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- Neuer Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien? Deutsche Drohnen für den Wüstenstaat

Saudi-Arabien plant offenbar die Fertigung der deutschen Aufklärungsdrohne LUNA in Eigenregie. Ein Modell der Drohne wurde bereits auf der Waffenmesse IDEX präsentiert. Nach dem Export einer Gewehrfabrik für die Herstellung des Sturmgewehrs G-36 wäre dies ein weiterer Schritt zum Aufbau einer unabhängigen Rüstungsindustrie mit deutschem Know-how.

Rüstungsgeschäfte mit Saudi Arabien sind schwer umstritten. Vor allem, weil der Golfstaat wegen Menschenrechtsverletzungen immer wieder am Pranger steht. Trotzdem genehmigt die deutsche Regierung seit Jahren Lieferungen von Panzern, Gewehren oder auch Aufklärungsdrohnen nach Saudi-Arabien. Nun aber scheint sich eine neue Entwicklung anzubahnen: Nach KONTRASTE-Recherchen will Saudi-Arabien offenbar verstärkt in Richtung EIGENE Rüstungsindustrie marschieren. Womöglich mit deutscher Unterstützung? Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka.

Die Eröffnungsshow der weltgrößten Rüstungsmesse IDEX 2013 in Abu Dhabi am persischen Golf. Wer hier präsent ist, will rund um den Globus Rüstungsgüter verkaufen. Auch Saudi Arabien mischt kräftig mit. Der Wüstenstaat rüstet seit Jahren auf. Mit Unterstützung aus Deutschland.

Der Bundestagsabgeordnete und Rüstungsexperte Jan van Aken hat die IDEX besucht. Dabei machte er eine überraschende Entdeckung.

Jan van Aken (Die Linke)
Bundestagsabgeordneter

„Ich habe mir natürlich dort auch den saudischen Stand angeguckt, der riesig groß war und zu meiner großen Überraschung hing da plötzlich ein Modell der Luna, eine Drohne, die die Bundeswehr auch in Afghanistan einsetzt.“

Die Aufklärungsdrohne Luna - eigentlich ein High-Tech-Produkt der deutschen Rüstungsindustrie. Doch auf der IDEX wirbt der staatliche saudiarabische Rüstungskonzern MIC damit für seine Leistungsfähigkeit.

Doch wie kommt der Konzern dazu? Gibt es einen Vertrag mit Saudi-Arabien, die Produktion der Drohne in Eigenregie erlauben würde?

Der Bundestagsabgeordnete van Aken hat von einem derartigen Rüstungsgeschäft bislang nichts erfahren.

Die LUNA ist ein militärisches Flugobjekt, das es in sich hat. Seit Jahren ist sie bei der Bundeswehr im Einsatz. Doch warum sollte Saudi Arabien sie selbst produzieren wollen?

In Stockholm zeigen wir die Fotos des Drohnenmodells dem Rüstungsexperte Pieter Wezeman von SIPRI, dem Institut für Friedensforschung. Er fürchtet, dass die Aufklärungsdrohnen von saudischen Sicherheitskräften auch zur Unterdrückung von Protesten verwendet werden könnten.

Pieter Wezeman
Friedensforscher Sipri

„Man kann diese Drohne auch für die Überwachung von Demonstrationen nutzen. Und wenn man der Meinung ist, dass Proteste zu weit gehen, kann man dann Truppen hereinschicken, um die Demonstration gewaltsam zu beenden.“

Dieser Werbefilm verrät: Noch aus 3000 Metern Höhe liefert die Drohne präzise Bilder für Aufklärung, Überwachung und Zielerfassung - bei Tag und Nacht. Der Experte warnt vor einem anderen Szenario.

Pieter Wezeman
Friedensforscher Sipri

„Denken wir an den Fall des Staates Bahrain, als saudischen Truppen aus dem Hintergrund den einheimischen Soldaten halfen, die mit tödlicher Gewalt friedliche regimekritische Demonstrationen unterdrückten.“

Der Friedensforscher meint das Frühjahr 2011, als saudische Truppen bei der brutalen Niederschlagung friedlicher Protesten im Nachbarstaat Bahrain halfen. Mit Hilfe der Drohnenbilder hätten Demonstranten sogar im Nachhinein verfolgt werden können.

Mathias John
Amnesty International

„Diese Drohnen können eben auch durch die Sicherheitskräfte flexibel eingesetzt werden, auch in Städten, auch um Demonstrationen zu überwachen, um einzelne Personen zu identifizieren. Und diese Menschen laufen dann Gefahr eingesperrt zu werden, gefoltert zu werden, Was in Saudi-Arabien eben auch ein Muster ist, ein System ist.“

Dass die LUNA vor allem im Innern eingesetzt werden könnte, bestätigt auch dieser Film eines saudischen TV-Senders von 2011. Der ranghohe Offizier des saudischen Innenministeriums behauptet sogar, dass die Drohne vom saudischen Rüstungskonzern MIC stamme. Zugleich erklärt er den Einsatzzweck.

Captain Mohammad bin Zaher Al-Bariqi
„Das Aufklärungsflugzeug ist ein Produkt der MIC. Seine Aufgabe ist Aufklärung. Es enthält Tag- und Nachtkameras, und es wird eingesetzt für sicherheitsrelevante Beobachtungen und für die Beobachtung der Grenze.“

Die Drohne als saudisches Produkt? Das wiederholt der Offizier auch in diesem Zeitungsartikel:
„(…) dieses Produkt sei Teil des Projektes für Transfer und Ansiedlung der Produktion von Drohnen, mit dem die MIC befasst sei.“

Der Entwickler und Hersteller der Drohne ist die Firma EMT im bayerischen Penzberg.

Wir wollen wissen, ob EMT bereits einen Nachbau der deutschen Drohne in Saudi Arabien selbst erlaubt habe. Die Firma verneint das nachdrücklich und schreibt auf unsere Anfrage:
„Eine detaillierte Beantwortung ist leider nicht möglich, da wir zu aktuellen internationalen Kunden generell keine Stellung nehmen.“

Das Bundeswirtschaftsministerium, zuständig auch für die Rüstungsexportkontrolle. Gibt es ein geheimes Rüstungsgeschäft, und womöglich gar eine Genehmigung dafür? Die Antwort:
„Dies ist nicht zutreffend."

Verantwortlich für die Entscheidung über dieses Geschäft wäre der Bundessicherheitsrat unter Vorsitz der Kanzlerin. Aber der tagt geheim.

Vielleicht ist die Entscheidung noch gar nicht gefallen, vielleicht waren die Saudis vorschnell. Es wäre nicht das erste Mal, dass Deutschland die saudische Rüstungsindustrie trotz schwerster Menschenrechtsverletzungen unterstützte. Ganz im Sinne der Sicherheitsdoktrin der Bundesregierung.

Angela Merkel (CDU)
Bundeskanzlerin

„Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: das schließt ausdrücklich Export von Waffen mit ein.“

Im Falle Saudi-Arabiens hält das Stockholmer Friedensforschungsinstitut diese Strategie der Kanzlerin für äußerst riskant:

Pieter Wezeman
Friedensforscher Sipri

„Es gibt starke Spannungen innerhalb Saudi-Arabiens, zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen wie den Suniten und den Schiiten. Es ist kein demokratischer Staat und es gibt eine Menge Gründe, warum es möglicherweise in Zukunft zu einem Regimewechsel kommen kann. Wenn das geschieht, gehen wir das Risiko ein, dass Waffen, die wir geliefert haben nun gegen uns selbst eingesetzt werden oder gegen unsere Verbündeten wie zum Beispiel gegen Israel.“

Welche Argumente am Ende für Rüstungsgeschäfte ausschlaggebend sind, bleibt für Parlament und Öffentlichkeit geheim.

Jan van Aken (Die Linke)
Bundestagsabgeordneter

„Ich erfahre in Saudi-Arabien eigentlich mehr, als wenn ich hier als Abgeordneter im Bundestag jetzt die Frau Merkel etwas frage.“



Beitrag von Sascha Adamek und Susanne Katharina Opalka