Polizeieinsatz am israelischen Generalkonsulat (Quelle: rbb)

- Todesschüsse am israelischen Generalkonsulat- Pannen bei der Berliner Polizei ?

Die Berliner Polizei ist bereits einen Tag vor den Todesschüssen in zwei Fernschreiben des BKA vor PKK- Aktionen gewarnt worden. Der Berliner Innensenator Eckart Werthebach weist die Vorwürfe gegen die Berliner Polizei zurück.

Guten Abend und willkommen bei Kontraste.

Was nun wirklich geschah, vor einer Woche in Berlin, als Kurden das israelische Generalkonsulat stürmten, das haben die Berliner Behörden noch nicht gesagt. Fest steht nur: israelische Sicherheitskräfte feuerten, drei Tote, viele Verletzte.

Fest steht auch, das Generalkonsulat war mangelhaft geschützt. Das allein verwundert, konnte doch jeder Zeitungsleser ahnen, daß nach der Verhaftung von PKK-Chef Öcalan israelische Einrichtungen besonders gefährdet sein würden. Aber, die Sicherheitsbehörden hier hatten mehr Informationen als die morgendliche Zeitung.
Das haben Susanne Opalka, Jo Goll und Norbert Siegmund herausgefunden.

Israelisches Generalkonsulat, 17. Februar 1999, kurz nach 15 Uhr: Ende einer gescheiterten Konsulatsbesetzung. 3 junge Kurden, darunter eine 18jährige Frau sind tot - nach Schüssen israelischer Sicherheitsbeamter, 16 weitere werden teilweise schwer verletzt.

Erste Reaktion des israelischen Botschafters in Bonn: NOTWEHR - die Sicherheitskräfte hätten schießen müssen.
Bereits wenige Stunden später werden an der Notwehr-These erste Zweifel laut, die wichtigste Frage lautet: Wurde tatsächlich nur im Gebäude geschossen oder auch draußen-wie viele Kurden behaupten. Und: Lag damit auch eine Gefährdung der Polizeibeamten vor. Berlins Innensenator bestätigt diese Vermutung am nächsten morgen:

Eckhart Werthebach, Innensenator (CDU):
"In der Zeit zwischen 13 Uhr 46 und 14 Uhr 15 wurden aus dem Gebäude heraus mehrere Schüsse abgegeben und zwar direkt in Richtung der Personen, die sich im Eingangsbereich und auf der Treppe aufhielten. Hier befanden sich auch Polizeibeamte, die aber nicht getroffen wurden."

Die Todesschützen werden nach Israel ausgeflogen - sie genießen diplomatische Immunität . Danach schweigt der Innensenator, schweigt die Berliner Polizeiführung - Anfragen zum Tathergang werden nicht mehr beantwortet.
Doch Kontraste liegt der interne Abschlußbericht des Einsatzes und der Funkverkehr vor. Rekonstruktion des Tathergangs: Schüsse aus dem Konsulat:

Clip:
" ca 100 Personen vorort, Amselkräfte werden mit Eisenstangen angegriffen und wir haben Schlagstockeinsatz"
" mehrere Verletzte nach Schüssen"
Auszüge aus dem offiziellen Abschlußprotokoll des Einsatzes:

13:44 im israelischen Generalkonsulat fallen 2 Schüsse, kurdische Personen brechen im Eingangsbereich zusammen

"scharfe Schüsse aus der Botschaft, Verletzte"
"keine der eingesetzten Kräfte geht ins Gebäude oder betritt das Gelände"
"scharfe Schüsse aus dem Objekt - hier Weide eins - scharfe Schüsse aus dem Objekt"

13:49 im Eingangsbereich fallen ca. dreißig Schüsse, von denen offenbar Kurden getroffen werden, zu diesem Zeitpunkt befinden sich auch Polizeibeamte auf der Treppe.

"Doppeldeckung für alle Kräfte"

13:51 weitere Schüsse aus dem Objekt "erneut Verletzte Personen nach Schußwaffengebrauch"
"ca. 15 schwerverletzte Personen"
" es gab 2 tote Personen, eine männlich und eine weiblich, es handelt sich dabei um Kurden"
"ja, also noch eine weitere tote Person, insgesamt 3"

Celal Deniz war Augenzeuge, er hat die Situation so gesehen.

Deniz:
"Auf einmal sah ich, daß zwei Menschen herauskamen, sie waren beide bewaffnet. Einer fing sofort an von der Treppe aus auf die Menschen zu schiessen ohne eine Vorwarnung und ohne in die Luft geschossen zu haben."

Gestützt wird diese Aussage von dienstinternen Anhörungen am Einsatz beteiligter Beamter, die Kontraste bekannt sind. Darin heißt es sinngemäß: Ein israelischer Sicherheitsbeamter sei aus der Tür herausgetreten und habe sofort in die Menge geschossen.

Was war tatsächlich geschehen ?
Am Montag tagt der Innenausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses: Hier sollen die Berliner Polizeiführung und der Innensenator der Öffentlichkeit endlich Klarheit über den Tathergang verschaffen. Doch die Ergebnisse sind äußerst dürftig:

Bernd Wolke, Staatsanwalt:
"Tja, schußverletzte Personen waren - soviel ich weiß- insgesamt 16. Aber die Zahl muß nicht stimmen."

Die Israelis bleiben nach wie vor bei ihrer Notwehrthese. Doch zwei Tage später räumen sie in einer offiziellen Erklärung der Bonner Botschaft allerdings ein, ein Warnschuß sei aus dem Gebäude heraus abgegeben worden. Bleibt die Frage: Waren die Ereignisse vor dem israelischen Generalkonsulat vorhersehbar ? Der Innensenator sagt: Nein!

Eckhart Werthebach, Innensenator (CDU):
" Wenn wir prophetische Gaben hätten, dann hätten wir anders entschieden."

Prophetischer Gaben hätte es nicht bedurft, um die besondere Gefahr zu erkennen. Der Grund: Aus dem Bundeskriminalamt lagen bereits am Vortag konkrete Warnhinweise auf PKK-Aktivitäten vor: Erstmals gegen 17 Uhr, dann um 1952, wie dieses Kontraste vorliegende Papier belegt:

An alle Landeskriminalämter, an alle Innenministerien, " aufgrund der engen Verbindungen der Türkei mit Sicherheitskräften der USA und Israels ist auch mit Aktionen gegen israelische und amerikanische Einrichtungen zu rechnen. Die Einschätzung erfolgt in Abstimmung mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst."

Konsequenz der Berliner Verantwortlichen vor dieser neuen Sicherheitslage: nur der übliche Grundschutz des Generalkonsulats von drei Wachpolizisten:

Gernot Piestert, Polizeidirektor:
"Darüber hinaus haben wir dann als zusätzliche Maßnahme für ausreichend befunden eine Schutzmaßnahme sechs. Das heißt, alle Streifen, die in der Nähe sind, haben sich immer dann, wenn sie in der Nähe unterwegs sind, sozusagen dem Generalkonsulat auch zu widmen, und wir haben eine Schutzmaßnahme fünf angeordnet, das heißt: Eine bestimmte Streife hatte mindestens einmal pro Stunde dieses Objekt anzufahren. Damit war aus unserer Beurteilung ein überproportionaler, starker Schutz für das Generalkonsulat gewährleistet."

Eine krasse Fehleinschätzung, wie der Sturm des Konsulats am nächsten Tag gezeigt hat.