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Polizei verweigert Dieselumrüstung - Freistaat Bayern gegen VW-Konzern

Keine Umrüstung ohne Garantiezusage, diese Position vertritt die Polizei in Bayern. Und deshalb werden gut 500 VW-Diesel der eigenen Flotte nicht mit der neuen Software ausgerüstet. Bayerns Innenminister Herrmann geht damit auf Konfrontationskurs zu VW - und zum CSU-Freund Bundesverkehrsminister Dobrindt. Der kontert nun: Halter, die sich der Umrüstung verweigern, sollen künftig keine neue TÜV-Plakette mehr bekommen. 

Anmoderation: Sind Sie auch ein Abgas-Sünder? So wie die 900.000 anderen in Deutschland, die immer noch mit der Betrugs-Software von VW herumfahren? Eigentlich sollte die Umrüstung längst erledigt sein. Doch statt Zustimmung regt sich immer mehr Widerstand. Klagen vor Gericht häufen sich. Viele glauben nicht an die neue Wunder-Software, die das Auto ganz ohne Nebenwirkungen wieder in Ordnung bringt. Und in diese Schar der Zweifler reiht sich jetzt eine Behörde ein, von der wohl die wenigsten "Rebellentum" erwartet hätten.

Es lief so gut für Bundesverkehrsminister Dobrindt. Den Abgasbetrug von VW ein bisschen aussitzen, dann schnell die Schummel-Autos umrüsten, Skandal erledigt. Und wer macht ihm jetzt einen Strich durch die Rechnung?!

Ausgerechnet die bayerische Polizei! Deren Einsatzwagen sollten eigentlich schon längst bei der Umrüstung sein - so wie 2.6 Millionen andere Autos: Runter mit der Betrugssoftware, rauf mit der neuen, die den Diesel angeblich sauber macht.
Bei Dobrindts angeordneter Aktion spielt das zuständige Innenministerium im Freistaat aber einfach nicht mit.

Michael Siefener, Sprecher Bayerisches Innenministerium:
"Wir haben rund 500 Fahrzeuge, die von der VW-Umrüstaktion betroffen sind. Bislang haben wir leider nicht die erforderlichen Informationen von VW bekommen und deswegen werden wir uns vorerst zumindest nicht an der Umrüstaktion beteiligen."

Die Polizei will Belege von VW: Verbraucht das Auto nach der Umrüstung wirklich nicht mehr? Und - was ist mit möglichen Folgeschäden durch den Eingriff in Motor und Abgasreinigung?

Michael Siefener, Sprecher Bayerisches Innenministerium:
"Es geht hier überhaupt nicht darum, da eine Extrawurst für die bayerische Polizei zu bekommen. Wir wollen letztendlich nur verbindliche Aussagen von VW."

Verantwortlich für die bayerische Polizei: Innenminister Joachim Herrmann. Offenbar traut der CSU-Landesminister dem CSU-Bundesminister bei der Rückrufaktion nicht über den Weg.

Dobrindt zeigt dafür wenig Verständnis. Schließlich hat er die Umrüstpläne von VW durchgewunken. Er glaubt, dass die Polizei aus Bayern sehr bald ihren Widerstand aufgeben wird, wie er uns ganz offensiv mitteilt:

Alexander Dobrindt, CSU, Bundesverkehrsminister
"Ich bin mir sicher, dass die Fahrzeuge auch umgerüstet werden wie alle anderen. Die Anordnung gilt ja, und auch der bayerische Innenminister wird sich danach richten."

Doch die Skepsis der bayerischen Polizei hat gute Gründe. Denn so einige haben schlechte Erfahrungen mit dem Software-Update gemacht. Zum Beispiel Michael Krause auf der Ostseeinsel Fehmarn. Der gelernte KFZ-Mechaniker ist stinksauer auf VW:

Michael Krause, VW-Kunde:
"Der Verbrauch lag vorher bei 4,3 maximal 4,5 bei konstanter Geschwindigkeit. Und nach dem Update, beträgt der durchschnittliche Verbrauch 6,5, 6,6. Und da tut sich nichts mehr."
Reporter:
"Das ist ja ein immenser Unterschied sogar!"
Michael Krause, VW-Kunde:
"Es ist ein Verbrauch von ca. zwei Litern, richtig. Was ich auch bei der Werkstatt, die das Update durchgeführt haben, reklamiert habe und bis dato keine Rückmeldung bekommen habe."
Reporter:
"Das heißt, VW ist nicht besonders entgegenkommend zu Ihnen?"
Michael Krause, VW-Kunde:
"Absolut nicht."

Neben dem hohen Verbrauch läuft der Motor seither auch noch unruhig, erzählt uns Michael Krause. Einige Experten vermuten sogar, dass die neue Software langfristig größere Schäden an Motor und Bauteilen anrichten könnte. VW versichert, das Update habe keinerlei negative Auswirkungen. Eine rechtlich bindende Garantie für mögliche Folgeschäden aber gibt der Konzern nicht ab.

Michael Krause, VW-Kunde:
"Ich bereue es sehr, dass ich mich auf das Update eingelassen habe."

Bei der bayerischen Polizei will man deshalb von VW verbindliche Garantien, statt nur Versprechungen.

Michael Siefener, Sprecher Bayerisches Innenministerium:
"Wir wollen von VW eben genau wissen, was es jetzt mit dieser Umrüstaktion auf sich hat. Wie VW dann auch damit umgeht. Wenn möglicherweise auch durch erhöhten Verschleiß dann etwas kaputt geht. Und die Aussagen bislang, sind da noch nicht zufriedenstellend."

Eine solche Langzeit-Garantie gibt es zum Beispiel in den USA - sie gilt zehn Jahre. Falls betroffene Teile kaputt gehen, haftet Volkswagen. Auf Druck der Behörden.

Zudem gibt es die Möglichkeit, Autos gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben. Sie landen dann auf solchen Halden. Die Umrüstung in den USA ist zudem viel aufwändiger - um die Autos wirklich sauber zu machen.

Beim deutschen Softwareupdate haben unabhängige Tests auf der Straße dagegen ergeben, dass der Rückruf kaum etwas für die Umwelt bringt. Das Fazit der Deutschen Umwelthilfe ist ernüchternd:

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe:
"Wir kennen Tests, bei denen nach der Umrüstung die Werte sogar leicht angestiegen sind. Beim VW Amarok zum Bespiel. Andere Fahrzeuge, wie der von uns getestete VW Golf, zeigen leichte Verbesserungen. Das heißt, die Bundesregierung hat mit vollem Wissen Veränderungen, und zwar billigen Veränderungen, für VW zugestimmt und erlaubt, die nicht geeignet sind, das Fahrzeug sauber zu machen."

Das Kraftfahrtbundesamt, das Dobrindt untersteht, hat eigene Tests durchgeführt und daraufhin den Rückruf genehmigt. Die Umwelthilfe hat die Herausgabe der Genehmigungs-Unterlagen gerichtlich durchgesetzt. Bekommen hat sie 600 Seiten - komplett geschwärzt. Angeblich alles Betriebsgeheimnisse. Transparenz aus dem Hause Dobrindt. Vertrauensbildung: Fehlanzeige.

Doch wie sieht es rechtlich aus? Müssen die Halter, also auch die bayerische Polizei, tatsächlich mitmachen?

Nein, meint Jurist Ralph Sauer. Er vertritt inzwischen 2000 Mandanten, die wegen des Abgasskandals VW verklagen:

Ralph Sauer, Rechtsanwalt:
"Dieses Softwareupdate muss ein Verbraucher nach Auffassung der stattgebenden Gerichte eben nicht aufspielen lassen, sondern man hat das Recht, das Fahrzeug zurückzugeben und entweder Geld oder eben ein Neufahrzeug zu erlangen."

Vor Gericht setzt sich diese Rechtsauffassung zunehmend durch. Chancen auf eine Rückgabe bestehen vor allem dann, wenn das Auto noch nicht umgerüstet ist, der Mangel - also die Betrugssoftware - weiter besteht.

Immerhin: ein Drittel der Halter hat in Deutschland noch nicht am Rückruf teilgenommen. Das sind rund 900.000 Autos.

Dobrindt erhöht nun den Druck - aber nicht auf VW, sondern auf die Kunden:

Alexander Dobrindt, CSU, Bundesverkehrsminister:
"Wir gehen davon aus, dass alle Fahrzeuge eine Umrüstung bekommen, aber die letzte Möglichkeit ist natürlich dann auch, dass Fahrzeuge nicht mehr fahren dürfen."

Und Dobrindt macht tatsächlich ernst: Umrüstungs-Verweigerer wie die bayerische Polizei bekommen nach Kontraste-Recherchen künftig Ärger bei der Hauptuntersuchung. Stellen TÜV oder Dekra fest, dass noch die Betrugssoftware aufgespielt ist, gibt es keine neue Plakette.

Der Dachverband des TÜV bestätigt gegenüber Kontraste, dass ab August bei den ersten Modellen durchgegriffen und:

"…eine fehlende Umrüstung als erheblicher Mangel gewertet wird."

Ohne TÜV auf Verbrecherjagd? Mal schauen, ob die bayerische Polizei doch noch den Rückwärtsgang einlegt.

Beitrag von Chris Humbs & Markus Pohl