Bild eines Euros (Quelle: rbb)

- Die Angst vor dem Euro: Das rechte Spektrum macht mobil

Das rechte Spektrum abseits der rechtsradikalen Parteien oder Neonazi-Szene in Deutschland findet kaum Beachtung. Das wollen sie jetzt ändern. Das Reizwort ist Euro. Die Angst vor dem Euro wird geschürt, um die Bürger ins rechte Lager zu treiben.

In Deutschland, meine Damen und Herren, regt sich die Sehnsucht nach der kleinen Einheit: Nix mit Euro, wir wollen uns're D-Mark, und sonst gar nichts. Nix mit einem Europa der Vaterländer, uns genügt die kleine und gemütliche deutsche Hütte. Von den Parteien im Bundestag werden diese Ängste, die eine Reaktion auf zahlreiche Umbrüche sind, in der Regel nicht wahrgenommen. Vom Aufgreifen und Diskutieren ganz zu schweigen. Das geschieht aber rechts von den Parteien in zahlrei-chen Bewegungen und Gruppierungen, deren heute noch kleine Zahl in keinem Verhältnis zu ihrer Wirkung steht. Wer sie als Neonazis oder Spinner abtut, der verkennt, daß das politische Spektrum in Deutschland dabei ist, sich nach rechts zu erweitern, wie Reinhard Borgmann nachweist.


Ein Gespenst geht um in Deutschland: Der Euro kommt. Dieser Mann schürt die Angst vor der neuen Währung: Bolko Hoffmann, ein Börsenspezialist, macht mit einer bundesweiten Anzeigenkampagne gegen den Euro Front. Kosten der Anzeigenkampagne: über eine Million DM. Die verstärkte Inflation macht uns alle zum Sozialfall, heißt es, und: Maastricht ist ein Versailles ohne Krieg.

Hier in Düsseldorf residiert die Firmengruppe von Bolko Hoffmann. Seine Initiative hat großen Erfolg, Tausende haben auf die Anzeigen hin geschrieben, eine neue Volksbewegung.

Bolko Hoffmann, Börsenexperte
"Das sind hier die ganzen Mitglieder der Initiative, das sind etwa 8000 würde ich schätzen 8000. Und Sie können davon ausgehen, daß 99,9 Prozent gegen den Euro sind und alle die Sache unterstützen. Viele schreiben mir, sie kennen in ihrem Bekanntenkreis überhaupt keinen der für den Euro ist."

Sein Geld verdient Hoffmann mit dieser Zeitschrift, einem Tipgeber für Aktionäre, die Euro mit Inflation gleichsetzen. Das Journal wird in Form einer Aktiengesellschaft geführt, ein Millionenunternehmen. Seine Gegner: die Großbanken:

Bolko Hoffmann, Börsenexperte
"... die durch den härteren Wettbewerb natürlich die Sieger sind aber die großen Banken und die großen Versicherungen sind sowieso diejenigen, die die deutsche Volkswirtschaft ausplündern."

Seinen Kampf gegen die Großbanken führt Bolko Hoffmenn auch in der rechtskonservativen "Jungen Freiheit". Er hat keine Berührungsängste gegenüber rechten Gruppierungen. Über seine Werbeagentur finanzierte er die rechtsextremen Republikaner im Europawahlkampf mit einem Kredit über 60 000 DM. Seine Anti-Euro-Kampagne zielt auf die Inflationsängste des konservativen Mittelstandes in Deutschland. Eine gefährliche Entwicklung, meint der Rechtsextremismusexperte Wofgang Gessenharter:

Wolfgang Gessenharter, Rechtsextremismusexperte
"Also, es erweckt so eine Assoziation des starren Festhaltenwollens an eine Nationalökonomie, an einer Volkswirtschaft, die wir ja schon seit ganz langer Zeit nicht mehr haben. Das mag man bedauern oder nicht, aber ich denke, man muß sich auf diese neuen Situationen einstellen. Und der Wunsch, es doch in den alten nationalen Grenzen wieder alles, also der Wunsch in nationalen Grenzen wieder allein bestimmen zu können, der ist verständlich, aber er ist einfach unrealistisch. Und hier könnten unter Umständen Leute durch diese einfache Botschaft angezogen werden."

Ein Gespenst geht um in Deutschland: der Euro kommt. "Rechts" macht mobil, zum Beispiel in Berlin. Im deutschen Dom wird von neuen Rechten ein Buch vorgestellt, in dem für eine nationale Wende in Deutschland plädiert wird. Ihre Berliner Republik hat keinen Platz für den Euro.

Illustre Gäste sind zur Buchvorstellung erschienen: General Hans Helmut Speidel, Standortkommandant der Bundeswehr in Berlin, der umstrittene Historiker Ernst Nolte, der ehemalige Bundesbauminister Oscar Schneider, der Initiator eines informellen Gesprächskreises, der der Neuen Rechten zugerechnet wird, Hans Ulrich Pieper. Die Einführungsrede hält Berlins Innensenator Jörg Schönbohm. Schönbohm lobt die beiden Autoren des Buches, die sich selbst der Neuen Rechten zurechnen, für ihre Bereitschaft zur Provokation:

Jörg Schönbohm, Innensenator Berlin:
"Sie wollen Diskussion erzwingen und Diskussion erzwingt man nur durch griffige, vielleicht auch etwas plakative Formulierungen."

Die Autoren des Buches haben für griffige Formulierungen gesorgt. Europa wird als "Ausflucht" und als "Verrat an der deutschen Souveränität" gebrandmarkt."

Die mit der der Deutschen Einheit erlangte neue deutsche Souveränität soll nach Meinung der Autoren in eine selbstbewußte Nation, die Berliner Republik münden. Die Einführung des Euro überrollt ihrer Meinung nach das neue nationale Selbstbewußtsein - deshalb sind die Autoren gegen die besonders von Bundeskanzler Helmut Kohl betriebene europäische Integration.

Heimo Schwilk, Publizist
"Jetzt versucht Kohl sozusagen Europa als 'ne neue Ersatzidentität anzubieten. Für die nationale. Kohl war ja von Anfang an eigentlich zwar an Wiedervereinigung interessiert aber er war eigentlich nie interessiert an 'nem nationalen Selbstbewußtsein Deutschlands."

1990 wollte Helmut Kohl die Zustimmung zur deutschen Einheit von den Franzosen erlangen. Sein wichtigstes Argument: die Europäische Union:

Helmut Kohl, Bundeskanzler:
"Wir, die Deutschen brauchen, mehr noch als andere, die schnelle Integration in die Europäische Gemeinschaft."

Heimo Schwilk, Publizist
"Es ist auch eine in gewisser Weise demütigende Haltung gegenüber den eigenen Landsleuten wenn man ihnen nicht zutraut, daß sie nach 40 Jahren quasi resozialisiert sind und dann anschließend souverän und frei im Konzert der europäischen Mächte mitzuspielen. Deutschland ist eingebunden, wirtschaftlich, sozial, in dieses Konzert der europäischen Länder. Und es bedarf dieses Euro, der Euro Währung nicht und es bedarf keines Bundesstaates um quasi Deutschland für alle Zeiten friedlich zu integrieren."

Buchautor Heimo Schwilk setzt nicht auf Europa und den Euro, sondern auf ein wirtschaftlich eigenständiges, national abgegrenztes Deutschland, die Berliner Republik:

Wolfgang Gessenharter, Rechtsextremismusexperte
"Das zeigt doch, daß er hier etwas als Markierung nimmt, was ein für alle Mal festliegen soll. Was sich schon historisch weiterentwickelt, aber was dem Konflikt entzogen sein soll."

Frage:
"Im Grunde will er doch Ruhe für Deutschland."

Antwort:
"Ja."

Frage:
"Was ist dann so verwerflich daran?"

Antwort:
"Eine Ruhe kann unter Umständen die Friedhofsruhe sein in einer Welt, die sich sehr entwickelt und wo es drauf ankommt, die unterschiedlichen Streitpunkte, die unterschiedlichen Diskussionspunkte wirklich auch in aller Deutlichkeit und Schärfe zu diskutieren. In dem Moment wo wir davon ausgehen, daß wir wüßten, wo das Ziel der Geschichte ist, ne, hört in diesem Sinne eine freiheitliche Politik auf."

Ein Gespenst geht um in Deutschland: der Euro kommt, "Rechts" macht mobil. Zum Beispiel Heiner Kappel, früher FDP-Mitglied. Kappel will auf der Wartburg eine neue Partei gründen: Die "Offensive für Deutschland", die sich für nationale Werte einsetzt:

Heiner Kappel, Offensive für Deutschland
"Es macht nur einen Sinn, ein Volk auf Dauer friedlich und stabil zu halten, wenn man ihm nicht ständig seine Identität wegnimmt. Ein Volk muß irgendwo auch stolz auf sein Land, auf seine Tradition, auf seine Kultur sein dürfen, und glücklich, selbst wenn dunkle Zeiten in unserer Geschichte sind. Die will kein Mensch relativieren. Die will auch kein Mensch irgendwo jetzt verschönern. Das ist nicht meine Absicht. Aber wenn wir unserem Volk nicht die Chance geben, wenigstens ein Stück stolz auf das eigene Land zu sein, dann wird das nicht gutgehen. Und es kann nicht sein, daß man Vaterland plötzlich zu einem Unwort erklärt."

Heiner Kappel appelliert an die nationale Gesinnung. Innerhalb Europas soll Deutschland seine eigenenen Interessen besser wahrnehmen.

Heiner Kappel, Offensive für Deutschland
"Wenn die Sache so läuft wie jetzt, werden gerade die Deutschen bitter hinterher bezahlen dafür. Und kein Mensch sagt ihnen die Wahrheit."

Frage:
"Sind die neuen Rechten wie Sie jetzt Schwilk beschreiben oder auch Kappel und andere letztendlich die nützlichen Idioten der Rechtsextremisten denen sie die Tür öffnen?"

Wolfgang Gessenharter, Rechtsextremismusexperte
"Ich würde es umgekehrt sagen. Es sieht heute so aus, daß sich die Rechtsextremen, die veritablen Rechtsextremen, eher orientieren an diesen sehr weichen Formulierungen, weil sie auf der anderen Seite eben ihre dann sehr extremen Formulierungen auch in diesen weichen Formulierungen aufgefangen und aufgehoben fühlen. Und aus diesem Grunde kann ich nur raten, wer sich aus diesem Dunstkreis eben tatsächlich wirklich entfernen will, ja, der muß dann auch ganz deutlich sagen was er auf gar keinen Fall will."

Letzes Wochenende in Berlin. Heiner Kappels Offensive für Deutschland verbündet sich mit dem Bund freier Bürger. Ein Rechtsbündnis, das bei den Bundestagswahlen antreten will. Gegen den Euro und für ein starkes Deutschland, heißt hier die Parole.

Der Bündnispartner Manfred Brunner will bald Klage gegen den Euro beim Verfassungsgericht einreichen.

Ein Gespenst geht um in Europa, der Euro kommt. "Rechts" macht mobil, Geisterstunde.



Diese Geister aber sind real. Und wie gesagt, mit Neonazis kann man sie nicht fassen. Die neue Rechte hat nicht die SPD, sie hat Helmut Kohl und die CDU/CSU zum Feindbild. Wegen, wie es heißt, "Huldigung vor dem linken Zeitgeist." Wird die Bewegung auf der Rechten stärker, gibt es gar einen, der sie in seiner Person bündeln kann, dann wird das die Unionsparteien und die politische Landschaft insgesamt verändern.