Zimmermaedchen
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- Dumpinglöhne im Hotel - Wie Zimmermädchen ausgebeutet werden

Die Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in Berlin rühmen sich ihres Service und erfüllen dem Gast alle Wünsche. Doch hinter den noblen Fassaden schuften Zimmermädchen für drei bis vier Euro Stundenlohn. Angestellt sind sie bei Fremdfirmen, die den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn für Reinigungskräfte trickreich umgehen.

Der Teppich ist fleckig, im Ausguss sind Haare - eklig! Ein ordentliches Hotelzimmer darf so nicht aussehen. Wer im Hotel übernachtet, erwartet zu Recht ein sauber geputztes Zimmer. Diesen Anspruch haben auch die Hotelbetreiber, die die Zimmer oft von Drittfirmen reinigen lassen. Was allerdings weder Gäste, noch Hoteliers ahnen: Viele Zimmermädchen werden von diesen Firmen regelrecht ausgebeutet. Bertram von Boxberg, Caroline Walter und Gregor Witt haben den Skandal aufgedeckt.

Eines der teuren Hotels in Berlin. Eines von vielen, das die Zimmer durch eine Fremdfirma reinigen lässt. Von Menschen wie Maria, die nicht erkannt werden will.

Maria
„Die Gäste bezahlen sehr viel Geld für die Zimmer. Und das verstehe ich nicht, warum die Gäste so viel bezahlen und wir so wenig verdienen.“

Erst vor einem Jahr kam sie von Polen nach Berlin. Damals konnte sie kein Wort Deutsch. Sie bekam den Job als Zimmermädchen. Und putzte in einem 5-Sterne-Hotel.

Maria
„Ich habe sehr hart gearbeitet. Ich habe jeden tag 9, 10 stunden gearbeitet und 15 oder mehr Zimmer geputzt. Als ich die Lohnabrechnung gesehen habe, war ich sehr enttäuscht und ich wurde belogen.“

Ähnlich wie diese Zimmermädchen hat Maria hier sauber gemacht, Betten bezogen, Handtücher gewechselt. Angestellt war sie nicht direkt beim Hotel, angestellt war sie bei 3B, einer externen Dienstleistungsfirma. Die sicherte ihr einen Stundenlohn von 8,55 Euro zu - damals der Mindestlohn im Reinigungsgewerbe.

Den Mindestlohn hat Maria nie bekommen. Sie zeigt uns ihre Lohnabrechnungen. In einem Monat bekam sie rund 350 Euro brutto für 71 Stunden harte Arbeit. Keine 5 Euro pro Stunde.

Maria
„Und das war wirklich eine schwere Arbeit. Jeden Tag Rückenschmerzen. Und als ich drei vier Tage gearbeitet habe, konnte ich einen Tag nicht laufen, meine Beine haben sehr weh getan.“

Wir wollen wissen, ob in Hotels Dumping- statt Mindestlöhne an der Tagesordnung sind.
Auf dem Weg zu 3B. Die Firma arbeitet für rund 100 Hotels in Berlin, Dresden und Leipzig. Ein Einstellungsgespräch. Diese Bilder sind Kontraste zugespielt worden. Der Informant John soll für 3B als Roomboy in einem 5 Sterne Hotel arbeiten. Auch ihm wird der aktuelle gesetzliche Mindestlohn für Gebäudereiniger versprochen.

Gedächtnisprotokoll, Stimme nachgesprochen
John
„Wie lange muss man pro Tag arbeiten?“
3B
„Ungefähr 7 Stunden. 8,82 Euro, das ist der Bruttolohn.“
John
„Das ist pro Stunde?“
3B
„Ja, pro Stunde.“
John
„8,82 Euro.“
3B
„Genau. Und wenn sie die 15 bis 16 Zimmer pro Tag schaffen, das ist so die Normalleistung für das Haus da, dann kriegen sie 8 Euro 82 pro Stunde.“

Pro Stunde den Mindestlohn: 8,82 Euro. Allerdings: dafür muss John 15 oder 16 Zimmer säubern. Ist das zu schaffen? Drei Tage später fängt John in einem Berliner 4-Sterne-Hotel an. Aus diesem Zimmer ist der Gast schon abgereist. Die Vorgabe: in 27 Minuten muss John fertig sein. Selbst für ihn nicht zu schaffen. Dabei ist er Profi, er hat schon öfter in Hotels geputzt.

Heimlich gedrehte Bilder, die zeigen, was er alles machen muss. Im Bad muss John Glasflächen und Porzellan einseifen, wieder abspülen, das Wasser abziehen und blank putzen. Dann muss er das Bett beziehen, Staub putzen und saugen, die Schränke ordentlich herrichten. Er arbeitet ohne Pause.

Jetzt ist John schon über der ihm vorgegebenen Zeit von 27 Minuten. Es ist nicht zu schaffen, beweisen die Kontraste zugespielten Bilder. Fertig ist John erst nach 47 Minuten, arbeitet also 20 Minuten länger als vorgesehen.

Fakt ist: für 16 Zimmer braucht John deutlich länger als sieben Stunden. Aber nur die sieben Stunden bekommt er bezahlt.

John
„Du bist immer gehetzt, die ganze Zeit unter Druck. Man muss alles sehr genau machen, weil es glänzen soll. Dafür brauchst du aber sehr viel Zeit."

Wir fragen Peter Riedel von der Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt, wie verbreitet der Leistungslohn nach Zimmern ist. Für ihn ein hunderttausendfach angewandter Trick, Löhne zu kürzen.

Peter Riedel
IG Bauen-Agrar-Umwelt

„Die Beschäftigten werden schlicht weg zu einer überproportionalen Arbeitsleistung getrieben, um überhaupt ihren ordnungsgemäßen Stundenlohn zu erreichen, also die 8,82 Euro in der Gebäudereinigung als Mindestlohn, und es wird mit dem Zimmeransatz ihnen ein Wert vorgegaukelt, der wahrscheinlich unter Normalbedingungen gar nicht zu erreichen ist.“

Johns Arbeitsvertrag legen wir dem renommierten Arbeitsrechtler Professor Peter Schüren vor.

KONTRASTE
„Bezahlung nach Zimmern statt nach Stundenlohn, ist das legal?“
Prof. Peter Schüren
Universität Münster

„Meiner Ansicht nach Nein. Weil hier der allgemein verbindliche Gebäudereinigertarifvertrag greift und der legt ganz hart einen Mindestlohn fest und der darf auf keinen Fall unterschritten werden.“

Klar ist, John kann die sechzehn Zimmer in der vorgegebenen Zeit nicht schaffen. Hinzu kommt: Ständig wird ihm auch noch Extraarbeit aufgepackt, die nichts mit dem Reinigen der Zimmer zu tun hat.

Zum Beispiel das tägliche Morgenmeeting. Das allein dauert eine gute viertel Stunde - unbezahlt. Und dann gibt es noch Spezialaufgaben.

Instrukteurin
„Heute bitte die Perlatoren entkalken. Wissen Sie alle, was das ist? Das ist am Wasserhahn.“

Alles unbezahlte Extrajobs. Unbezahlt auch Putzarbeiten außerhalb der Zimmer wie das Saugen der Hotelflure. John fühlt sich betrogen, beschwert sich bei seiner Vorgesetzten.

Gedächtnisprotokoll, Stimme nachgesprochen

Vorgesetzte
„Wo ist das Problem?“
John
„Wir kriegen hier Geld pro Zimmer. Und wenn wir fertig sind, müssen wir auch den Wagen aufräumen und den Flur saugen. Das braucht Zeit und niemand bezahlt.“
Vorgesetzte
„Das ist ihr Arbeitsmaterial, wer soll das sonst machen? Das gehört dazu, der Flur und natürlich auch den Wagen packen. Das haben Sie zu machen ...“
John
„Ich mache es.“

Allein für den Putzwagen braucht John noch mal gut 10 Minuten. So kommen für Extraarbeiten manchmal 30 Minuten und mehr zusammen, die am Ende nicht bezahlt werden.

John
„Man macht einen schmutzigen, harten Job und kriegt nur wenig Geld dafür. Man fühlt sich ausgebeutet. Die Firma macht Geld mit deiner harten Arbeit."

Ausbeutung bei 3B durch unbezahlte Extraarbeit!? Was sagt der Geschäftsführer dazu?

KONTRASTE
„Ist Morgen-Meeting Arbeitszeit?“
Daniel Noraman, 3B
„Bin ich mir nicht sicher. Kann ich Ihnen nicht sagen."
KONTRASTE
„Ist das Einrüsten des Wagens Arbeitszeit?“
Daniel Noraman, 3B
„Noch mal. Wir haben Arbeitsverträge in denen geregelt ist, dass Warte- und Rüstzeit nicht zu der Arbeitszeit dazugehören."

Sind solche Verträge legal? Wir fragen den Rechtsexperten.

Prof. Peter Schüren
Universität Münster

„Wenn der Arbeitgeber die Leute länger arbeiten lässt als er sie bezahlt, dann ist das ganz klar rechtswidrig. Man muss sie für die gesamte Arbeitszeit, die sie im Interesse des Arbeitgebers einsetzen, mit dem tariflichen Mindestlohn bezahlen.“

Alles in allem hat John in diesem Monat fast 71 Stunden für 3B in dem Hotel gearbeitet. Für welchen Lohn?

Wir prüfen Johns erste Gehaltsabrechnung. Genau wie vermutet - den versprochenen Mindestlohn von 8,82 Euro bekommt er nicht. Denn 3B zahlt ihm nur 485 Euro für 71 Stunden Arbeit. Fast 2 Euro pro Stunde unter dem Mindestlohn. Für John allein in diesem Monat 140 Euro zu wenig. Aus Sicht von 3B kein Problem.

Daniel Noraman, 3B
„Was die Anwendbarkeit des Mindestlohns anbelangt ist die Auffassung unseres Unternehmens, dass rein rechtlich betrachtet kein Anspruch darauf besteht, dass Mitarbeiter im Hotelbereich mindestens diesen Mindestlohn erhalten müssen.“

Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben John und Maria nur, wenn sie mehr als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit Bäder putzen, eklige Gästespuren beseitigen und andere Reinigungsarbeiten verrichten.

Tun sie aber nicht, das jedenfalls behauptet 3B. John und Kollegen seien vor allem mit Betten machen, Minibars auffüllen und anderen Diensten beschäftigt.

Peter Riedel
IG Bauen-Agrar-Umwelt

„Das ist Augenwischerei. Die Mehrheit der Beschäftigten, die diese Tätigkeit ausüben, machen ganz klar Reinigung.“

Haben Zimmermädchen Anspruch auf Mindestlohn? Das fragen wir die Auftraggeber von 3B, die Hotels. Nur eines antwortet. Andel´s Hotel Berlin erklärt, der gesetzliche Mindestlohn sei anzuwenden, Zitat:
„So gibt es auch zwischen dem andel's Hotel Berlin und der Firma 3B Dienstleistungs GmbH eine Vereinbarung ..., wonach den Mitarbeitern Mindestlöhne bezahlt werden.“

3B ist nicht die einzige Firma, die Zimmermädchen trickreich den Mindestlohn vorenthält. Kontraste liegen Arbeitsverträge von mehreren Firmen vor. Sie belegen: das System mit Dumpinglöhnen ist weit verbreitet.
Für Ermittler der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll schwer zu beweisen. Sie sollen eigentlich kontrollieren, ob eine Firma den gesetzlich geforderten Mindestlohn zahlt. Aber oft gibt es nicht einmal Stundenaufzeichnungen.

Klaus Salzsieder
Finanzkontrolle Schwarzarbeit

„Dann müssen wir mit dem Personal sprechen, dann müssen wir unter Umständen auch mal mit Gästen reden, dann müssen wir mit dem Hotel reden. Das ist dann schon sehr zeitaufwendig."

Ähnlich hoch ist die Hürde auch bei Arbeitsgerichten. Das erlebte Maria, als sie den Mindestlohn einklagen wollte. Der Richter hat ihr zu einem Vergleich geraten. Weil 3B alles abstreitet.

Maria
„Ich fühle mich ausgenutzt, weil ich immer mehr Stunden gearbeitet habe, als ich arbeiten sollte. Und die Stunden wurden nicht bezahlt. Sie dürfen das nicht machen, sie lügen uns, sie lügen die Leute.“

Übrigens, auch den Sozialkassen entstehen durch die Abzocke der Putzfirmen erhebliche Verluste: Denn für nicht gezahlten Lohn führen die Putzfirmen auch keine Sozialversicherungsbeiträge ab. 
 

Beitrag von Bertram von Boxberg, Caro Walter und Gregor Witt