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- Straffreie Bankmanager – Die „Gummiparagraphen“ des Strafgesetzbuches

Bankmanager verdienten Millionen - und verbrannten Milliarden. Den Verursachern der Finanzkrise will jetzt die Justiz auf den Pelz rücken. Aber es ist schwer, die Spitzenmanager mit Hilfe der Strafgesetze hart und schnell zu belangen. Das bewies vor der aktuellen Bankenkrise schon der Berliner Bankenskandal. Seit mittlerweile 8 Jahren ermittelt hier die Justiz. Bis heute konnte sie keinen der Skandalbanker hinter Gitter bringen. Müssen die Strafgesetze geändert werden?

Welch ein Absturz: Die einstigen Vorzeigetypen der boomenden Wirtschaft, die hoch bezahlten Bankmanager, sind mittlerweile zu Buhmännern der Nation geworden: Gierig und verantwortungslos haben sie Millionen und Milliarden verschleudert. Moral? Fehlanzeige. Aber? Gehört nicht der, der Gelder in Millionenhöhe veruntreut hat, bestraft? Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits in mehreren Fällen wegen des Verdachts auf Veruntreuung. Doch genau das nachzuweisen, dürfte für die Staatsanwälte äußerst schwierig werden, fürchtet unser Autor Norbert Siegmund, und das liegt an unseren schwammigen Strafgesetzen!

Grenzenlose Gier und Zockerei. Banken verdienten Millionen ... und verbrannten Milliarden. Herhalten müssen die Steuerzahler.

Aber warum nicht auch die verantwortlichen Bankmanager?

Peer Steinbrück (SPD), Bundesfinanzminister
„Wenn es auf den Weltfinanzmärkten brennt, meine Damen und Herren, dann muss gelöscht werden. Auch wenn es sich um Brandstiftung handelt.“
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
„Wir greifen hart durch, damit das, was wir jetzt erlebt haben, sich nicht wiederholt.“

Fensterreden angesichts einer Katastrophe, die Gesichter hat. Wie das von Georg Funke, Ex-Vorstandschef der Hypo Real Estate. Gegen ihn und weitere Spitzen-Banker soll die Justiz nun „hart durchgreifen“. Die Erwartungen sind hoch – wie der gesellschaftliche Schaden. Mit rund 100 Milliarden Euro zu Lasten der Steuerzahler muss allein Funkes Ex-Bank gestützt werden.

Haben Manager das Geld der Bank verzockt, ohne die Risiken zu prüfen, wie es ihre Pflicht wäre? Dann wären sie der Untreue schuldig.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Ex-Bankvorstände unter anderem wegen Untreue. Trotz markiger Politikerreden - das Ergebnis ist völlig offen.

Anton Winkler, Staatsanwaltschaft München
„Gerade weil es so ein komplexer Tatbestand ist, ist es natürlich teilweise sehr aufwendig, ihn rechtlich wirklich in den Griff zu bekommen.“

Untreue von Managern – äußerst schwer nachzuweisen. Die Justiz wird die hohen Erwartungen wohl so schnell nicht erfüllen können. Dabei warnen Ermittler schon lange, dass unsere Strafgesetze zu schwammig sind.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Unser Wirtschaftsstrafrecht ist nicht gerecht, weil es die wirtschaftlich Mächtigen schützt. Weil es so schwerfällig und so schwer handhabbar ist, ist es faktisch ein Schutz für die Wirtschaftsstraftäter.“

Die Oberstaatsanwältin weiß, wovon sie redet. Als eine der Erfahrensten unter Deutschlands Bankenermittlern untersucht sie seit nunmehr acht Jahren den Berliner Bankenskandal. Und sie vertrat die Anklage im ersten großen Prozess gegen Ex-Bankvorstände und Aufsichtsräte. Verfahren, aus denen man lernen kann?

Seit 2001 versuchen Ermittler, Berliner Skandalbankern Untreue nachzuweisen – trotz offenkundiger Milliarden-Risiken ein bis dahin einmaliger Kraftakt für die Justiz. Tonnenweise werden damals Akten beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft gründet eine Spezialabteilung – und muss für die Massen an Beweismaterial sogar Fabriketagen anmieten. Doch nach nunmehr 8 Jahren die für Ex-Bankmanager erfreuliche Bilanz:

Null Euro Schadenersatz.
Null Tage Gefängnis
Von 148 Ermittlungsverfahren wurden 118 Verfahren eingestellt.

Und der Prozess um Milliardenrisiken für die Steuerzahler - der hat bis heute nicht begonnen. Auch nach 8 Jahren nicht.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Aus meiner Sicht hätten Konsequenzen gezogen werden müssen aus der Erfahrung des Berliner Bankenskandals, der für sich ja groß genug war schon für sich alleine gesehen. Man hätte auf jeden Fall im Bereich der Untreuestrafbarkeit etwas ändern müssen.“

Der Untreue-Paragraph. Er trifft Manager, die nicht pflichtgemäß mit ihnen anvertrautem Geld umgehen. Etwa Finanzjongleure, die waghalsig spekulieren, ohne dabei Risiken zu prüfen. Oder Banker, die Kredite vergeben ohne ausreichende Sicherheiten.

So geschehen im Berliner Bankenskandal, wo mit fragwürdigen Immobilien spekuliert wurde. Problem für die Ermittler: Selbst falls sie nachweisen, dass Manager sehenden Auges und ohne pflichtgemäße Prüfung der Risiken Geld verbrannten - haben sie die Verdächtigen noch lange nicht überführt.

Denn laut Gesetz muss die Staatsanwaltschaft den finanziellen Nachteil genau beziffern – was oft kaum möglich ist. Denn zumindest theoretisch kann ja jede Immobilie irgendwann mal wieder etwas wert sein. Ebenso jedes zweifelhafte Wertpapier aus Übersee.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Und wenn wir das nicht feststellen können, nicht sicher feststellen können, dann ist es so, dass wir den Untreuevorwurf nicht nachweisen können, und dann kommen die Straftäter davon. Der Untreuetatbestand müsste so vereinfacht werden, dass man nur den Regelverstoß strafbar macht, wie bei anderen Straftatbeständen auch, wie beim Diebstahl, wie bei der Körperverletzung. Wenn ich jemanden schlage, ist das strafbar. Fertig. So müsste es eigentlich auch bei der Untreue sein, damit wir die leichter handhaben können.“

Und auch das: Bei Jedermanns-Delikten wie Körperverletzung oder Diebstahl oder Betrug ist schon allein der Versuch strafbar. Der Untreue-Paragraph hingegen birgt ein Privileg: Hier nämlich ist der Versuch nicht strafbar.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Es ist eine Form von Einladung, Grenzen auszutesten und auch mal zu überschreiten, weil sie nicht eindeutig festgelegt sind.“

Nur in einem Teilverfahren konnte die Staatsanwaltschaft einen kleinen Erfolg verbuchen: Ein rechtskräftiges Untreue-Urteil gegen Ex-Bankvorstand Klaus Landowsky, einst auch mächtigster Mann der Berliner CDU. Das Strafmaß: 16 Monate zur Bewährung.

Vera Junker, Vereinigung Berliner Staatsanwälte
„Die Strafen, die derzeit verhängt werden für Strafen dieser Art sind meiner Meinung nach nicht mehr angemessen, weil das Verhältnis nicht mehr stimmt zwischen dem angerichteten Schaden, und dem, was dann dabei herauskommt, sprich der Strafe.“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland drängt deshalb auf organisatorische Änderungen. Vor acht Jahren trieb Wieland als Justizsenator die Ermittlungen im Berliner Bankenskandal voran. Wegen der neuerlichen Finanzkrise fordert er nun, alle Bankenermittlungen zu bündeln, damit sie effektiver sind - beim Generalbundesanwalt:

Wolfgang Wieland (Bündnis90/Die Grünen), MdB
„Auf die Idee, dass nun nicht Terroristen oder Landesverräter mal den Bestand des Staates gefährden könnten, sondern Banker, war bis dato noch niemand gekommen. Aber die Situation haben wir im Grunde. Wir haben Länder, die sind kurz vor der Insolvenz. Und auch die recht reiche Bundesrepublik kann nicht auf Dauer so viele Milliarden in den Finanzsektor einschießen. Das heißt: Wir haben eine tatsächliche Bedrohung unseres Staates, und für einen solchen Fall wird man in Zukunft auch zentrale Zuständigkeiten schaffen müssen.“

Doch bis heute gibt es keinen Anlauf zur Straffung des Strafrechts. Auch nach der neuerlichen Bankenkrise nicht - weder im Parlament noch in der Regierung. Trotz empörter Fensterreden über kriminelle Machenschaften von Bankern.

Peer Steinbrück (SPD), Bundesfinanzminister
„… auch wenn es sich um Brandstiftung handelt.“
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
„Wir greifen hart durch.“

Kanzlerin und Finanzminister lehnen ein Interview ab, ebenso die Justizministerin,

Laut Zeitungsinterview sieht Zypries wörtlich „keinerlei Anlass“, das Wirtschaftsstrafrecht zu verschärfen. Der Untreue-Tatbestand sei effektiv und die Strafen seien hart - so ihr Sprecher. Ohnehin käme für den aktuellen Finanzskandal jede Gesetzesänderung zu spät, denn die darf nicht rückwirkend gelten.

Also bleibt wohl alles beim Alten – bis zur nächsten Bankenkrise. 
 

Beitrag von Norbert Siegmund