegenüber ein Verfügungsverbot besteht und das heißt, die dürfen keine Immobilien erwerben. Das heißt, sie dürfen ins Grundbuch nicht eingetragen werden und jeder, der mit diesen Personen in geschäftlichen Kontakt ist, darf diesen Kontakt nicht weiterpflegen."

Trotzdem konnte der mutmaßliche Terrorpate Aqeel A. hier über ein Jahrzehnt unbehelligt Geschäfte machen. Seine Gebäude sind an mehrere Baufirmen vermietet und an einen Verlag mit dem Namen Al Hayat. Ist der Saudi Aqeel A. hier persönlich auch der Vermieter?

F: Im Grundbuch steht ein Herr A., kennen sie den, wissen sie wer es ist?

M: "nein, ne, wir zahlen die Miete an der islamischen Gemeinschaft"

Hinter der "islamischen Gemeinschaft" verbirgt sich eine von Berlins radikalsten Moscheen, die Al Nur. Ausgerechnet sie profitiert also von dem Grundstücksgeschäft des Saudis und kassiert nach Angaben der Firmen die Miete. Die Al Nur Moschee sorgt seit mehr als 10 Jahren für Schlagzeilen im Zusammenhang mit antisemitischer und islamistischer Hetze.  Aqeel A. war nach KONTRASTE-Recherchen auch der wichtigste Finanzier der Al Nur Moschee.

Wohl auch deshalb hatten Fahnder des Bundeskriminalamts das Neuköllner Grundstück frühzeitig im Visier. Laut KONTRASTE vorliegenden Dokumenten  intervenierte das BKA bereits 2004 beim Berliner Grundbuchamt und verwies ausdrücklich auf die EU-Verordnung, wonach sämtliche Vermögen von Terrorunterstützern eingefroren werden müssen.

Doch das für Neukölln zuständige Grundbuchamt wusste damals gar nicht, was zu tun ist. Die Senatsjustizverwaltung wird eingeschaltet. Ratlosigkeit. Auch in der Berliner Innenverwaltung. Die fragt in einem Schreiben an das Bundesinnenministerium:

Zitat:

"Welche Bedeutung hat das "Einfrieren von Vermögen"? Wie lässt es sich umsetzen?"

Eine klare Ansage bekommen sie nicht. Am Ende entscheiden die Behörden: Wir tun gar nichts.

Der Berliner SPD-Abgeordnete Erol Özkaraca beobachtet seit Jahren die islamistische Szene in seinem Bezirk Neukölln und kann nicht fassen, dass Berlin 10 Jahre lang wegschaute:

Erol Özkaraca (SPD) Abgeordneter Berlin

"Ich halte es für ein Sicherheitsrisiko, dass der Terrorismus durch Bevollmächtigte hier Geschäfte tätigen kann. Das macht mir Angst, ich finde es unmöglich, dass wir die EU-Normen nicht umsetzen in Berlin."

KONTRASTE fragt beim Berliner Justizsenator nach, wie das möglich war. Der verweist auf das für die Grundbuchämter zuständige Kammergericht. Und das teilt mit, Immobilienbestände würden gar nicht überprüft. Schlimmer noch: überraschend räumt es ein:

Zitat:

"dass es dort bisher keine allgemeinen Regelungen gibt, wonach die Grundbuchämter bei jedem Kaufvorgang die vorgenannte Überprüfung anhand der Listen der EG-Verordnung vornehmen."

Im Klartext: Neue Kaufverträge werden also in Berlin bis heute nicht auf Terrorverdächtige geprüft. Der Staatsrechtler Ulrich Battis sieht damit geltendes EU-Recht verletzt.

Prof. Ulrich Battis, Staatsrechtler

"Wenn es zu einem Verfahren kommt, dann wird die Bundesrepublik Deutschland von der Kommission beanstandet und dann gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und notfalls auch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof."

Aber wie sieht es bundesweit mit den Millionen bereits in Grundbuchämtern gespeicherter Grundstücke aus – wie jenes von Aqeel  A. in Berlin? Das Bundesinnenministerium teilt KONTRASTE mit, aus der EU-Verordnung folge keine "Verpflichtung, die Sanktionsliste mit dem aktuellen Grundbuchbestand abzugleichen".

Ein Irrtum. Denn wir fragten auch in Brüssel nach. Die EU-Kommission findet gegenüber KONTRASTE klare Worte.

Zitat:

Die Verpflichtung der "Al Kaida-Verordnung" lautet, dass sämtliche Vermögenswerte der gelisteten Personen komplett eingefroren werden, unabhängig davon, wann sie angeschafft wurden.

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu fordert jetzt eine klare Dienstanweisung von der Bundesregierung:

Fritz Felgentreu, Bundestagsabgeordneter (SPD)

 "Dafür brauchen wir eine Klarstellung von der Bundesebene die deutlich macht, wie wir prüfen wer hat in Deutschland einen Grundbesitz, und wie kann man die wirtschaftliche Tätigkeit lahm legen."

Wenn die Bundesregierung den Kampf gegen den Terror ernst nimmt, sollten sich die beteiligten deutschen Ministerien jetzt endlich auf ein gemeinsames Handeln einigen.

Abmoderation: Übrigens ist Aqeel A. mittlerweile nicht mehr auf der EU-Sanktionsliste. Immerhin:  zehn Jahre lang konnte er in Berlin unbehelligt Geschäfte machen. Jetzt ist es zu spät, ihn zu belangen.

Beitrag von Sascha Adamek und Jo Goll