Mauer der JVA (Quelle: rbb)

- Gewaltexzesse sind Alltag in einer Berliner Jugendstrafanstalt

Eine Mutter hat Angst um ihren Sohn. Er wird bedroht, erzählt sie, er wird geschlagen und drangsaliert. Was die Frau mit Tränen erstickter Stimme schildert, passiert nicht auf offener Straße – es passiert hinter Gittern, in einer Jugendstrafanstalt in Berlin. Sogar Richter und Staatsanwälte sind darauf aufmerksam geworden, nachdem junge Häftlinge ihnen von den Gewaltexzessen berichteten. Ist das die Kapitulation des Rechtsstaats, fragt sich eine Staatsanwältin. Gabi Probst hakt nach.

Vor zwei Monaten haben wir Ihnen in Kontraste Bilder aus einem deutschen Gefängnis gezeigt, die so noch niemand gesehen hatte.

Drogenschmuggel in die Jugendstrafanstalt Berlin. Unser Bericht hatte Konsequenzen: Die zuständige Senatorin ließ endlich neue Gitter an die Zellen-Fenster anbringen. Und Polizisten bewachen nun das Gefängnis von außen.

Die Vorgänge in Berlin haben auch anderswo in Deutschland für Aufregung gesorgt. Zwei Kriminalkommissare aus Augsburg haben Strafanzeige gegen die Berliner Justizsenatorin gestellt, „wegen Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen“.

Meine Kollegin Gabi Probst hat währenddessen weiterrecherchiert. Und zwar
hinter den Gefängnismauern. Und das, was sich dort abspielt ist mindestens ebenso bedrohlich wie der Drogenschmuggel.


Name und Gesicht dieser Mutter müssen anonym bleiben. Sie hat Angst vor Gewalt gegen ihren Sohn.

Mutter
„Ich habe Angst um meinen Sohn, dass er die Haftanstalt nicht lebend verlässt. Er ist der Gewalt einfach nicht gewachsen.“

Der Gewalt nicht gewachsen. Diese Mutter meint die Gewalt in der Jugendstrafanstalt, in der ihr 20jähriger Sohn seit einem Jahr eine Freiheitsstrafe absitzt. Eigentlich sollen hier 14-21jährige Straftäter erzogen und auf den richtigen Weg gebracht werden. Aber:

Mutter
„Er sitzt da für eine Straftat, die möchte er absitzen. Er möchte da seiner Arbeit nachgehen. Und der Junge findet da drinnen keine Ruhe, weil er immer ein ungutes Gefühl hat.“

Vier Mal ist der Sohn innerhalb eines Jahres zusammen geschlagen worden, in der Zelle, auf der Arbeit, beim Hofgang.

Mutter
„Er hatte Prellungen gehabt an den Rippen, an der Brust, an den Arme, an den Schenkeln – waren eben halt alles Prellungen gewesen.“

Prellungen durch Mithäftlinge. Sie sind so genannte Intensivtäter arabischer Herkunft, sagt die Mutter. Häftlinge mit Migrationshintergrund haben sich hier in Banden organisiert und den Gefängnisalltag fest im Griff, sagen Insider.

Unter diesen Bedingungen hat die Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte Bedenken, junge Angeklagte überhaupt noch in die Jugendstrafanstalt zu schicken.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Die Staatsanwälte berichten von Körperverletzungen übelster Art. Das ist ausgesprochen bedrohlich, insbesondere natürlich für die, die unterlegen sind, ist das eine echte Gefahr und auch unter diesem Aspekt muss man sich überlegen, ob man Jugendliche da noch hinschicken kann. Wir dürfen ja eins nicht vergessen: wir wollen erziehen!“

Erpressung und Körperverletzung zählen zum Gefängnisalltag.

Viele Vollzugsbedienstete hätten schon kapituliert, erklären sie uns. Darüber reden wollen sie nur verdeckt. Angst vor Repressalien.

Vollzugsbediensteter
“Ein Deutscher, der vielleicht nur einen einfachen Diebstahl gemacht hat, der taucht ein in eine Subkultur, die voll ist von schwerer Kriminalität, die mit Menschenräubern, Totschlägern, mit Mördern, Vergewaltigern zusammen gesperrt werden, wo sich Insassen damit brüsten: du ich bin ein Mörder, du musst Angst haben.“

Nach der ersten Misshandlung hatte der Sohn noch den Vorfall gemeldet. Die Konsequenzen folgten gleich: Rache und Einschüchterung.

Auch Jugendrichterin Kirsten Heisig und ihre Richterkollegen verfolgen mit Sorge die zunehmenden Gewaltexzesse und das Wegschauen durch die Verantwortlichen, wie sie sagt. Sie hält es inzwischen für nötig, jeden Gefangenen eindringlich nach Gewalterfahrungen in der Jugendstrafanstalt zu fragen.

Kirstin Heisig, Jugendrichterin Berlin
„Ich erinnere mich konkret an eine Situation vor nicht langer Zeit, als mir ein homosexueller Untersuchungshäftling vorgeführt wurde, der schlicht und ergreifend sagte, machen sie alles mit mir, aber schicken sie mich bitte nicht dorthin zurück zu den sechs Arabern, die da für mich zuständig sind.“

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Für mich ist das eine Kapitulation des Rechtsstaates. Wenn wir zuschauen, wie dort Gewaltexzesse stattfinden, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn die Situation irgendwann kippt und die Situation auch unkontrollierbar wird.“

Mutter
„Er beruhigt mich, dass ich mir keine Sorgen machen muss, aber als Mutter spürt man, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Aber als Mutter spürt man so etwas, dass er da drinnen Angst hat.“

„Für mich ist das eine Kapitulation des Rechtsstaates“. Das sagt nicht irgendwer, sondern eine Staatsanwältin!