Wasserwerke schlagen Alarm - Trinkwasser durch Überdüngung stark gefährdet

Neueste Zahlen belegen: gut ein Viertel der Grundwasservorkommen unter landwirtschaftlichen Flächen sind nitratverseucht. CDU, CSU und Bauernverbände blockieren seit Jahre eine konsequente Überwachung der Gülle-Entsorgung auf deutschen Äckern. Nun droht Deutschland sogar eine Strafe der EU wegen Verstößen gegen Umweltrichtlinien.

Anmoderation:  88,3 Kilogramm Fleisch verbraucht jeder Deutsche im Durchschnitt im Jahr. Fleisch ist eine billige Ware und möglich macht das die Massentierhaltung. Allerdings mit bösen Konsequenzen für die Umwelt: Denn immer mehr Tiere heisst immer mehr Gülle auf unseren Feldern. Und damit nimmt die Verseuchung  unseres Grundwassers dramatisch zu! Lisa Wandt und Chris Humbs zeigen, warum wir am Ende einen hohen Preis für unser Billigschnitzel zahlen...

Ein Bauernhof in Niedersachsen. Hier soll Gülle abgeholt werden, die ein Landwirt loswerden will. Wir dürfen den Fahrer des Tanklasters begleiten. Doch der Junior-Chef des Hofes will nicht, dass wir filmen. Wir werden rausgeschmissen. Wir können das Geschäft nur noch aus der Ferne beobachten – trotz plakatierter Offenheit. Gülle ist ein heikles Thema.

Es geht um Millionen Tonnen und viel Geld. In der Gülle, dem Natur-Dünger, ist Nitrat, welches die Pflanzen zum Wachsen brauchen. Wird jedoch zu viel gedüngt, dann landet das überschüssige Nitrat im Grundwasser. Und das ist gefährlich, warnen Experten der Wasserwerke.

Egon Harms, Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband

"Nitrat ist ein Problem, weil es sich im Körper umwandeln kann, und dann über Nitrosamin auch Krebserregend wirken kann; deswegen hat man einen strengen Grenzwert festgelegt."

Über dem Grenzwert liegt bundesweit inzwischen fast ein Drittel des getesteten Grundwasser-Reservoirs in Agrargebieten. Die roten Marker zeigen Stellen, wo das Grundwasser nicht mehr trinkbar ist. Am schlimmsten ist es im westlichen Niedersachsen. Eine gefährliche Entwicklung, der die Politik seit Jahren zuschaut.

Egon Harms, Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband

"Dass die Nitratwerte steigen, haben wir als Wasserversorger nun in vielfältigster Form kundgetan, auch die amtlichen Messstellen zeigen eine identische Entwicklung. Von daher wundert’s mich sehr, dass man noch so viel Gelassenheit zeigt angesichts der wirklich prekären Situation in der wir drinstecken."

Hauptursache ist der extreme Anstieg der Massentierhaltung – wie hier in der Region um Oldenburg, Vechta und Cloppenburg. Es fallen Unmengen an Kot und Gülle an, die dann auf die Felder gebracht werden. Ein Teil der Gülle verschwindet zwar in den modernen Biogas-Anlagen, aber das Nitrat bleibt hochkonzentriert in den Überresten zurück. Und die landen ebenso als Dünger auf den Feldern.

Das Düngen ist zwar per Gesetz geregelt, aber die Vorschriften sind schwammig. Und ob sich die Bauern irgendwie daran halten, wird so gut wie nie kontrolliert.
Der Grüne Landwirtschaftsminister von Niedersachsen ist frustriert.

Christian Meyer, Landwirtschaftsminister Niedersachsen

"Die Düngegesetzgebung ist Bundessache. Deswegen: Wir setzen nur die Verordnung um. Deshalb brauchen wir ne Novelle von Düngesetz und Düngeverordnung auf Bundesebene. Da warten wir seit 3 Jahren drauf, seit 3 Jahren wird das von der Bundesregierung angekündigt."

Das Problem wird verschleppt. Deshalb drohte die EU bereits mit harten Geld-Strafen für Deutschland. Sie schreibt für alle Mitgliedsstaaten sauberes Grundwasser vor.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat zwar einen Gesetz-Entwurf erarbeitet, aber der sieht viele Schlupflöcher für die Bauern vor. Nachfragen von Kontraste weicht der Minister aus:

Christian Schmidt, Bundeslandwirtschaftsminister

"Ich kann nur sagen, ich hab gehandelt und der deutsche Bundestag handelt auch."

Handeln, offensichtlich ohne Eile. Bislang kam der Bundesminister mit seinem Dünge-Gesetz nicht recht voran. Die EU wollte dem viel zu Bauernfreundlichen Entwurf einfach nicht zustimmen. Eine Blockadesituation. Solange es kein neues Gesetz gibt, kann man nur hoffen, dass die Bauern das Problem selbst in den Griff bekommen.

Mithilfe so genannter Gülle-Börsen. Sie könnten das Zuviel an Naturdünger weit weg bringen - in Regionen, wo wenige Masttiere gehalten werden und deshalb mit Kunst-Dünger gearbeitet wird. Eine dieser Börsen ist die Güllebank Weser-Ems. Ihr Kunde, der Senior des Hofes, der geht dann doch noch vor die Kamera.

Frage Reporter

"Wissen Sie denn wo das Zeug jetzt hinkommt?"

Bauer

"Nein, nein, das weiß ich nicht. Wissen wir nicht."

Frage Reporter

"Aber sie bekommen von der Güllebank einen Zettel, und auf dem steht dann..."

Bauer

"Und darauf steht dann, dass die Gülle entsorgt wurde, also weg ist."

Für den Abtransport einer LKW-Ladung Gülle muss der Bauer in der Regel 1500 Euro an den Gülle-Händler zahlen. Je weiter weg die Gülle gebracht wird, desto teurer wird es. In der Praxis landet die Gülle dann lediglich 80 Kilometer entfernt auf den Feldern – und bleibt somit innerhalb des gefährdeten Gebietes von West-Niedersachsen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass für die Abnahme der Gülle, manche Händler sogar Geld bezahlen. Es fehlt schließlich an Abnehmern in der Region. Deshalb wirbt der Chef der Güllebank im lokalen Anzeigenblatt offensiv: "Liefere Gülle ohne Flächennachweis." Bedeutet: er liefert, egal ob der Abnehmer überhaupt Flächen hat, die gedüngt werden dürfen.

Edelhard Brinkmann, Güllebank Weser-Ems

"Derjenige der das kriegt, der braucht mir nicht nachzuweisen dass er das haben darf wir leben in einer Demokratie, d.h der darf bei mir bestellen und dann fahren wir das bei ihm, so wie heute sie das gesehen haben, in ein Silo rein. Der genehmigt das und da holt er das raus und dann düngt er damit. Ich muss mir von ihm nicht zeigen lassen dass er das darf."

Christian Meyer, Landwirtschaftsminister Niedersachsen

"Das ist aus meiner Sicht nicht legal und auch ziemlich verwerflich. Weil natürlich müssen wir für unsere Überwachung wissen, dass da nicht ne Überdüngung stattfindet, das heißt wir brauchen eine Meldepflicht des Gülleunternehmers an welchen aufnehmenden betrieb egal in welchem Bundesland er eigentlich seine Gülle und Kot verbringt. Es darf da nicht so eine Grauzone geben."

Ohne ein Dünge-Gesetz, das auch den Handel mit Gülle regelt, wird die Gefahr für unser Wasser immer größer.

Das weiß man auch im Bundestag, der dem Gesetzentwurf des Ministers zustimmen muss. Doch der Einfluss der Bauern-Lobby auf so manchen CDU-Abgeordneten ist groß. Eine zentrale Figur dabei ist der Agrarexperte der Union, Franz-Josef Holzenkamp, Vorsitzender der AG Landwirtschaft und selbst Schweinebauer im westlichen Niedersachsen. Hier Aufnahmen von seinem Hof. Er war lange Zeit Vizepräsident des niedersächsischen Bauernverbandes.

Steht frei: "Wenn sie noch Fragen…rufen sie mich einfach an."

Doch für ein Interview mit uns zum Thema Dünge-Recht steht Holzenkamp nicht zur Verfügung. So lange solche Politiker wirkungsvolle Dünge-Gesetze ablehnen, können die Viehlandwirte weiter ihre Gülle kostengünstig entsorgen. Und so geht das Brunnenvergiften erstmal weiter.

Beitrag von Chris Humbs und Lisa Wandt