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- Blinder Hass – brutale Gewalt gegen Polizisten nimmt zu

So manche Problemzone in deutschen Großstädten gilt inzwischen als „No-Go-Area“ für Polizisten in Uniform. Hass und Gewalt eskalieren – Gewalttäter werden zu einer Bedrohung für die Zivilgesellschaft.

Weil er die Zivilcourage zeigte, die vielen Bürgern heutzutage fehlt, zahlte Dominik Brunner mit seinem leben: Der Fall des 50-jährigen Geschäftsmannes, der in München von zwei Jugendlichen totgeschlagen wurde, weil er Kindern helfen wollte, hat die Nation entsetzt. Doch leider zeigt sich an diesem brutalen Fall, dass die Hemmschwelle für Gewalt in Deutschland insgesamt sinkt. Vor allem die Gewalt gegen Polizisten hat in vielen deutschen Grosstädten enorm zugenommen, ergaben unsere Recherchen. Angriffe mit Brandsätzen, Steinen oder Eisenstangen auf Uniformierte sind keine Seltenheit, bis hin zum mutmaßlichen Mordversuch. Norbert Siegmund und Andreas Jöhrens mit erschreckenden Szenen aus deutschen Großstädten.

Polizisten
„… Vorsicht, Flaschenwürfe! Vorsicht Böller ...“

Polizisten als Opfer – sie sind Zielscheibe grenzenlosen Hasses, zeigt ein Polizeivideo. Hamburg im September. Einsatz am Rande des Schanzenfestes. Die Beamten: einem Hagel aus Flaschen und Steinen ausgesetzt – und übelsten Pöbeleien.

Passant
„Du Dreckschwein, Alter! Dein Kind wird sterben. Dein Kind wird sterben bei der Geburt.“

Die Täter feiern sich im Internet. Gewaltvideos wie Trophäen. Hier greifen Vermummte sogar eine Polizeistation an.

Mit einem Verkehrsschild versuchen sie, Fenster aufzuhebeln. Dann werfen sie Feuerwerkskörper hinein, sagt die Polizei. Das Gebäude hätte in Flammen aufgehen können. Immer mehr und immer skrupellosere Gewalt beobachten Polizeigewerkschafter.

Eberhard Schönberg, Gewerkschaft der Polizei Berlin
„Es geht bei dieser Gewaltanwendung gegen die Polizisten, Polizistinnen nicht um das Erreichen irgendeines eines Ziels, zum Beispiel zu flüchten oder sich einer Festnahme zu entziehen, sondern man hat wirklich das Gefühl, es geht um das Verletzen von Menschen, es geht auch darum, auch in Kauf zu nehmen, dass der zu Tode kommt.“

Meist sind sie die Zielscheiben: Kleine Beamte der Bereitschaftspolizei, wie der Berliner Polizeiobermeister Andre Baudach. Auch er wurde oft mit Steinen und Flaschen attackiert, sogar mit Brandsätzen. Einst kostete ihn ein Einsatz beinahe das Leben: Bei den Krawallen am Rande der G8-Tagung geriet er in Rostock allein mitten in eine Gruppe Gewalttäter.

André Baudach, Gewerkschaft der Polizei
„Ick bin von meiner Truppe getrennt worden. Die Menge hat gejohlt. Man hat versucht, mir den Helm abzureißen. Ick hab extrem starke Schläge auf den Helm gemerkt und hab den festgehalten. Man hat versucht, mich umzureißen. Also im Prinzip, es war eine Eisenstange, mit der auf mich eingeschlagen wurde. Das war ein Mordversuch. Und Sie sehen das auch in deren Augen, was die für einen Hass haben und dass die Dich auch umbringen wollen. Das sehen Sie.“

Schläge mit Eisenstangen auf den Kopf. Spiel mit dem Leben von Polizeibeamten.

Und das offenbar immer häufiger und mit immer weniger Skrupeln. Wie in Hamburg oder Rostock, so am 1. Mai in Berlin. Jetzt dokumentiert ein polizeiinterner Bericht die Gefährlichkeit eines Einsatzes in Kreuzberg. Diese Reizgasgranate aus britischen Militärbeständen, gegen Polizisten eingesetzt.

Es fliegen Molotowcocktails Richtung Polizei. Dabei nehmen die Gewalttäter offenbar auch den Tod von Beamten in Kauf. Deshalb müssen sich jetzt mehrere junge Männer wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten. Eine neue Dimension von Gewalt in Stadtteilen, die Randgruppen für sich als eigenen Lebensraum beanspruchen.

Prof. Christian Pfeiffer, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
„Das Neue an dieser Geschichte hier ist, dass es stadtteilbezogen um eine Lebensform geht, um eine autonome Gestaltung von gesellschaftlichen Lebensformen, die versuchen, den Staat außen vorzuhalten.“

Staat unerwünscht. Selbst Verkehrspolizisten wird das vermittelt - mit Gewalt. Eingeschlagen: die Fenster des Streifenwagens.

Prof. Christian Pfeiffer, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
„Die Polizei darf sich nicht darauf einlassen, zurückzugehen aus Schwäche. Das wird von der Gegenseite wahrgenommen und verstärkt die Tendenz zu einer sich abkapselnden Subkultur.“

Uniformierte Staatsdiener – in den Problembezirken einiger Großstädte längst nicht mehr nur durch politische Gewalttäter angefeindet. Berlin-Friedrichshain, ein linkes Szeneviertel. Hier sind Streifenbeamte wie Karsten Heidel auch alltäglich auf immer schwierigerem Posten.

Karsten Heidel, Polizeioberkommissar
„Das fängt oftmals damit an, dass die Maßnahmen, die wir durchsetzen, von dem Bürger oftmals gar nicht Ernst genommen, gar nicht respektiert und auch befolgt werden, so dass es im Ergebnis darin endet, dass es wie zehn Meter hinter uns so kam, dass wir mit einem Kollegen zusammen eine Radfahrerin überprüfen wollten, die auf der Fahrbahn gelaufen ist. Stark alkoholisiert, stark torkelnd, was geendet hat, dass die Dame meinem Kollegen das Nasenbein gebrochen hat mit einem gezielten Kopfstoß und die Dame mir versucht hat, die Waffe raus zu reißen.“

Selbst beim ganz normalen Streifengang: Unter der Uniform stets eine schusssichere Weste.

Prof. Christian Pfeiffer, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
„Es gibt eine spezifische Verdichtung von Gewalt gegen Polizei aus Szenen heraus, in denen in unserer Winner-Loser-Kultur die Verlierer sich konzentrieren. Es gibt schon auch ein paar andere, die eine normale bürgerliche Existenz haben, aber sehr stark ist die Gruppe derer, die sich abgekoppelt hat vom Staat, und die dann in der Polizei, wenn die einschreiten will gegen irgendwelche Phänomene, in der Polizei den Feind sieht, den Repräsentanten des Staates, dem man als Feind begegnet, den man angreift, wo man offensiv von sich aus auch Verletzungen von Polizeibeamten in Kauf nimmt.“

Nebenan in Kreuzberg, Wrangelkiez. Über 30 Prozent leben hier vom Staat. 65 Prozent stammen aus Einwandererfamilien. Der Kiez erlangt traurige Berühmtheit, als ein Auflauf von bis zu hundert Menschen versucht, die Festnahme zweier jugendlicher Räuber zu verhindern. Der Stadtteil gilt bis heute als No-Go-Area für Polizisten. Wenn André Baudach allein hierher kommt, dann nur in Zivil. Uniformierte Polizisten kommen hier grundsätzlich nur mit mehreren Kollegen als Verstärkung.

André Baudach, Polizeiobermeister
„Wir haben das oft, dass Sie, wenn Sie in einer Straße wie dieser nur mal ein Knöllchen aufschreiben wollen, dann haben Sie schwupp die wupp einen Mob von 15 Personen, der das auch mit Gewalt verhindern will. Und wenn Sie hier Festnahmen machen wollen, könne Sie das eigentlich nur noch im Gruppenrahmen oder Zugrahmen machen.“
KONTRASTE
„Sind das Ausnahmesituationen, oder passiert das häufiger?“
André Baudach, Polizeiobermeister
„Egal, wo sie hingehen, wo es einen hohen Migrantenanteil gibt, da können Sie als Funkwagen alleine kaum noch was ausrichten, weil Sie halt immer diese Mob-Bildung haben.“

Randgruppen kapseln sich ab und reklamieren für sich ein Recht auf Gewalt. Wie muss der Staat regieren, damit die Polizei, die im Auftrage aller handelt, Gesetze auch in Problemkiezen durchsetzen kann? Zwischen Gewerkschaft und Wissenschaft entbrennt ein Streit.

Eberhard Schönberg, Gewerkschaft der Polizei Berlin
„Diese Leute sind sprachlich nicht mehr zu erreichen. Nicht weil sie nicht Deutsch können, sondern weil sie es nicht wollen. Sie sind jenseits außerhalb des Rechtsstaates, den wir repräsentieren als Polizei Und deshalb glaube ich oder bin überzeugt, dass Sprache allein nicht mehr hilft, sondern Strafandrohung, auch damit Kollegen besser geschützt sind“

Prof. Christian Pfeiffer, Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
„Ich halte es für eine komplette Illusion, dass man mit Strafrecht diese Probleme löst. Das ist nur politischer Aktionismus zu tun, als ob man für die Polizei irgendetwas erreicht hätte. Nein die dahinter liegenden Probleme müssen in Angriff genommen werden, die Strukturen, die sich da entfalten, dass es Subkulturen gibt, die sich abkapseln vom Staat, die ihr eigenes Leben leben wollen.“

Das heißt: Statt Strafverschärfung mehr Polizisten für Problembezirke deutscher Großstädte. Mehr Lehrer und Sozialarbeiter gegen den Frust und zunehmenden Werteverfall. Damit aus einzelnen Brandherden kein Flächenbrand wird.

Doch seit Jahren sparen Regierungen jeglicher Couleur - bei der Bildung und bei der Polizei. Obermeister Baudach zieht derweil Konsequenzen. Er hat berufliche Pläne.

André Baudach, Polizeiobermeister
„Ich hab mich für ne Ausbildungsmission in Afghanistan beworben für die dortigen Sicherheitskräfte, weil das Risiko da getötet zu werden oder verletzt zu werden ist genau so groß wie hier, und es wird wesentlich besser bezahlt.“

Was sagen Sie? Wie kann die Gewalt gegen Polizisten eingedämmt werden: Schärfere Gesetze oder mehr Geld für Bildung und Sozialarbeit? Schreiben Sie uns, Sie erreichen uns über unsere Internetadresse: www.kontraste.de.

Beitrag von Norbert Siegmund und Andreas Jöhrens