Wirtschaftsminister Rösler im Tabakqualm
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- Raucherlobby auf Erfolgskurs – Bundesregierung blockiert Werbeverbote für Zigaretten

Nur noch in Deutschland dürfen Jugendliche von den Zigarettenkonzernen zum Rauchen animiert werden - zum Beispiel durch Werbeplakate. Der Grund: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler blockiert die längst fällige Umsetzung internationaler Abkommen zur Einschränkung des Tabakkonsums.

Wofür steht die FDP? Das muss die Partei bis zur Bundestagswahl den Wählern deutlich machen. Für Parteichef Philipp Rösler scheint die Sache einfach: Liberal sein, heißt für ihn offenbar unternehmerische Freiheit ohne Grenzen. So agiert er jedenfalls, wenn es um das Thema Takakwerbung geht. Denn Rösler blockiert vehement, dass Plakatwerbung für Zigaretten verboten wird. Scheinbar nach dem Motto: Was scheren mich die Lungen der Raucher. Das wundert uns schon, Herr Dr. Rösler, wohlgemerkt, Doktor der Medizin. Helena Offenborn und Chris Humbs mit Einzelheiten.

Eine ausgelassene Party, eine Menge junger Leute. Trotz weit verbreiteter Aufklärung zu den Gesundheitsrisiken: Es wird viel geraucht. Die Zigaretten gibt es hier umsonst. Dank Marlboro.

Mit der „May-Be" Werbekampagne will der Marlboro Konzerns Philip Morris dem allgemeinen Abwärtstrend der Zigarettenbranche entgegenwirken. Und „May-Be" wirkt, vor allem bei jungen Menschen.

Dr. Tobias Effertz
Marketingforscher, Universität Hamburg

„Die Maybe-Kampagne mit ihrem Appell: sei kein Zögerer, sei kein Maybe, sondern tu etwas - natürlich - fang mit dem Rauchen an, verfängt sehr gut bei den Jugendlichen. Das Konzept der Maybe-Kampagne ist besonders auf Jugendliche zugeschnitten."

Laut internen Dokumenten des Marlboro-Konzerns stieg seit Beginn der Maybe-Kampagne in Deutschland der Umsatz bei den 18 bis 24-jährigen um 3,6 Prozent.

Für die Konzerne notweniger Nachschub, um die Gewinne langfristig zu sichern, denn die Kunden der Zigarettenhersteller sterben früh.

Eigentlich darf es in Deutschland gar keine Tabakwerbung mehr geben. Denn die Bundesregierung hat dieses Abkommen der Weltgesundheitsorganisation zur „Eindämmung des Tabakgebrauchs" ratifiziert.

Es verpflichtet die Unterzeichner zu einem umfassenden Werbeverbot.

Aber Deutschland hat die Vereinbarung einfach nicht umgesetzt.

So dürfen EU-weit nur noch in Deutschland Tabakkonzerne für Zigaretten werben.

Ein eklatanter Verstoß gegen das Abkommen, meint der Gesundheitspolitiker Karl-Heinz Florenz:

Karl-Heinz Florenz (CDU)
Europäisches Parlament

„Deutschland spielt in dieser Frage eine negative Sonderrolle, weil in vielen anderen Ländern die Werbung und Außenwerbung längst der Vergangenheit angehört. Und ich also immer wieder entsetzt bin, dass gerade der Kernpunkt den wir haben, nämlich junge Menschen von Rauchen abzuhalten, das er gerade durch diese Außenwerbung wieder aufgebrochen wird."

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner ist zuständig für die Umsetzung des international vereinbarten Werbeverbots. Sie lässt uns ausrichten: Aus Sicht ihres Ministeriums, Zitat:

„… ist ein vollständiges Verbot der Außenwerbung … geboten."

Das hört sich prächtig an. Doch Ministerin Aigner hat einen Gegenspieler.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler verwehrt sich gegen ein Verbot der Außenwerbung.

Gegenüber KONTRASTE begründet der FDP-Chef nun erstmals seine Blockadehaltung:

„Ein Totalwerbeverbot für ein legales Produkt stünde (…) mit der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) nicht in Einklang."

In anderen Worten: Die Umsetzung des Abkommens sei in Deutschland nicht möglich. Das Grundgesetz erlaube es nicht.

Wir schauen nach. Im Artikel 14 heißt es: Eigentum wird gewährleistet.

Daraus scheint Rösler zu folgern, dass Eigentum, wie zum Beispiel das Eigentum an einer Zigarettenfabrik, nur dann geschützt ist, wenn für die dort hergestellten Produkte auch geworben werden darf.

Aber das ist Unfug - da sind sich Verfassungsrechtler einig:

Prof. Christian Pestalozza
Verfassungsrechtler, Freie Universität Berlin

„Artikel 14 hat erstens und hauptsächlich mit einem solchen Werbeverbot überhaupt nichts zu tun. Wenn man ihn aber für einschlägig hält, (…) würde er nicht gegen ein Werbeverbot sprechen, sondern für ein Werbeverbot."
KONTRASTE
„Warum?"
Prof. Christian Pestalozza
Verfassungsrechtler, Freie Universität Berlin

„Für ein Werbeverbot deswegen, weil Eigentum verpflichtet. Und weil der Eigentümer verpflichtet ist sein Eigentum im Sinne der Allgemeinheit einzusetzen, Artikel 14 Absatz 2. Und das ist ja bei den gemeingefährlichen Tabakprodukten nicht gerade der Fall."

Im so genannten Kollaborationsbüro der WHO glaubt man zu wissen, warum sich hier die tabakfreundliche Politik durchgesetzt hat.

Dr. Martina Pötschke-Langer
WHO-Kollaborationszentrum Heidelberg

„Der Tabaklobbyismus in Deutschland findet auf allen Ebenen statt und ist wie ein schleichendes Gift eigentlich. Hat auch alle Ebenen der gesellschaftlichen Entscheider durchdrungen."

Vor allem mit Sponsoring will die Tabakindustrie ihr Image aufpolieren - und prominente Politiker helfen dabei gern mit.

Bei den Veranstaltungen der Jungendorganisation der FDP geht offenbar nichts ohne die Unterstützung durch die Zigarettenhersteller.

Da solches Sponsoring genauso wie Werbung wirkt, sieht der internationale Vertrag auch ein striktes Sponsoringverbot vor.

Aber auch diesen zentralen Teil des Abkommens hat Deutschland nicht umgesetzt.

Tabak-Sponsoring wird in Deutschland weiterhin akzeptiert - wie hier beim Parteitag der CSU.

Die Junge Union erhielt 2011 vom Marlboro-Konzern Philip Morris Sponsorengelder in Höhe von insgesamt knapp 25.000 US-Dollar. Der Geschäftsführer der CDU-Jugendorganisation - ab 14 darf man hier Mitglied werden - stellt sich ganz offen vor Philip Morris.

KONTRASTE
„Der Vorwurf steht im Raum, dass die Junge Union im Endeffekt für Tabakkonzerne wirbt."
Alexander Humbert
Bundesgeschäftsführer Junge Union

„Es ist so, dass wir sehr viele Partner haben, das sind nicht nur Tabakkonzerne sondern auch Energiekonzerne, Automobilkonzerne, die eben auch ebenfalls Produkte herstellen, die man legal auf dem Markt erwerben kann. Und wo sollte man da die Grenze ziehen. Wo sollte man da sagen, Tabakkonzerne wollen wir hier nicht mehr dabei haben aber Energiekonzerne schon."
KONTRASTE
„Ich zitiere da mal vom Bundesverfassungsgericht eine Aussage: Das Rauchten tötet mehr Menschen als Verkehrsunfälle, AIDS, Alkohol, illegale Drogen, Morde und Selbstmorde zusammen."
Alexander Humbert
Bundesgeschäftsführer Junge Union

„Ja, Sie können sicherlich bei jedem Produkt, das in Deutschland vertrieben wird, gesundheitsschädliche Aspekte herbeizitieren. Nehmen sie Limonade, nehmen sie andere Dinge."

Limonade, Zigaretten. Angeblich alles das gleiche.

Verharmlosungen, wie sie die Zigarettenhersteller per Werbung in der Mitgliederzeitung der Jungen Union platzieren.

In Deutschland gibt die Tabakindustrie dank der Blockade eines Ministers immer noch den Ton an.



Beitrag von Helena Offenborn und Chris Humbs